Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Sei mein Gast

Im Rahmen des alljährlichen Schüleraustausches war Anfang Juni eine Gruppe Schüler des Tilmann-Riemenschneider-Gymnasiums in Osterode am Harz zum Gegenbesuch in Osterode beim Jan-Bażyński-Lyzeum. Während des sehr intensiven Programms am Dienstag, den 4. Juni, setzten sie sich in der Werkstatt „Sei mein Gast. Migration von Jugendlichen“ mit der Frage der Migration und ihrer Auswirkungen auseinander. Mit von der Partie waren auch junge Ukrainer, die aus ihrer Heimat hatten fliehen müssen und jetzt in Allenstein/Olsztyn leben.

Konzentration auf die Fotos

Der Schüleraustausch zwischen Osterode und Osterode am Harz besteht so lange wie die Partnerschaft der beiden Städte. Seit 30 Jahren lernen sich junge Menschen kennen, knüpfen Kontakte – und manche kommen später als Politiker, Feuerwehrleute oder in einer anderen Funktion wieder ins jeweils andere Land. „Sie leisten einen Beitrag zu Völkerverständigung und sind Botschafter ihres eigenen Landes“, betont die Lehrerin Birgit Möller-Kühn vom Riemenschneider-Gymnasium, die dort seit 12 Jahren den Schüleraustausch leitet.

Ungewohntes und aktuelles Thema

Polnisch-ukrainische Band „riplejsi“ aus Allenstein

Schüler mit Migrationshintergrund sind aus Osterode am Harz nicht beim Austausch dabei. „Wir haben zuletzt viele Ukrainer an der Schule, aber vor allem in den jüngeren Klassen. Ein syrischer Schüler, der mitkommen wollte, ist leider gerade bei einem anderen Austausch unterwegs“, bedauert Birgit Möller-Kühn. Denn das Thema Migration junger Menschen stand im Mittelpunkt einer Werkstatt am vierten Juni. Nach einem offiziellen Termin mit Honoratioren von Stadt und Landkreis Osterode in der Aula des Lyzeums waren die Schülerinnen und Schüler bereit für eine Abwechslung.

Olga Żmijewska, die Gründerin und Leiterin der Stiftung „Kunst der Freiheit“, und Chantal Stannik, die Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart beim Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren, hatten für sie die Werkstatt „Sei mein Gast“ vorbereitet. Kern der Werkstatt war eine Ausstellung mit Photos von Olga Żmijewska aus ihrer Zeit in der Emigration in Deutschland. Nach einer Integrationsphase sollten sich die Schüler aus Polen und Deutschland damit auseinandersetzen und sich mit dem Thema Migration beschäftigen.

Verständigung kontra Migration

Die Ergebnisse der Diskussion in ihren Gruppen präsentierten sie für alle verständlich auf Englisch. Bemerkenswert war, dass sie den negativen Begleiterscheinungen einer meist unfreiwilligen Ausreise wie Verwirrung, Depression und Einsamkeit positive Begriffe wie Verständnis, Akzeptanz und neue Freunde entgegenstellten. Das Motto „Sei mein Gast“, das eine offene Aufnahme fremder Menschen signalisierte, zeigte sich deutlich in den Argumenten der jungen Menschen. Großes Interesse fanden auch die Berichte und Erlebnisse der Gäste aus der Ukraine, die von dort fliehen mussten und jetzt in Allenstein leben, wo sie von der Stiftung „Hilfe bei der Kommunikation“ unterstützt werden.

Gruppenfoto vor dem Deutschen Haus in Osterode
Fotos: Uwe Hahnkamp

In vielen Sprachen lief in Osterode die Verständigung: englisch, polnisch, ukrainisch, deutsch – und in der internationalen Sprache der Musik der polnisch-ukrainischen Schulband „riplejsi“ aus Allenstein auf der Bühne der Osteroder Aula. Den Geist der Verständigung erlebten die Teilnehmer der Werkstatt abschließend bei einem Besuch im Deutschen Haus, dem Sitz der Gesellschaft der deutschen Minderheit „Tannen“ in Osterode. Henryk Hoch, ihr Vorsitzender und gleichzeitig Vater und Symbolfigur der Städtepartnerschaft und des Schüleraustausches, erzählte von der Rolle und der Aktivität der deutschen Minderheit in Osterode und der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Und bevor dann das Programm für die polnischen und deutschen Schüler mit einer Bootsfahrt über den Drewenzsee weiterging, besiegelten die Teilnehmer den gemeinsamen Tag noch mit einem Gruppenfoto vor dem Deutschen Haus.

 

Uwe Hahnkamp

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