Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ich war immer ein „kleiner Philosoph“

 

Mit dem 18-jährigen Nachwuchsdichter Lars Kawczyk aus Stollarzowitz, der auf Englisch, Deutsch und Englich Gedichte schreibt, sprach Manuela Leibig.

 

Lars Kawczyk hofft, bald seinen eigenen Gedichtband herauszugeben.
Foto: M. Leibig

 

 

Du bist in Deutschland geboren und dann mit Deinen Eltern nach Schlesien gezogen. Wo habt Ihr gelebt und wie lange warst Du in Deutschland?

 

Ich bin in Biberach an der Riß geboren und lebte in Baden-Württemberg für ungefähr 4 Jahre. 2005 mussten wir nach Stettin umziehen, denn mein Vater, ein Bundeswehrsoldat, wurde dorthin versetzt. Dort lebten wir bis 2014. Das war zwar Polen, aber wegen der nahen Grenze hatten wir viel Kontakt nach Deutschland. Dann sind wir nach Schlesien umgezogen. In Schlesien ist es viel schwieriger, Deutsch zu sprechen, weil es wenige können. Der DFK Stollarzowitz hat mir dabei geholfen, den Kontakt mit der deutschen Sprache nicht zu verlieren.

 

 

Der Entschluss umzuziehen, wie schwer war das für Dich?

 

Es war ziemlich schwer, um ehrlich zu sein. Ich lebte die längste Zeit meines Lebens in Stettin – und dann musste ich alles zurücklassen. Aber es ist nun mal so. Trotzdem war ich neugierig auf einen neuen Anfang.

 

 

Kanntest Du Schlesien schon, hast Du hier Familie? 

 

Meine Eltern wurden in Oberschlesien geboren, aber unsere Wurzeln sind deutsch. Deshalb haben wir Familienmitglieder, die über ganz Deutschland und Schlesien verstreut sind. Als Kind haben wir Schlesien mehrmals im Jahr besucht, um die Familie wiederzusehen.

 

 

Wie kam es denn dazu, dass Du angefangen hast, Gedichte zu schreiben?

Ich war immer ein „kleiner Philosoph“ in der Familie. Ich habe immer Fragen gestellt und geträumt. Für die Schule ist es nicht gerade das Beste. Ich habe mich immer eingeschränkt gefühlt. Für die Aufsätze gibt es immer Kriterien, die man berücksichtigen muss und meistens muss man Sachen auswendig lernen. Ich brauchte etwas, wo ich einfach meiner Phantasie freien Lauf lassen konnte, ohne irgendwelchen Regeln zu folgen. Während dieser Suche entstand die Idee, Gedichte zu schreiben und ich habe einfach losgelegt. Am Anfang waren die Gedichte chaotisch, aber nach viel Experimentieren fand ich meinen eigenen Weg, sie besser zu schreiben. Ich war nie in einem Kurs und habe alles selbst gelernt, wie man besser schreibt. Ich würde gern bald an einem Kurs teilnehmen. Ich habe auch ein paar Tricks im Englischunterricht gelernt und mit Hilfe meiner Englisch-Lehrerin an meinem Stil gefeilt.

Ich weiß, ich habe noch sehr viel zu lernen, aber ich schaue dem langen Weg mit Optimismus und Begeisterung entgegen.

 

 

Hast Du einen Lieblingspoeten?

 

Ich lese selten Werke anderer Poeten, denn ich will nicht, dass ich unbewusst so schreibe wie sie. Ich will mein eigenen Weg finden und niemandem folgen. Das Lesen anderer würde meine Kreativität und meine Vorstellung ziemlich beschränken. So habe ich keinen Lieblingspoeten, aber Dylan Thomas und Charles Bukowski werden immer einen speziellen Platz in meinem Herzen haben. Denn „Do not go gentle into that goodnight“ und „Roll the dice” waren die ersten Gedichte, die ich außerhalb der Schule gelesen und geliebt habe.

 

 

Was bedeutet für Dich Heimat? Wo oder was ist Deine Heimat? 

 

Für mich ist Heimat kein Ort, sondern mehr ein Gefühl. Es ist in den Menschen, die man wirklich liebt. Man fragt sich: „Du kommst nach Hause, wo deine ganze Familie wohnte und findest es leer. Alle sind woanders hingezogen. Wirst du es immer noch ‘zu Hause‘ nennen?“

Wo es Akzeptanz gibt, existiert die Heimat. Meiner Meinung nach ist es sinnlos, einen Kreis oder eine Gesellschaft zu suchen, wo man sich anpassen kann. Der, der so sucht, wird sein ganzes Leben suchen, nie sein wahres eigenes Leben führen.

Heimat ist dort, wo ich der Lars sein kann, der ich sein will. Meine Familie und Freunde akzeptieren mich so, wie ich bin und deswegen liebe ich sie aus ganzem Herzen.

 

 

Wie ist es, als junger Mensch zu schreiben, zu dichten? 

 

Ich weiß, dass es heutzutage selten ist, junge Menschen zu finden, die so etwas machen. Viele Jugendliche scheinen zu denken, dass Gedichte nur für die Älteren interessant sind. Das ist nicht wahr. Gedichte sind für jeden gedacht. Ich bin sehr glücklich, dass ich diese „Gedichtwelt“ gefunden habe und dass ich meiner Leidenschaft schon so früh in meinem Leben nachgehen kann. Das Schreiben hat mich als Person weiter entwickelt. Ich gehe offener und unvoreingenommener mit Situationen um. Es hilft mir sehr.

 

 

Was sagen Deine Gleichaltrigen dazu? 

