Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Seine Heimat war Schlesien

Im gesegneten Alter von 95 Jahren ist in seinem schwäbischen Wohnort Friedrichshafen am 2. November 2020 SKH (Seine Königliche Hoheit) Ferdinand Eugen Herzog von Württemberg gestorben.

 

Der Herzog war das älteste Kind von fünf Kindern aus der Ehe SKH Herzog Albrecht Eugen von Württemberg und IKH (Ihrer Königlichen Hoheit) Nadejda geb. Prinzessin von Bulgarien aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha-(Kohary). Er wurde am 3.April 1925 in Carlsruhe/Oberschlesien geboren und in Breslau von Kardinal Adolf Bertram, dem letzten Fürstbischof von Breslau, auf die Namen Ferdinand Eugen (und, wie beim Hochadel üblich, auf noch weitere 13 Vornamen) katholisch getauft. Sein Vater aus der katholischen Linie des Hauses Württemberg erbte nach dem Tod von König Wilhelm II. von Württemberg 1921 die große Herrschaft Carlsruhe (auch Bad Carlsruhe) in Oberschlesien, wo Ferdinand Eugen die ersten Kinderjahre verbrachte,

 

Das Schloss der Hauses Württemberg in Carlsruhe. Heute existiert es nicht mehr.
Foto: Wikipedia

Über Sachsen-Coburg-Gotha und Habsburg verwandt mit fast allen Herrscherhäusern Europas

Sein Großvater väterlicherseits war der im I. Weltkrieg bekannte Heerführer, württembergischer und preußischer Generalfeldmarschall Herzog Albrecht und der Großvater mütterlicherseits Zar (König) Ferdinand I., der Schöpfer des modernen Bulgariens. Einmal auf die verblüffende Ähnlichkeit mit SKH Otto von Habsburg-Lothringen angesprochen sagte er, dass ja seine Großmütter Prinzessin Marie Louise von Bourbon-Parma, eine Halbschwester der Kaiserin Zita, und Margarethe Sophie Erzherzogin von Österreich waren. Seine Onkels waren Zar (König) Boris III. von Bulgarien, verheiratet mit Zariza (Königin) Joanna (Giovanna), einer Tochter des italienischen Königs Viktor Emanuel III aus dem Hause Savoyen., und der 1945 von den Kommunisten erschossene Prinzregent Kyrill von Bulgarien. Boris III. weilte in den Jahren vor dem II. Weltkrieg mehrmals als Jagdgast in Carlsruhe. Der seit 1943 „herrschende“ bulgarische „Kinderkönig“ Simeon II. (bis 1946), heute besser bekannt als bulgarischer Ministerpräsident (2001-2005) Sakskoburgotski ist der Cousin von Ferdinand Eugen.

 

Trotz der Ferne, die Liebe zu Schlesien war stark

Dieser besuchte, nachdem seine Eltern das Schloss Lindach in Württemberg erworben hatten, Schulen in Sankt Gallen, München und im Kloster Ettal. 1944 zu einem Arbeitseinsatz im Forstbereich zwangsverpflichtet, konnte er erst nach dem Krieg seine Schulausbildung fortsetzen und ein Studium (Forstwirtschaft) abschließen um dann als Forstmeister und Forstdirektor beruflich tätig zu sein. Durch den sogenannten „Prinzenerlass“ Hitlers, der Angehörigen des Hochadels den Dienst in der Wehrmacht verweigerte, blieb ihm der Kriegsdienst erspart. Außerdem war das Haus Württemberg für seine Treue zur katholischen Kirche und seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus bekannt. Einer der Onkels Ferdinands war der bereits 1934 emigrierte Benediktiner Carl Alexander (Pater Odo), der in der katholischen Jugendarbeit tätig war und eine Tante war die Benediktinerin Marie Therese (Schwester Domina Marie Benedicta).

 

Erbe von Carlsruhe

Nach dem Tod seines Vaters 1954 erbte Ferdinand Eugen als ältester Sohn die Herrschaft Carlsruhe, die jedoch seit 1945 zu Polen gehörte und wie aller Besitz von Deutschen entschädigungslos polnisches Staatseigentum wurde. Trotz dieses materiellen Verlustes und obwohl er nur die ersten sechs Kinderjahre in Carlsruhe verbrachte hatte, zog es ihn bereits 1984 zu einem ersten Besuch in seinen Geburtsort. Diesem ersten Besuch folgten viele weitere bis die immer mehr auftretende Krankheit, auf Grund der bei der Zwangsarbeit erlittenen körperlichen Schäden, und seinem Alter nach seinem 90. Geburtstag Reisen in das heutige Carlsruhe (polnisch: Pokój) nicht mehr möglich machten. Vor allem war er ein gern gesehener Gast des seit 2004 stattfindenden jährlichen Carl-Maria-von Weber-Musikfestivals. 1990 wurde er Vorsitzender des Heimatkreises der vertriebenen Carlsruher und 1995 dessen Ehrenvorsitzender. 1998 war er Ehrengast bei der 250-Jahrfeier von Carlsruhe. Und am 18. November 2016 verlieh ihm der polnische Staatspräsident für seine Verdienste um die deutsch-polnische Aussöhnung das Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen. Mit seiner offenen liebenswürdigen Art und seinem schwäbisch-österreichischen Dialekt gewann er schnell die Zuneigung der Heimatvertrieben, der in der Heimat Gebliebenen (Carlsruhe hat einen deutsche Freundschaftskreis) und auch der heutigen polnischen Mehrheitsbevölkerung seines Geburtsortes. Seine christliche Gesinnung veranlasste ihn in der historischen Sophienkirche in der Herzogsloge dem evangelischen Gottesdienst und in der katholischen Pfarrkirche von der Königsloge (König Wilhelm II. von Württemberg war Patronatsherr der Kirche) aus der Heiligen Messe beizuwohnen – sichtbares Zeichen gelebter schlesischer Toleranz. Mit seinem Tod ging die seit 1945 nur noch symbolische Herrschaft des Hauses Württemberg im schlesischen Carlsruhe zu Ende. 1745 hatten die aus dem Südwesten Deutschlands stammenden Württemberger auf dem Erbweg Carlsruhe übernommen, genau 200 Jahre später verloren sie ihren schlesischen Besitz.

 

Manfred Prediger

 

 

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