Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Zwei Jahre und zwei Jahrhunderte

 

 

Vor vier Jahren entschlossen sich Katarzyna und Jan Burchardt, den ehemaligen Wagenschuppen auf dem Hof ihrer Vorfahren in Mielenz (Miłoradz) zu renovieren. Seit zwei Jahren wohnen sie dort, doch eigentlich ist die Familie Burchardt schon zwei Jahrhunderte in der Region des Großen Werder heimisch. Im Schuppen sammeln sie historische Gegenstände des Alltags und erzählen mit ihrer Hilfe ihren Besuchern von der Geschichte des Großen Werder.

 

Katarzyna und Jan Burchardt mit der wieder instandgesetzten historischen Mangel

 

 

 

Der Wagenschuppen ist heute das zentrale Gebäude der Aktivitäten der Familie Burchardt und der Gesellschaft „Dawna Wozownia“ (dt. ehemaliger Wagenschuppen). Seine Geschichte begann 1896 als Abstellraum für Schlitten und Wagen. „Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der Hof sechs Besitzer“, erzählt Jan Burchardt, „nach dem Krieg bekamen ihn meine Großeltern mütterlicherseits, die aus Kleinpolen hierher gekommen waren.“

 

 

Familiengeschichte in Mielenz

Die Familie von Jan Burchardts Vater Horst ist jedoch schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Großen Werder zuhause. Anfangs in der Region, später in Mielenz selber. „Der Hof lag weiter nördlich“, sagt Jan Burchardt und zeigt über die weiten Felder hinter dem jetzigen Anwesen, „aber davon ist nichts mehr übrig.“ Der Blick über die friedliche Ebene lässt nichts von den historischen Turbulenzen erahnen, die über sie hinweggefegt sind. Dabei geht es unter anderem um die Flucht aus dem Ort am 24. Januar 1945. „Davon hat mir mein Vater erzählt“, so Jan Burchardt, „wir gestalten jetzt aus den Ereignissen dieses letzten Morgens in Mielenz ein kurzes Hörspiel. Die polnische Version wird demnächst in einem Studio im Radio Marienburg aufgenommen, es ist aber auch eine deutsche Version geplant.“

 

 

Deutsche Minderheit und Mennoniten

Seitdem sich verbreitet hat, wie sich die Burchardts um historische Gegenstände und die Geschichte des Großen Werders kümmern, kommen nämlich auch deutschsprachige Gruppen auf Besuch, unter anderem von der deutschen Minderheit in Marienburg und Marienwerder. Diese Orte liegen nicht weit weg, aber nicht mehr im Großen Werder. „Mielenz gehörte noch zur Freien Stadt Danzig, hier gab es einen Evakuierungsbefehl von oben. Senioren aus Marienwerder kennen das manchmal gar nicht“, erklärt Jan Burchardt.

 

 

Auch Mennoniten sind häufige Gäste, denn ihre Vorfahren haben das Große Werder trockengelegt und kultiviert, und es finden sich viele Spuren ihrer Kultur in der Region. Neben den bekannteren Friedhöfen wie in Heubuden (Stogi) bei Marienburg gibt es auch einen direkt in Mielenz, um den sich die Gesellschaft „Dawna Wozownia“ kümmert.

 

Am meisten freut es Katarzyna und Jan Burchardt, wenn ihre Gäste über die historischen Gegenstände ins Erzählen kommen. „Eine alte Mennonitin hat hier Stühle wiedergesehen, die sie von früher in Erinnerung hat. Sie saß darauf, ihre Augen glänzten und sie sagte ´endlich wieder´“ erinnert sich Katarzyna Burchardt, „und eine Seniorin aus der deutschen Minderheit saß auf einer Kutsche und berichtete von Ausfahrten als Kind. Da müsste man einfach ein Tonband laufen lassen und diese Zeitzeugen aufnehmen.“ Entsprechende Projekte haben sie beantragt, aber keine finanzielle Förderung dafür bekommen.

 

 

Britische Kriegsgefangene

Konkreter sind die Pläne für einen Gedenkstein für etwa 20 britische Kriegsgefangene, die hier in einem Arbeitskommando des Stalag XXB Marienburg lebten und in Mielenz in der Landwirtschaft arbeiten mussten. Horst Burchardt erinnerte sich später noch an englische Vornamen wie Alan oder Harry, wie sein Sohn Jan berichtet: „Inzwischen hatten wir ihre Nachkommen zu Besuch, und in diesem Jahr noch soll hier ein Denkmal an die Gefangenen erinnern.“

 

 

Erlebte Geschichte

Auch die Bewohner aus Mielenz und Umgebung kommen inzwischen selber und bringen Antiquitäten. Manche funktionieren noch, die meisten muss man instandsetzen. Ein Beispiel ist eine Mangel mit Kurbel. „Unten bei den Rollen wird die nasse Wäsche eingelegt, oben Gewichte und dann musste man kurbeln“, führt Katarzyna Burchardt vor, „das machen wir mit Schülern bei Kursen zum historischen Alltag. Kaltes Wasser, Waschbrett, Schmierseife und zuletzt die Mangel – das strengt an.“ Ein anderes Projekt zeigt den Weg von der Saat über die Ernte mit Sense und Schlegel und das Mahlen bis zum fertigen Brot. Auch regionale Bräuche werden gepflegt. Denn vor dem Vergessen bewahren möchte die Gesellschaft „Dawna Wozownia“ auch das nichtmaterielle Erbe des Großen Werders.

 

 

Text, Fotos: Uwe Hahnkamp

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