Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Nach 74 Jahren endlich wieder aufgetaucht

Vor 122 Jahren wurde der evangelischen Kirche in Mensguth (pl. Dźwierzuty) ein silberner Kelch für das Abendmahl gestiftet. Er tat 48 Jahre lang seinen Dienst, bevor er Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand. Jetzt tauchte er wieder auf und kehrte zu seiner Gemeinde zurück. Nun wurde er im Rahmen eines Konzerts Pastor Witold Twardzik überreicht.

 

                  Präses Manfred Rekowski mit dem Kelch auf dem Kirchhof in Mensguth. Fotos: Uwe Hahnkamp

 

Begonnen hatte alles im Mai dieses Jahres. Witold Twardzik, der Pastor der Evangelisch-Augsburgischen Gemeinde in Passenheim (pl. Pasym), deren Filialkirche das Gotteshaus in Mensguth ist, stieß mit Mitgliedern seiner Gemeinde im Kirchhof auf einen vergrabenen Stein, der sich als achtseitiger Taufstein aus dem 14. Jahrhundert, der Entstehungszeit der ersten Kirche Mensguths, entpuppte. Ermutigt durch diesen Fund, stiegen sie auf den Speicher über der Kassettendecke der Kirche und fanden dort sorgfältig verwahrte Bretter. Eines davon zeigte nach Behandlung durch einen Konservator eine polychrome Bemalung. Es handelt sich also bei den Brettern vermutlich um die ursprüngliche Decke der Kirche.
„Diese Entdeckungen waren ein Anstoß für mich, auch im Internet nach möglichen Funden von Dokumenten oder Gegenständen von hier zu suchen“, erzählt Pastor Twardzik „Auf der Seite eines Kölner Auktionshauses wurde ich fündig – dort wurde ein silberner Kelch angeboten, der der Mensguther Kirche gestiftet worden war.“ Der Haken an der Sache: die Auktion war vorbei, der Kelch hatte zwei Tage vorher einen neuen Besitzer gefunden.

 

Ein silberner Kelch…
Doch Pastor Twardzik gab nicht auf. Über den obersten Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Jerzy Samiec aus Warschau, setzte er sich mit der Evangelischen Kirche im Rheinland in Verbindung, deren Präses Manfred Rekowski seine Bitte aufgriff und das Auktionshaus kontaktierte. Der Käufer ließ einen Kontakt zu und sich anschließend von Manfred Rekowski überzeugen. „Es war ein Wunder. Der Kelch war eigentlich schon außer Reichweite und dann hat es doch noch geklappt“, so Präses Rekowski. „Die Käufer, die anonym bleiben wollen, meinten, sie könnten sich nicht an dem Kelch erfreuen, wenn er anderswo vermisst werden würde.“ Dank der Evangelischen Kirche im Rheinland und den Partnergemeinden von Passenheim in Mönchengladbach-Rheydt und Düsseldorf-Wersten gelang der Rückkauf. Manfred Rekowski freut sich besonders, dass er das wertvolle liturgische Gefäß zurückbringen durfte: „Ich bin hier in der Nähe geboren und habe als kleiner Junge in der Region gelebt. Es war eine Ehre für mich.“ Vor dem Transport wurde der silberne Kelch allerdings von der heute noch tätigen Herstellerfirma Aßmann in Lüdenscheid auf Hochglanz gebracht.

 

                 Die Inschrift unter dem Fuß des Kelchs; Stifterin Gottliebe Liba und Hersteller Firma Aßmann

 

…und gleich zwei Wunder
Möglich wurde das dank der Inschrift auf der Unterseite des Kelchfußes. Dort ist die Firma eingeprägt – und die Stifterin. „Gottliebe Liba Samplatten der Kirche Mensguth 1897“ steht dort geschrieben, wobei Samplatten (pl. Sąpłaty) ein Dorf sechs Kilometer entfernt von Mensguth ist. Über die Stifterin ist nichts weiter bekannt, wie Karola Kalinski, die Geschäftsführerin der Kreisgemeinschaft Ortelsburg, die die früheren Einwohner des Kreises Ortelsburg vereint, zu dem Mensguth gehört, betont: „Wir haben in unserem Archiv geforscht und leider nichts gefunden, nicht einmal unser Vorsitzender Marc Plessa, der sich mit Ahnenforschung befasst und einen guten Überblick über die Dokumente hat. Es hätte uns Gottliebe Liba als Person interessiert, aber auch das Ereignis, weswegen sie so eine teure Spende gemacht hat.“ Denn das ist das zweite Wunder an dem Kelch, so Manfred Rekowski: „Hier lebten überwiegend arme Bauern, die sich so etwas nicht leisten konnten. Der Wert des Kelchs aus purem Silber entspricht nach Schätzung der Firma Aßmann nämlich mehr als einem halben damaligen Jahreslohn.“
Pastor Witold Twardzik freut sich sehr über die gelungene deutsch-polnische Kooperation: „Nach 74 Jahren wird dieser silberne Kelch wieder beim Abendmahl im Gottesdienst seinen Dienst tun, wie das so lange für die früheren Bewohner von Mensguth der Fall war.“ Als besonders symbolisch empfinden beide Geistliche, dass der Kelch kurz vor dem 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs wieder aufgetaucht ist, an dessen Ende er verschwand. „Er wurde für diese Kirche gestiftet, hier gehört er hin und hier soll benutzt werden“, unterstreicht Präses Manfred Rekowski, „für uns ist er ein Zeichen, ein Kelch des Friedens.“

 

 

Uwe Hahnkamp

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