 

Recht viele sind überrascht. Wenn sie es mitbekommen, wollen sie immer etwas von mir lesen und darüber reden. Es ist interessant, ihre Meinungen zu hören, sogar, wenn sie negativ sind.

 

 

Und Deine Familie?

 

Am Anfang waren sie skeptisch, denn ich habe meine ersten Gedichte auf Englisch geschrieben. Weil wenige Familienmitglieder Englisch können, hatten sie nie eine Möglichkeit, das Original zu lesen. Ich musste es immer übersetzen und so gingen Rhythmus, Reime und Stil verloren. Ich konnte nicht das ausdrücken, was ich wollte und so konnten sie es nicht wirklich beurteilen.

 

Als ich meine ersten Gedichte auf Deutsch geschrieben habe, waren sie überrascht. Sie unterstützen mich sehr, denn sie sehen, wie viel es mir bedeutet. Manchmal fragen sie mich, ob ich ein Gedicht für sie schreiben kann. Es ist immer toll.

 

 

Wie entsteht ein Text von Dir?

Es ist recht komisch zu erklären, wie ich schreibe. Eine Idee für ein Gedicht kann aus allen Ecken herauspringen. Ich muss sie nicht schnell aufschreiben, aber manchmal habe ich viele Ideen auf einmal, dann schreibe ich eine Liste. Ich beginne das Schreiben, wenn ich in der richtigen Stimmung bin. Ich beginne mit dem Ende, dann finde ich einen Anfang. Zunächst fülle ich das Gedicht und der Titel kommt immer als letztes.

 

Das Schreiben ist nie konstant. Manchmal schreibe ich ein Gedicht pro Monat, andere Male schreibe ich drei an einem Tag. Es ist wirklich verschieden. Nie lösche ich schlechte Gedichte, aber ich habe sowohl auf meinem Computer einen speziellen Platz, als auch ein Heft für sie.

 

Meistens ist ein Gedicht in drei Sitzungen fertig. Ich habe auch ein paar Gedichte, für die ich einen ganzen Monat brauchte, wegen des Rhythmus oder der Länge. Solche größeren Projekte geben mir die Möglichkeit, mich ausführlicher auszudrücken und sind schwerere Herausforderungen.

 

Diese Methoden werden sich bestimmt weiterentwickeln. Das Wichtigste ist, einfach zu schreiben.

 

 

Was möchtest Du mit Deinen Gedichten sagen? 

 

Jedes Gedicht erzählt eine andere Geschichte, aber was ich immer erreichen will, ist, den Menschen zu zeigen, dass es in Ordnung ist, seine eigenen Gefühle auszudrücken. Egal, ob Trauer oder Fröhlichkeit, alle sind gleichwertig. Wenn wir uns nur auf das Schöne konzentrieren, wird die Trauer wachsen.

 

Wenn ich in der Stadt bin, ob im Bus oder auf dem Fußweg, sehe ich, dass die meisten Menschen ausdruckslos sind. Selten sehe ich eine Person lachend oder weinend. Wenn man im Bus lächelt, denkt jeder, dass man seltsam ist und man wird schräg angeguckt. Ich bin sehr enttäuscht. Jeder weiß, dass wir alle Probleme und Glück haben, aber alle verstecken es und lügen.

 

Trotz der Globalisierung lebt unsere Generation in großer Einsamkeit. Was wir verstehen müssen ist, dass Einsamkeit nicht das gleiche ist wie „alleine sein“. Man kann in einer Menschenmenge von Tausenden stehen und sich dennoch einsam fühlen. Wenn man dann Probleme hat, mit denen man alleine nicht klarkommt und keinen hat, mit dem man reden kann, entsteht das Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Ich glaube, dass man nicht effektiv helfen kann, wenn man Gefühle versteckt. Man muss sie zeigen und über sie sprechen können. So kann man Leben retten.

 

 

Du planst, Deine Gedichte in Form eines Buches herauszugeben. Was kannst Du uns dazu schon verraten?

 

Ja, das stimmt. Das Buch „Misfortune“ oder „Unglück“ will ich vor dem Sommer noch herausgeben. Es ist auf Englisch geschrieben, aber ich plane, das Buch ins Deutsche und Polnische zu übersetzen.
Dieses Buch ist der erste Teil einer Trilogie, also kann man weitere Bücher erwarten. Das Buch ist in der finalen Phase, aber für den Verlag noch nicht ganz fertig.

Autorenlesungen und Treffen sind ein Traum von mir. Alles hängt davon ab, wie die Bücher bei den Lesern ankommen.

 

 

 

Zeit

Er ist groß und schmal,
Seine Haut ist blass und rau,
Er hört jeden Schritt und jeden Knall.
Verfolgt jeden Mann und jede Frau.

Er ist ein Fluch und ein Segen,
Er fliegt aber nicht.
Ob Sonne oder Regen,
Sein Tempo bricht er nicht.

Er ist schneller als jene,
Aber macht kein Geräusch.
Wie ein Zug ohne Schiene,
Kommt er entgegen euch.

Durch jede Dunkelheit und jedes Licht,
Unter Wasser, in der Luft oder auf Land,
Verstecken kannst du dich nicht.
Irgendwann fängt er dich am Rand.

Versprechen tut er viel,
Aber geben tut er nie.
Ohne Zweck, ohne Ziel,
Führt er dich auf die Knie.

Du bettelst um ein bisschen mehr,
Aber dafür ist es zu spät.
Seine Hand ist schwer,
Die er auf deine Schulter legt.

Tränen rollen,
Denn die Zeit ist gekommen.
Du kannst viel wollen,
Aber er hat dein Leben genommen.

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