Schloss Boyadel (Pałac Bojadła) bei Grünberg (Zielona Góra) präsentiert bis Ende des Monats Scherenschnitte von Erika Schirmer (98). Das Schloss befindet sich im Besitz der Stiftung Schloss Boyadel (Fundacja Pałac Bojadła) und wird sukzessiv saniert. Trotzdem sind das Schloss und die Parkanlage offen für Besucher.
Derzeit arbeitet die Stiftung Schloss Boyadel daran, das Herrenhaus samt Park zum touristischen Anziehungspunkt zu machen. Im Schloss offeriert das Restaurant „Chateau Boyadel“ polnische Küche; darüber hinaus werden kostenlose Führungen angeboten (palacbojadla.org), Konzerte, Vorträge und Ausstellungen organisiert: zuletzt eine Ausstellung mit Arbeiten von Erika Schirmer. Schirmers Scherenschnitte sind eine Leihgabe des Zentrums für deutsche Kultur und Sprache der Grünberger Universität (Centrum Kultury i Języka Niemieckiego Uniwersytetu Zielonogórskiego).
Das Lied für Frieden
Erika Schirmer ist vor allem in der ehemaligen DDR für das von ihr komponierte und getextete Lied „Kleine Friedenstaube“ bekannt. Nachdem sie aus Polnisch Nettkow (Nietków) im Landkreis Grünberg vertrieben wurde, landete sie in der Sowjetischen Zone. Auf Rügen war sie Kindergärtnerin, 1948 kam sie ins thüringische Nordhausen, wo sie Grundschullehrerin war und später Pädagogin für behinderte Kinder und Jugendliche. In Nordhausen sei sie auf das Plakat zum Pariser Weltfriedenskongress von 1949 mit der Friedenstaube „La Colombe“ von Pablo Picasso gestoßen. Ein Einzelhändler im zerstörten Nordhausen soll das Motiv auf ein notdürftig vernageltes Schaufenster geklebt haben, hieß es in einer Ausgabe des Bad Langensalzaer Heimatboten: „Ich habe das Lied dann im Kindergarten meinen Kindern vorgesungen – meine Praktikantinnen haben das Lied mitgenommen, und so ist es eigentlich verbreitet worden“, sagte sie gegenüber dem Heimatboten. Schirmer schuf Gedichte, Lieder, Kinderreime, Kurzgeschichten, Kalender- und Kunstblätter und eben auch Scherenschnitte. Mit dieser Volkskunstart beschäftigt sich Schirmer seit etwa 25 Jahren, als sie damit anfing, war sie immerhin schon über 70.
„Damals hat sie nach dem Tod ihres Mannes zunächst Blumen gesammelt, gepresst, aufgeklebt und Gedichte dazu geschrieben. Dann entdeckte sie den Scherenschnitt und schnitt die ersten Vignetten. Heute schneidet sie Bilder – aus einem Stück Papier – im Format von 50 cm x 70 cm. Im nächsten Schritt bringt sie mit verschiedenen Papieren Farbe ins Bild“, schreibt Birgit Ebbert auf ihrem Blog „PapierZen“. Die Technik habe sie sich, wie auch die Musik und die Lyrik, selbst beigebracht und mit den Jahren perfektioniert. Sie lese gerne Bücher von Joseph von Eichendorff, Eduard Mörike oder Hans Sachs und die Bilder, die sie sich dabei vorstelle, male sie auf und schneide sie dann aus, berichtet Schirmer gegenüber der Zeitschrift der Stadtwerke Sonderhausen.
Ausstellungen, Konzerte, Führungen – Schloss Boyadel wirbt trotz laufender Sanierungsarbeiten für Besucher.
Für ihre Scherenschnitte ist Erika Schirmer nun auch in Grünberg bekannt. Eine Ausstellung ihrer Arbeiten hatte sie bereits an der Universität zu Grünberg. Jetzt kennt man sie auch im 25 km entfernten Boyadel. Der dortige Grundschulverein und die Stiftung Schloss Boyadel organisierten zur Ausstellungseröffnung einen Kunstworkshop für Kinder und Jugendliche im Schloss. Die Ausstellung und der Workshop gehören zur Bildungsarbeit der Stiftung Schloss Boyadel genauso wie die kostenfreien Führungen durch das Schloss und den Schlosspark.
Unveränderter barocker Stil
Das Gut wie auch das Dorf Boyadel hätten ihr barockes Aussehen fast unverändert behalten können, so Aneta Kamińska, Vorsitzende der Stiftung Schloss Boyadel. „Das Schloss hatte jedoch das Pech, nicht durch Kriegszerstörungen, sondern durch eine 20 Jahre andauernde Vernachlässigung zur Ruine verkommen zu sein“, bedauert sie. „Noch bis in die 90er Jahre war es ein tadellos funktionierendes Objekt“, sagt sie. Im Schloss hätten Kinderfreizeiten stattgefunden, Studenten Schulungen besucht. Eine Zeitlang war dort eine Geburtsstation untergebracht, „es war ein Objekt von sozialer und didaktischer Bedeutung. Als unsere Stiftung sich dieses Objektes annahm, war es bereits verwahrlost, devastiert und ausgeplündert“, so Kamińska. Die Bevölkerung besäße damals kaum ein soziales Bewusstsein, sagt sie, „deshalb ist uns Bildungs- und Aufklärungsarbeit so wichtig. Wir öffnen das Schloss für acht Stunden an sechs Tagen die Woche; man kann sich dort frei bewegen und anhand von Audioführern in drei Sprachen der Geschichte des Schlosses lauschen“, sagt sie und verspricht, dass die Einrichtung eines Museums zur Geschichte der Region der nächste Schritt der Stiftung sei. All dies passiert, während das Schloss Schritt für Schritt saniert wird. Es sei wichtig, dass das Schloss trotzdem zugänglich ist, dass durch Ausstellungen und Konzerte Einheimische und Besucher nach Boyadel gelockt werden.
Die Geschichte des Schlosses reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Nach der Familie von Kottwitz, den Baronen von Scheffer-Boyadel, dem polnischen Staat, dem Stahlwerk Silesia, einer Fabrik und einer Handelsfirma ist das Schloss Boyadel seit 2024 wieder in privater Hand, nämlich von Arkadiusz Michoński, dem Gründer der Stiftung Schloss Boyadel.
Das Dorf Boyadel ist eines der ältesten Dörfer an der mittleren Oder und liegt unweit des Punktes, an dem einst die drei preußischen Provinzen Schlesien, Brandenburg und Posen aufeinanderstießen. Die erste Erwähnung stammt von 1234. Seit dem 17. Jahrhundert gehörte Boyadel der Familie Kottwitz, die den Schlosskomplex erbauen ließ.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde ein Schlosspark angelegt. Auf seiner Achse befindet sich eine Hauptallee mit symmetrisch angeordneten Kanälen und Teichen, was charakteristisch für das Barockzeitalter ist.
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