Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Krieg auf der Landkarte

Im Mai dieses Jahres jährt sich das Ende des Zeiten Weltkriegs in Europa zum 75. Mal. Ein sehr wichtiges und bewegendes Thema waren damals die Nachkriegsgrenzen Polens auf der neuen politischen Landkarte des Landes. Diese Frage wurde nicht, wie so mancher glauben mag, unmittelbar nach dem Ende der Kriegshandlungen entschieden.

 

Der „Landkartenkrieg“ um diese Gebiete begann im Februar 1945 und endete erst 1957. Gelb markiert ist der Grenzverlauf vom Februar 1945, blau der vom August 1945 und rot die jetzige Grenze.
Foto: eastprussia.ru.

 

Nahezu bis Ende 1945 stand nicht fest, wem künftig beispielsweise die noch kürzlich gewesene ostpreußische Hauptstadt Königsberg (Królewiec) oder auch Elbing (Elbląg) gehören würden. Mehr noch, die Menschen in Elbing wussten in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre nicht, ob sie nicht würden wegziehen müssen. Dabei ging es nicht um eine Rückkehr des mythischen „Deutschen”, sondern um einen unbändigen Appetit des „Großen Bruders”. Inzwischen ist das Problem der Nachkriegsgrenzen allerdings definitiv abgeschlossen.

 

Sowjetische Truppen hatten im Herbst 1944 den östlichen Teil Ostpreußens erreicht. Zu dieser Zeit war noch nicht ganz klar, wie viel von diesem Territorium an Polen fallen würde. Ein Jahr zuvor hatten US-Präsident Franklin Delano Roosevelt (1882-1945), der britische Premierminister Winston Churchill (1874-1965) und der Anführer der UdSSR Josef Stalin (1878-1953) vereinbart, dass die Grenze zwischen der UdSSR und Polen künftig vom Pillauer Tief (Cieśnina Piławska) entlang der Flüsse Pregel (Pregoła) und Pissa (Pisa) verlaufen würde. Königsberg würde auf der sowjetischen Seite sein. Die Grenze sollte 30 bis 40 Kilometer weiter nördlich als die jetzige verlaufen.

 

Grunau (Gronowo), Kr. Heiligenbeil/Ostpreußen), Aufnahme aus den 1930er Jahren.
Foto: Archiv des Verfassers.

 

Stalin stand auf dem Standpunkt, dass Polen Ostpreußen und Schlesien erhalten soll

Im Oktober 1944 stand Stalin auf dem Standpunkt, dass Polen Ostpreußen und Schlesien – letzteres als Entschädigung für die Gebietsverluste im Osten – erhalten soll. Die Westgrenze sollte künftig entlang der Oder-Neiße-Linie verlaufen. Auch Stettin sollte sich auf der polnischen Seite befinden. Daher bestand unmittelbar nach dem Krieg die allgemeine Überzeugung, dass das gesamte ehemalige Ostpreußen an Polen fallen würde. Es erschienen sogar entsprechende Landkarten mit polnischen Ortsnamen aller dort befindlichen Ortschaften und die Republik Polen schickte sich bereits an, dort ihre Verwaltung zu installieren. In einigen dieser Ortschaften, die heute in Russland, Oblast Kaliningrad, liegen, war eine polnische Verwaltung übrigens bereits aktiv. So war es in Heiligenbeil (Święta Siekierka, derzeit Mamonowo in der russischen Oblast Kaliningrad), in Preußisch Eylau (Pruska Iława, jetzt Bagrationowsk), Darkehmen (Darkiejmy, heute Osersk), Gerdauen (Gierdawy, jetzt Schelesnodoroschny) oder auch in Nordenburg (Nordenbork, heute Krylowo). Bis Ende 1945 mussten die polnischen Behörden dann allerdings sämtliche dieser Ortschaften wieder verlassen.

Damals stand bereits fest, dass Polen den südlichen Teil Ostpreußens bekommen würde. Denn am 16. August 1945 wurde in Moskau ein Sondervertrag zum Verlauf der polnisch-sowjetischen Grenze im geteilten Ostpreußen geschlossen. Diese hat Josef Stalin selbst mit einem Bleistift auf die Landkarte gezeichnet. Der beigelegten Karte zufolge sollte sie an einem Punkt ca. 3 km nördlich von Neukrug (Nowa Karczma) an der Frischen Nehrung (Mierzeja Wiślana) beginnen und 7 km nördlich von Braunsberg (Braniewo) und 4 km nördlich von Goldap (Gołdap) verlaufen. Gemäß dieses Vertrages übernahm Polen 23.655 qkm, d.h. 64 Prozent des gesamten ehemaligen Ostpreußens. Während des Moskauer Treffens versuchte der damalige stellvertretende Premierminister Stanisław Mikołajczyk (1901-1966) eine Grenzverschiebung nach Norden auszuhandeln, so dass sich der gesamte Masurische Kanal dann auf polnischer Seite befinden würde. Er wollte auch, dass die UdSSR polnischen Schiffen freie Überquerung des Pillauer Tiefs gewähren sollte. Die Sowjets lehnten diese Forderungen ab. Nach vielen Jahren soll nun ein Kanaldurchstich durch die Frische Nehrung dieses Problem lösen, der gegen alle Warnungen von Umweltschützern soeben begonnen hat.

