Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Wir treten als Team an“

Über die vergangene VdG-Verbandsratssitzung, die bevorstehenden Wahlen bei der Oppelner deutschen Minderheit und die Parlamentswahl in Polen im Herbst 2023 sprach Rudolf Urban mit Rafał Bartek, dem Vorsitzenden des VdG und der SKGD.

 

Blicken wir zunächst noch auf die VdG-Verbandsratssitzung. Es wurde viel besprochen, am Ende klang aber auch Kritik an, wenn man an den DFK-Chef aus Glatz, Horst Ulbrich, denkt, der mehr interne offene Aussprache vermisst. Sehen Sie auch, dass Gesprächsbedarf besteht?

Ich muss im Nachhinein sagen, dass die Kritik von Herrn Ulbrich berechtigt war, weil wir ein sehr turbulentes Jahr erleben. Von polnischer Regierungsseite wird die Minderheit in Sachen Sprachunterricht diskriminiert. Von deutscher Seite bekommen wir zwar aus dem Bundesinnenministerium zusätzliche Mittel zur Sprachförderung, die aber noch nicht bei den Organisationen angekommen sind und — gleichzeitig, was wohl Herrn Ulbrich am meisten wurmt, erleben wir eine gravierende Kürzung der Mittel für Kultur und Sprachprojekte seitens des Auswärtigen Amts.

Horst Ulbrich, der Vorsitzende des DFK in Glatz, sprach während der VdG-Verbandsratssitzung auch kritische Themen an.
Foto: Lucas Netter

Vieles hat sich also verändert, auch seitens der polnischen Rechtsprechung wird sich in den kommenden Monaten vieles für die Nichtregierungsorganisationen ändern, was vor allem unsere kleineren Organisationen der deutschen Minderheit in Bedrängnis bringen kann, wenn es um Vorgaben für die Buchhaltung geht. Deshalb denke ich: Es ist eine gute Überlegung, dass wir am Vorabend oder am Tag der Tagung der VdG-Delegierten einen Rahmen schaffen, in dem wir intern mit den Organisationen sprechen können, um nicht nur im Nachhinein zu reagieren, sondern vor allem zu agieren.

Nun steht am kommenden Wochenende die Wahlversammlung der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD) an, der sie seit acht Jahren vorstehen. Treten Sie für eine weitere Amtszeit an?

Ja, ich trete an. Aber es ist ja nicht nur diese Wahl, die für die deutsche Minderheit in der Oppelner Region von Bedeutung ist. Seit Februar haben wir einen Wahlmarathon, denn zunächst wurden in 315 Ortsgruppen, den Deutschen Freundschaftskreisen, Vorstände gewählt. Ab März kamen dann Wahlen zu 40 Gemeindevorständen und dann noch mal zu sieben Kreisvorständen hinzu. Das ist also ein unheimlicher Kraftakt und logistisches Unterfangen, wofür ich allen ehrenamtlichen Aktivisten in den Organisationen sehr dankbar bin, weil das einzigartig aus der Sicht der Woiwodschaft oder auch polenweit ist, dass so eine komplexe Struktur innerhalb von nur drei Monaten einen derartigen Wahlmarathon durchläuft. Da bin stolz auf die Mitglieder und die Aktivisten.

Man hört aber nichts von einem Gegenkandidaten. Wie glücklich sind Sie mit so einer Situation?

Unsere Satzung stellt fest, dass sich auch noch am Wahltag selbst ein Kandidat melden kann, am 3. Juni kann also noch einiges passieren. Aber ich kann nicht einschätzen, wieso es keinen Gegenkandidaten gibt. Einerseits sehe ich das als Vertrauenspunkt für mich und den Vorstand sowie die Geschäftsstelle. Andererseits höre ich von manchen, sie würden in so einer schwierigen Zeit den Vorsitz nicht übernehmen wollen. Ich habe sowohl vor acht als auch vor vier Jahren auch nicht gedacht, dass wir auf so viele Herausforderungen stoßen würden, wie die derzeitige Diskriminierung oder tiefe Änderungen bei der Finanzierung. Und bei alledem geht es um den Erhalt und die Belebung der Aktivität der Gesellschaft.

Rafał Bartek am 19. Mai 2023 auf dem Sankt Annaberg
Foto: Lucas Netter

Es gibt auch noch die Parlamentswahlen im Jahr 2023. Die deutsche Minderheit tritt mit ihrem eigenen Komitee an. Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen?

