Gestern (24.06) besuchte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann die Deutsche Minderheit in Oppeln, und zwar im Rahmen seiner viertägigen Reise nach Schlesien. Dabei informierte er sich über die allgemeine Lage der Volksgruppe sowie aktuelle Probleme und Herausforderungen.
Nachdem in den Tagen zuvor Thomas Oppermann Liegnitz und Breslau besucht und dort Gespräche mit Vertretern der Stadt und der Selbstverwaltung der Woiwodschaft geführt hat, war gestern Oppeln an der Reihe. Dort informierte er sich vor Ort über das entstehende Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen Minderheit, dessen Sitz in der Szpitalnastr. gerade umgebaut wird. Auch ein Besuch in der deutsch-polnischen Eichendorffbibliothek stand auf dem Programm. Beim anschließenden Gespräch mit Vertretern der deutschen Minderheit im Verband deutscher Gesellschaften erfuhr Oppermann mehr über die Arbeit der Organisationen. „Es ist sehr wichtig, dass die deutschen Politiker, wenn sie über die deutsche Minderheit sprechen, auch eigene Erfahrungen aus der Begegnung mit uns in die Diskussion einbringen können. Nun nach dem Besuch hat Herr Oppermann einen kleinen Einblick bekommen, wie die Minderheit funktioniert und wie sie ist“, sagt Bernard Gaida.
An dem Gespräch nahmen Vertreter unterschiedlicher Organisationen der deutschen Minderheit teil. Neben dem VdG waren die beiden größten Regionalorganisationen in der Oppelner Region und der Woiwodschaft Schlesien vertreten, auch ein Vertreter der Jugend nahm an dem Treffen teil. In der Diskussion wurde dabei u.a. über den Deutschunterricht in den letzten beiden Grundschulklassen gesprochen, der nun nicht mehr gleichzeitig als Minderheiten- und Fremdsprache unterrichtet werden darf. Ein anderes Problem waren zweisprachige Ortsschilder, die in einigen Gemeinden vom Ministerium immer noch nicht genehmigt wurden, obwohl die Kommunen alle Vorgaben erfüllt haben.
Bernard Gaida unterstrich auch ein generelles Problem der polnischen Minderheitenpolitik, die auf Symmetrie pocht. Vertreter der Regierung meinen, der Minderheit können keine neuen Rechte gewährt werden, solange die deutsche Seite der Polonia keine wesentlichen Zugeständnisse macht. Thomas Oppermann kritisierte eine solche Haltung und sagte, man könne die Polonia, die heute vor allem aus Einwanderern bestehe nicht mit einer alteingesessenen Minderheit vergleichen.
Einen besonderen Akzent legte die deutsche Minderheit aber auf der Präsentation der neuen Initiativen, die möglich wurden dank zusätzlichen Mitteln, die auf Beschluss des Bundestages gewährt wurden. Dabei handelt es sich u.a. um die Sprachprojekte Lernraum.pl und Deutsch AG sowie die Entstehung des Dokumentations- und Ausstellungszentrums sowie des Forschungszentrums der deutschen Minderheit. „Ich bin der Meinung, dass es Sinn macht, dem Vizepräsidenten des Bundestages zu zeigen, wie diese Projekte derzeit umgesetzt werden. Aber wir formulierten auch die Sorge um die zukünftige Finanzierung der Projekte, damit sich diese auch weiterentwickeln können“, sagt Bernard Gaida.
Für Thomas Oppermann war es die erste Reise nach Schlesien und er zeigte sich positiv überrascht über den Umfang der Aktivitäten der hier lebenden Deutschen.
„Ich sehe hier eine deutsche Minderheit, die tief verwurzelt ist in der Region, die das moderne Polen bereichert und die eine sehr konstruktive Rolle in der polnischen Gesellschaft spielt. Wir werden diese Minderheit als Bundestag weiter unterstützen. Ich habe gesehen, dass hier ein Dokumentations- und Ausstellungszentrum entsteht, auch mit Unterstützung des Deutschen Bundestages. Dieses Zentrum muss mit Leben gefüllt werden, dafür muss in der nächsten Zeit gearbeitet werden“, sagte Oppermann.
Neben Gesprächen mit der Minderheit traf sich der Bundestagsvizepräsident mit dem Oppelner Marschall Andrzej Buła und dem Sejmikvorsitzenden Rafał Bartek. Am Nachmittag folgte ein Besuch in Groß Stein und ein Gespräch mit Erzbischof Alfons Nossol.
Rudolf Urban