 

Grenzübergang Grunau (Gronowo) – Heiligenbeil (Mamonowo).
Foto: Archiv des Verfassers.

 

 

Grenzverschiebung nach Süden

Im Herbst 1945 begannen die Russen damit, die Grenze konsequent und eigenmächtig nach Süden zu verschieben. Zu dieser Zeit kam es zu einer eigenverantwortlichen Verletzung der Nordgrenze des Bezirks Masuren durch sowjetische Militärbehörden in den Landkreisen Gerdauen, Bartenstein (Bartoszyce) und Darkehmen. Die bisherige Grenzlinie wurde dabei 12 bis 14 km ins polnische Staatsgebiet hinein versetzt, teilte Władysław Gomułka (1905-1982), der damalige Minister für die wiedergewonnen Gebiete, mit. Zu gleicher Zeit nahmen sowjetische Behörden willkürlich weitere Grenzverschiebungen zu Ungunsten Polens vor: im Kreis Gerdauen um 14 km, im Kreis Bartenstein um 7 km und im Kreis Deutsch Eylau (Iława) um 2 km.
Den Russen lag daran, die parallel zum Breitenkreis verlaufende Eisenbahnlinie zu übernehmen, die Goldap über Darkehmen (Osersk), Gerdauen, Friedland (Frydland, heute Prawdinsk), Preußisch Eylau (Pruska Iławka, heute Bagrationowsk), Zinten (Cynty, heute Kornewo) mit Heiligenbeil verband. Die Folge war eine Grenzverschiebung südlich von diesem wichtigen Eisenbahnweg und der Rückzug der Keimzellen polnischer Ortsbehörden aus Gerdauen, Preußisch Eylau und Heiligenbeil.
Im November 1945 richtete Oberst Jakub Prawin (1901-1957), Beauftragter der polnischen Regierung für den Bezirk Masuren, ein Schreiben an das Ministerium für öffentliche Verwaltung, in dem es hieß, dass vonseiten „der Militärbehörden der UdSSR” eine einseitige Grenzziehung erfolgt sei. Und weiter: „Die Bevölkerung dieser Gebiete schenkt unter dem Eindruck der willkürlichen Grenzverschiebungen den Gerüchten über geplante Übernahmen weiterer Gebiete durch sowjetische Behörden Gehör. Dies schafft eine für die normale Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens schädliche Atmosphäre der Ungewissheit und eine Tendenz zum Verlassen der Grenzgebiete.“

 

Grenzübergang Grunau (Gronowo) – Heiligenbeil (Mamonowo). Foto: Archiv des Verfassers.

 

Proteste nützten nichts

Alle Proteste nützten nichts. In jenen Jahren wurde die Grenze von sowjetischen Offizieren auf der Grundlage von Anweisungen aus Moskau und nach eigenem Gutdünken gezogen. Daher blieben die Menschen im nördlichen Grenzland weiterhin um ihr Los besorgt. Manche von ihnen mussten ja kurzfristig ihre jeweilige, in Polen geglaubte Ortschaft verlassen. Man war sich nicht sicher, ob diese Situation sich nicht zum Beispiel in Braunsberg wiederholen würde. So soll das nahegelegene Grunau angeblich für ein paar Liter Spiritus sowjetischen Soldaten abgekauft worden sein. Auch kam es vor, dass jemand am Morgen noch in Polen lebte und am Abend bereits in der UdSSR. Dieses Schicksal widerfuhr den polnischen Bewohnern Nordenburgs, jetzt Krylowo. Polnische Beamte verließen Krylowo vor knapp 75 Jahren. Zusammen mit ihnen verließen auch polnische Siedler den Ort. Die Inbesitznahme Nordenburgs durch die Russen war die letzte große Änderung der polnisch-sowjetischen Grenze. Dennoch fanden bis in die Mitte der 1950er Jahre noch mehrere kleine Korrekturen, stets zugunsten der UdSSR, statt. So wurde z.B. auch die Grenzlinie an der Frischen Nehrung verschoben.
Ihre endgültige Form erhielt die Grenze erst 1957 mit einem Abkommen zwischen Polen und der UdSSR. Im folgenden Jahre wurden dann entlang der Trennlinie zwischen beiden Ländern Grenzpfähle aufgestellt.

 

Alfred Czesla

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