Ja, die deutsche Minderheit im Oppelner Raum hat über Jahrzehnte die Erfahrung gemacht, dass man sich vor der politischen Verantwortung nicht drücken sollte. Es ist keine einfache Aufgabe, aber es hat sich bewährt. Als Beispiel kann dienen, dass in unserer Woiwodschaft von 54 Gemeinden 37 sich entschlossen haben, die vom Bildungsminister gestrichenen Deutschstunden aus eigenen Haushalten zu finanzieren. In der Woiwodschaft Schlesien, wo ähnlich viele Kinder den Deutschunterricht besuchen, haben es nur 7 von 59 gemacht. Da sieht man den Unterschied: Wenn man in der einen Woiwodschaft gesellschaftlich und politisch aktiv ist, dann kümmert sich auch jemand um die Belange der Minderheit, und in der anderen ist man nicht mehr so sichtbar sein.

Deshalb sind wir dabei, unser Komitee zu gründen. Es gibt Arbeitsgruppen, das Wahlprogramm entsteht, wir sprechen mit den zukünftigen Kandidaten. All das geschieht unter der Leitung unseres Abgeordneten Ryszard Galla, der auch wieder unser Spitzenkandidat sein wird. Viele fragen danach, deshalb stelle ich das hier klar: Wir haben miteinander gesprochen und geklärt, dass wir uns gegenseitig unterstützen müssen. Ich werde auch auf der Liste sein, so wie andere wichtige Vertreter der deutschen Minderheit — aber wir gehen als Team in diesen Wahlkampf.

Rafał Bartek im Gespräch mit Ryszard Galla während der letztjährigen VdG-Verbandsratssitzung auf dem Sankt Annaberg
Foto: Lucas Netter

Was ist Ihr Ziel bei der Parlamentswahl?

Wir hoffen, dass wir diesmal zwei Abgeordnetenmandate erlangen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auf unsere Themen konzentrieren, und dazu gehört nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die Situation in den Selbstverwaltungen, die viel mehr Kompetenzen bekommen sollten. Ein weiteres Thema ist der Stand der Bildung generell, denn das ist ein wichtiger Punkt für alle Bürgerinnen und Bürger. Ebenso die Wirtschaftsförderung, in der wir uns durch die „Stiftung für die Entwicklung Schlesiens“ auskennen, oder das Gesundheitswesen sind Themen, die wir ansprechen.

Alles, was wir machen, tun wir — und das will ich unterstreichen — für alle und nicht nur für die deutsche Minderheit. Denn wir leben auf keinen Inseln, sondern neben und mit unseren Nachbarn und Freunden aus der Mehrheitsgesellschaft. Es geht also um die Entwicklung unserer Gemeinschaft.

Problematisch wird es beim Thema Senat. Es soll ja einen Senatspakt aller Oppositionsparteien geben. Nehmen Sie daran teil?

Jetzt bin ich der Meinung, dass wir einfach unsere Kandidaten suchen müssen, denn wir wissen nicht, wie die Gespräche um diesen Pakt ausgehen, und gerade herrscht auf der großen politischen Bühne diesbezüglich Chaos. Ich bin der Meinung, wenn man gemeinsame Listen schmieden möchte, hätte es längst letztes Jahr geschehen sollen und nicht jetzt im Mai oder Juni.

Außerdem müssen wir heute keine endgültigen Entscheidungen treffen. Wir haben Zeit, bis die Kandidaten registriert werden müssen. Bis dahin können noch viele Gespräche geführt werden. Aber aus meiner Sicht müssen wir darauf achten, dass wir uns mit unseren Kandidaten auf jedes Szenario vorbereitet sind. Wir haben unser Programm und unsere Vorstellungen davon, was wichtig für die Region ist, und das müssen wir auch kommunizieren.

Bei allen bisherigen Diskussionen um den Senatspakt hoffe ich, dass Vernunft zugunsten der Einwohner Polens siegt, aber dabei darf man nicht vergessen, dass wir bei dieser vernünftigen Lösung auch eine Rolle spielen sollten.

Sie schließen also eigene Kandidaten zum Senat nicht aus. Und da hört man kritische Stimmen, dass eine solche Entscheidung die PiS begünstigen würde.

Nicht unbedingt. Man muss sich die Ergebnisse der letzten Senatswahl ansehen, denn gerade im südlichen Wahlkreis war es so, dass wir mit Roman Kolek einen sehr guten Kandidaten aufgestellt haben und ich weiß nicht, wie die Wahl ausgegangen wäre, hätte es ihn nicht gegeben. Es ist nicht gesagt, dass unsere Mitglieder automatisch den Kandidaten der Bürgerplattform wählen würden. Einige unserer Wähler sind mit den eher linksgerichteten Postulaten der Plattform nicht einverstanden, das muss man auch berücksichtigen. Wir haben viele konservative Wähler, und die hatten kein Problem, ihre Stimme Roman Kolek zu geben, aber ich weiß nicht, ob sie diese auch einem anderen Kandidaten der Opposition geben würden.

Ich finde es falsch, dass man nur über die Kandidaten spricht und nicht über die Programme und Impulse, die man setzen möchte. Wir sollten letzten Endes über Inhalte sprechen — denn die entscheiden darüber, was der Wähler macht.

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