Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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In die Zukunft schauen

Hartmut Koschyk: „Zunächst war ich natürlich beeindruckt von den Zeitzeugen, aber auch von den Fragen der jungen Menschen, sowohl aus Deutschland als auch aus Polen.

Jugendliche, die an dem Projekt Archiv der Erzählten Geschichte teilgenommen haben, wurden zu einem Zeitzeugengespräch ins Bundesinnenministerium am Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung eingeladen. Bereits im Vorfeld hat das Haus der Deutsch- Polnischen Zusammenarbeit zwei Vorbereitungstreffen organisiert, um die Geschichte der drei Zeitzeugen aus dem Sudetenland, Ostpreußen und Rosenthal an der Wolga kennenzulernen und sich entsprechende Fragen zu überlegen.

 

„Ich habe viel Neues über den Zweiten Weltkrieg erfahren. Ich wusste viel über die Geschehnisse in Schlesien, aber nicht in den anderen Regionen, wo Deutsche ausgesiedelt wurden. Es hat mir sehr gefallen“ sagt Paweł Majer, Teilnehmer des Archivs der Erzählten Geschichte. Und weiter: „ Ich finde es eine tolle Idee, die Geschichte nicht aus den Büchern zu lernen, sondern beim Sprechen mit anderen Menschen mit Zeitzeugen.“

 

Warum am Flüchtlingstag?

 

Der Gedenktag wurde vor vier Jahren ins Leben gerufen, dass allerdings Jugendliche, die sich mit Zeitzeugen, den Opfern von Flucht und Vertreibung austauschen, eingeladen werden, fand dieses Jahr zum ersten Mal statt. Außer den Jugendlichen aus Polen – die in Oppeln mit einem Bus mit der Aufschrift POLIZEI abgeholt wurden – waren Schüler aus Brandenburg anwesend. Ihre Rolle war es, dem Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizere (CDU) Fragen zu stellen. Lusia Puttkammer wollte z.B. wissen, warum der Gedenktag an die Opfer von Flucht und Vertreibung auf den Weltflüchtlingstag fällt. „Ich habe mich vorher mit der Zeitzeugin Frau Kiesewetter-Giese auch darüber unterhalten, ob es moralisch überhaupt zulässig ist“, meint Lusia. Die Antwort des Ministers: „In der Schule habt ihr bestimmt gelernt, dass man alles vergleichen kann. Wenn wir abstrakt sagen, das sind Menschen die ihre Heimat verlassen, dann sind beide Schicksale vergleichbar. Wenn man aber sagt, Flucht mit Hilfe von Schleppern und Schleusern, dann ist es schon wieder ein bisschen anders. Dann gibt es auch Flüchtlinge, denen es in ihrer Heimat schlecht geht, und die suchen eine bessere ökonomische Zukunft in Deutschland, was verständlich und rational ist. Aber es ist wiederum nicht auf die gleiche Stufe zu stellen mit einer zwangsweisen Vertreibung oder Flucht aus der Heimat. Also man sieht, dass vieles vergleichbar ist und vieles nicht. Wir können alles vergleichen, aber auf eine Stufe stellen, geht nur teilweise.“ Auf die Frage, warum der Gedenktag erst so spät eingeführt wurde, argumentierte der Minister, dass es zu viele Gedenktage gäbe, und wenn es zu viele gibt, sind sie nichts wert. „Jeden Tag Sonntag wäre auch schlecht“, sagte der Innenminister.

 

Rolle der Deutschen Minderheit

 

Auf die Idee, die Teilnehmer vom Archiv der Erzählten Geschichte  aus Oberschlesien einzuladen, kam der Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk. „Zunächst war ich natürlich beeindruckt von den Zeitzeugen, aber auch von den Fragen der jungen Menschen, sowohl aus Deutschland als auch aus Polen. Das hat deutlich gemacht, Menschen, die dieses Schicksal erlitten haben, können uns viel erzählen, und die junge Generation ist sehr daran interessiert.  Aber alles, was wir heute gehört haben, war immer versöhnend und in die Zukunft schauend. Keiner der Zeitzeugen hat, trotz all des Leides und der Bitternis über das erlittene Schicksal, nach hinten geblickt. Sie sind alle mit ihrer ehemaligen Heimat in Schlesien, im Sudetenland, in Ostpreußen oder in Russland oft in enger Verbundenheit und pflegen intensiven Kontakt. Und dass junge Leute aus Deutschland und Polen, auch aus den Reihen der Deutschen Minderheit, an dieser Veranstaltung teilgenommen haben, zeigt ja diese Brückenfunktion. Die Deutsche Minderheit in ihrer angestammten Heimat, Vertriebene und Aussiedler stellen hier eine wichtige Brücke zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn dar“, sagte Hartmut Koschyk.

 

Manuela Leibig/ru

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