Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Medizin auf Deutsch „daheim”?

Stanislaw Tillich (links) will beim Aufbau einer medizinischen Fakultät auf Deutsch in Oppeln helfen, Jarosław Gowin (rechts) sagt dazu nicht nein. Foto: Łukasz Biły.
Stanislaw Tillich (links) will beim Aufbau einer medizinischen Fakultät auf Deutsch in Oppeln helfen, Jarosław Gowin (rechts) sagt dazu nicht nein. Foto: Łukasz Biły.

Die Worte von Erzbischof Nossol bezüglich der Universität Oppeln (UO) von einem „Studieren daheim” sind inzwischen legendär geworden. Das Studieren „daheim” soll schon bald auch werdende Ärzte betreffen, denn die Universität will eine medizinische Fakultät eröffnen. Im Rahmen der Initiative gibt es auch die Idee einer Studienrichtung, bei der man die Medizin auf Deutsch studieren kann. Helfen könnte dabei u.a. die Partnerschaft mit Sachsen.

 

„Es ist noch viel zu früh, von einer medizinischen Fakultät auf Deutsch in Oppeln zu reden, aber es ist eine Idee von uns, die ein positives Echo bei Minister Gowin gefunden hat“, bestätigt der für das Gesundheitswesen in der Woiwodschaft Oppeln zuständige Vizemarschall Dr. Roman Kolek von der deutschen Minderheit. Kolek setzt sich bereits seit längerer Zeit für eine medizinische Fakultät an der UO ein. Grünes Licht für eine solche Fakultät hat inzwischen Wissenschafts- und Hochschulminister Jarosław Gowin bei seinem jüngsten Besuch in Oppeln gegeben. Dr. Kolek konnte dem Minister dabei die Idee vorstellen, an der Oppelner medizinischen Fakultät einen Studiengang einzurichten, wo das medizinische Fachwissen in deutscher Sprache vermittelt werden würde: „Ich weiß um das Interesse an einem solchen Angebot bei Familien in Deutschland und es wäre auch ein Alleinstellungsmerkmal für Oppeln“, so Dr. Kolek.

 

Studenten aus Deutschland

 

Ein Medizinstudium auf Deutsch wäre in Oppeln tatsächlich eine landesweite Sensation. In verschiedenen Städten Polens besteht die Möglichkeit, Medizin z.B. auf Englisch zu studieren. Ein „deutsches“ Medizinstudium an der UO wäre aber ein Unikum im ganzen Land. Da die polnischen Medizinstudien einen guten Ruf in Europa genießen, wäre dieses neue Angebot der UO ein Magnet für Studenten aus Deutschland. Und hier tritt auch der ökonomische Aspekt auf den Plan: Die Studenten aus Deutschland wären Kunden der Oppelner Geschäfte, Gaststätten und Bars, sie würden Wohnungen mieten und die städtischen Verkehrsmittel sowie andere Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Die ganze Stadt und folglich auch die Region würden davon profitieren.

 

Sachsen als Partner

 

Das größte Fragezeichen im Hinblick auf Medizin auf Deutsch wären die Lehrer. Wenn wir Dr. Roman Kolek fragen, woher man diese nimmt, sagt er, man brauche im Moment noch „nicht so weit in die Zukunft zu schauen”. Sogleich drängt sich allerdings die Idee einer Zusammenarbeit mit Sachsen auf, mit dessen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, der Angehöriger der sorbischen Minderheit ist, sich Vertreter der deutschen Minderheit am 7. April getroffen haben. Wegen der Nähe Oppelns zu Sachsen wäre es kein Problem, wenn zumindest ein Teil der Lehrer in der neuen Studienrichtung direkt aus Dresden nach Oppeln pendeln würde. Und die geringeren Kosten für Lebenshaltung und Studiengeld könnten für deutsche Studenten ein Anreiz dazu sein, in Oppeln zu lernen.

 

Sorben als Vorbild

 

Angemerkt sei, dass das Schulwesen – nicht nur das medizinische – das beherrschende Thema beim Treffen von Spitzenvertretern der deutschen Minderheit aus der Woiwodschaft Oppeln mit Ministerpräsident Tillich war. „Da Sachsen ein Ballungszentrum der sorbischen Minderheit ist, hat es naturgemäß viel Erfahrung mit dem Schulwesen für Minderheiten“, sagt der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften Bernard Gaida. Man habe beim Gespräch mit dem Ministerpräsidenten versucht, mögliche Kooperationsbereiche zu definieren und erwähnte dabei z.B. eine Mithilfe bei der Organisation von Schulungen für Minderheitensprachlehrer oder auch bei der Suche nach Methodikern, die über eine entsprechende Lehrerfahrung verfügen. Ministerpräsident Tillich habe aber auch vieles aus eigener Erfahrung berichtet: „Der Ministerpräsident war z.B. sehr gut darüber im Bilde, wie es sich mit einem Lehrbuch für eine Minderheitensprache verhält. Er betonte sofort, dass man unterscheiden muss zwischen einem Fremdsprachenunterricht und identitätsstiftenden Inhalten“, so Bernard Gaida.

 

Bereits kurz nach ihrem Treffen mit Ministerpräsident Tillich sagten die Vertreter der deutschen Minderheit, sie seien sehr zufrieden. Auch wenn nach wie vor Rheinland-Pfalz der Hauptpartner der Woiwodschaft Oppeln bleibe, seien beide Seiten auch an einer Vertiefung und Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Oppeln und Dresden interessiert. Eine Mithilfe beim Schulwesen der deutschen Minderheit und beim Aufbau eines deutschsprachigen Medizinstudiums in Oppeln wären große Erfolge dieser Zusammenarbeit.

 

Łukasz Biły.

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