Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Schlesien auf der Kulturroute der Orte der Herrnhuter

Lars-Arne Dannenberg (im Bild) und Matthias Donath vom „Zentrum für Kultur // Geschichte“ arbeiten an einer europäischen Vernetzung der Orte der Herrnhuter.
Fotos: K. Kandzia

Allein 200 evangelische Grenzkirchen aus dem 17. Jahrhundert an der schlesischen Grenze haben Lars Arne Dannenberg und Matthias Donath neulich erforscht. Nun haben sich die Gründer des „Zentrums für Kultur // Geschichte“ ein weiteres Mammutprojekt vorgenommen.

 

Diesmal wollen die promovierten Historiker aus dem Landkreis Meißen die Ausbreitung der Freikirche „Herrnhuter Brüdergemeine“ in Europa erforschen. 34 Städte und Gemeinden in sieben Ländern stehen ihnen bevor. Gut, dass sie nicht nach Grönland, den Orient, nach Tibet oder Ostindien reisen müssen, denn auch dort gibt es Herrnhuter Brüdergemeinen. Europa allein ist schon ein Herausforderung, denn Dannenberg und Donath haben vor, ein Netzwerk aller europäischen Orte mit Herrnhuter Tradition zu schaffen, damit so eine „Europäische Kulturroute Herrnhuter-Stätten“ entstehen kann. Auf dieser Kulturroute darf natürlich Schlesien nicht fehlen, denn die 1722 in Herrnhut gegründete Brüdergemeine suchte auch hier wie anderorts im Osten nach Möglichkeiten, Mission und Evangelisation zu betreiben.

 

Zu den ersten schlesischen Siedlungen (1743) der Brüder-Unität gehören Gnadenberg (Godnów) auf dem Gut Groß Krauschen in der Gemeinde Bunzlau (Bolesławiec) und Gnadenfrei (Piława Górna) bei Reichenbach (Dzierżoniów). Im Jahre 1745 entstand eine Herrnhuter Siedlung in Neusalz (Nowa Sól) und zwei Jahre davor in Rössnitz (Rozumice) in der Gemeinde Katscher (Kietrz), die jedoch nach einigen Jahren aufgegeben wurde. 1787 wurde dann, während der Friderizianischen Kolonisation, das oberschlesische Gnadenfeld/Pawlowitzke (Pawłowiczki) gegründet. Die Gründung weiterer Siedlungen fand im 19 Jahrhundert statt, so entstanden Stätten der Herrnhuter in Goldberg (Złotoryja) im Jahre 1828, in Hausdorf (Jugów) 1873 oder Breslau 1880.

 

Gnadenfeld bei Cosel

 

Von der Siedlung der Brüder-Unität 1787 in Gnadenfeld (Pawlowitzke) sind kaum noch Spuren erhalten geblieben. Nach 1945 teilten die Gnadenfelder Herrnhuter, wie es in ganz Schlesien der Fall war, das Schicksal der deutschen Vertriebenen. Doch in der Gemeinde Reinschdorf, zu der Gnadenfeld (Pawlowitzke) gehört, hat man die Herrnhuter nicht ganz vergessen. „Die Herrnhuter sind eine ganz wichtige Religionsgemeinschaft im Kreis Cosel gewesen. Die ehemaligen Besitzer des Vorwerks in Reinschdorf, die Familie Wünscher, waren Herrenhuter aus Gnadenfeld und haben viel Gutes getan“, so Tomasz Kandziora, der sich für die Geschichte seiner Gemeinde stark macht. Er nahm Kontakt zu Karol Treffon auf, einem Pawlowitzker Tierarzt, der in seiner Freizeit die Geschichte der Herrnhuter in Gnadenfeld untersuchte, eine Publikation über die Gnadenfelder Herrnhuter als Phänomen in Oberschlesien (Dawne Pawłowiczki/ Gnadenfeld czyli fenomen na Górnym Śląsku) herausbrachte und in Vorträgen sein Wissen weitergibt. „Das phänomenale für mich ist, dass sich die Mährischen Brüder, wie die Herrnhuter auch genannt werden, in einem katholischen Ort ansiedelten, wo sie doch eigentlich, wenn möglich, nach einer protestantischen Umgebung suchten, wie es in Niederschlesien der Fall war. In Pawlowitzke fanden sie jedoch Schutz seitens der Familie von Schurma“, so Treffon.

 

Nachdem Ernst Julius von Seidlitz für seinen Sohn Friedrich von Seidlitz das Dominium Pawlowitzke erwarb, entstand dort eine Siedlung für die Herrnhuter Glaubensbrüder, die Gnadenfeld genannt wurde. Auf einem zentralen, rechteckigen Platz wurde ein Bethaus errichtet, das auch als Schule und Gemeindehaus genutzt wurde. Es folgten, ebenso im Rechteck um das Bethaus herum ein Schwestern- und Brüderhaus und ein Mädchen- und Knabeninternat sowie entlang eines rechteckigen Straßennetzes Einfamilienhäuser für die Herrnhuter Gemeinde. „Die einzigen Spuren der Herrnhuter Siedlung sind heute eine Jesusstatue aus dem Gnadenfelder Krankenhaus und einige Wohnhäuser“, bedauert Treffon.

 

Herrnhuter Errungenschaften

 

Und dabei wurde Gnadenfeld erst durch die Herrnhuter bedeutsam. Hier wurde 1790 die erste Apotheke und 1866 das erste Krankenhaus im Landkreis Cosel errichtet. Neben einer Ziegelei und Windmühle, einer Post, Brauerei, Molkerei, Speiseölfabrik, Kaffeerösterei, Glockengießerei, der berühmten „Kachelofenherstellung Krettek“, einem Möbelhaus und die europaweit erste Kurbelwellenfabrik. 1834 gab es in Gnadenfeld bereits eine Gaslichtbeleuchtung. „In Gnadenfeld entstand 1791 das erste Mädcheninternat in Schlesien und im Gnadenfelder Theologischen Seminar wurden Theologen aus den besten aristokratischen Familien Europas ausgebildet. Nicht zu vergessen ist der musikalische Beitrag der Gnadenfelder. Hier entstand nämlich ein Symphonieorchester, das für den Radiosender Breslau Aufnahmen machte. Es spielte auch Konzerte für die Pawlowitzker Einwohner “, so der Tierarzt.

 

Ähnlich wie in Gnadenfeld sind auch in den anderen Herrnhutersiedlungen in Niederschlesien kaum Spuren von den einst wichtigen Stätten geblieben. Marek J. Battek von der Technischen Universität Breslau zählte zusammen, dass alle Bethäuser der Herrnhuter 1945 zerstört wurden, bis auf Neusalz, wo man im Bethaus eine Schulsporthalle einrichtete. Auch die Gottesacker, wie die Herrnhuter Friedhöfe genannt werden, sind bis aufs letzte Grab „verschwunden“.

 

Lars Arne Dannenberg und Matthias Donath vom „Zentrum für Kultur // Geschichte“ können jedoch getrost ruhig bleiben. Sie werden in ihrer Kulturroute der Herrnhuter Orte auf jeden Fall Schlesien einbeziehen können, denn die typische Anlegung der Siedlungen sind immer noch gut sichtbar, so Battek.

 

In fünf Jahren feiert der Ursprungsort der Unität-Brüder Herrnhut seinen 300. Geburtstag. Er wäre ein schöner Anlass für die Eröffnung der europäischen Kulturroute der Orte der Herrnhuter.

 

Klaudia Kandzia

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