Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Sprache ist ein Bekenntnis zur Gemeinschaft

 

Mit Prof. Dr. Bernd Fabritius, dem Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, sprechen wir über das vergangene Jahr im Zeichen der Corona-Pandemie sowie die politischen Pläne des Bundesbeauftragten.

 

Bernd Fabritius (li.) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
Foto: Bernd Fabritius

 

Das Jahr 2020 war für uns alle nicht leicht. Die Corona-Pandemie hat vieles erschwert, zum Teil sogar unmöglich gemacht. Für Sie als Beauftragten war es gewiss auch nicht leicht, ohne persönlichen Kontakt die Verbindung zu den deutschen Minderheiten aufrecht zu erhalten. Wie haben Sie es gehandhabt?

 

Wie Sie ja wissen, ist einer der Schwerpunkte meines Amtes als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Ansprechpartner für sämtliche Minderheitenbelange zu sein. Ein persönlicher Kontakt und Eindruck sind dabei von unschätzbarem Wert für mich: Sei es auch nur bei Diskussionsrunden in einem Begegnungszentrum oder im Umfeld hochrangiger politischer Gespräche. All das ist in diesem Jahr nur sehr eingeschränkt möglich gewesen.

Deshalb habe ich verschiedene Formate gewählt, um die Kontakte so gut es ging aufrechtzuerhalten und zu vertiefen: Neben Videobotschaften und –konferenzen habe ich Telefonsprechstunden durchgeführt. Es hat mich dabei sehr berührt, dass hochbetagte Personen angerufen haben, um sich dafür zu bedanken, dass sie nicht vergessen sind. Schließlich habe ich – vielleicht etwas altmodisch – Briefe geschrieben. Die Selbstorganisationen der Minderheiten haben über ihre Vorstände zudem jederzeit telefonischen Direktkontakt zu mir.

Auch auf Dialoge auf höchster Ebene musste nicht verzichtet werden. So wurde im Oktober des Jahres die 23. Sitzung der deutsch-rumänischen Regierungskommission in einem digitalen Format durchgeführt, auch bilaterale Gespräche in reduzierter Teilnehmerzahl – etwa mit dem Botschafter Polens – waren natürlich möglich.

 

 

Aus Ihrer Perspektive heraus, wie haben die deutschen Minderheiten in Europa die Corona-Pandemie gemanagt? Es gibt da gewiss von Land zu Land Unterschiede.

 

Die Corona-Pandemie ist eine Krise, bei der auf allen Ebenen die Instrumente zu deren Bewältigung sehr schnell entwickelt und auch immer wieder den sich zuspitzenden Rahmenbedingungen angepasst werden mussten. Viele Projekte konnten nicht in der geplanten Weise durchgeführt werden, es waren kreative Umstellungen nötig und manche Projekte mussten sogar abgesagt werden. Eine echte Herausforderung!

Diese besondere Situation haben alle deutsche Minderheiten mit großem Verantwortungsbewusstsein, hoher Flexibilität und bemerkenswerter Kreativität gemeistert. Alle Beteiligten haben die Situation angenommen sowie in engem Kontakt mit den lokalen staatlichen Verantwortungsträgern herausragende Ergebnisse erzielt. So ist es gelungen, in äußerst schwierigen Zeiten Maßnahmen von hohem kulturellen Wert durchzuführen und die Gemeinschaft der deutschen Minderheit vor Ort zu stärken. Vor allem aber – und das ist mir ein besonderes Anliegen – haben sie nie die Gesundheit und das Wohlergehen der Projektteilnehmer aus den Augen verloren, sondern sogar spezielle Hygienekonzepte entwickelt. Hierfür danke ich allen sehr herzlich!

Den digitalen Medien kommt in Zeiten von Kontaktbeschränkungen naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hier kommt auch der wichtige Gedanke der Vernetzung zum Tragen. Hervorheben möchte ich eine von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) initiierte vierteilige Online-Fortbildung für AGDM-Jugendvertreter, die zu einem echten Mehrwert für die tägliche Arbeit geführt hat. Es ging dabei um Organisationsmanagement, Projektmanagement, Leadership und Empowerment.

 

 

Nach der Mittelaufstockung im Bundeshaushalt 2020 für die deutschen Minderheiten, auch oder vor allem für die in Polen, ist es gelungen, ebenfalls für das Jahr 2021 weitere erhöhte Mittel für die Minderheiten zu sichern. Durch diese Mittelaufstockung kann man sagen, dass die deutschen Minderheiten und ihre Anliegen in der bundesdeutschen Politik nun mehr an Bedeutung gewonnen haben und auch langfristig eine große Bedeutung beibehalten werden?

 

Auf meine Anregungen hin hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Mittel für 2021 beträchtlich erhöht. In den diese Entscheidung begleitenden Gesprächen habe ich den sicheren Eindruck gewonnen, dass die Anliegen der deutschen Minderheiten im parlamentarischen Raum fest verankert sind.

Diese Wertschätzung kommt nicht von ungefähr. Die besondere Situation in diesem Jahr hat mehr denn je die Bedeutung der kulturellen, menschlichen und wirtschaftlichen Brücken vor Augen geführt. Zweifelsfrei kommt den deutschen Minderheiten zunehmend eine wesentliche Funktion bei dem Ausbau dieser Brücken zwischen den Staaten zu. Wir werden also auch weiterhin die deutschen Minderheiten nachhaltig dabei unterstützen, sich unter Bewahrung ihrer ethnokulturellen Wurzeln konstruktiv in ihre Gesellschaften einzubringen.

 

 

Große Pläne für das Jahr 2021 sollte man, wegen Corona, immer noch nicht machen. Aber was sind für Sie die wichtigsten Anliegen für das kommende Jahr?

Zuerst bin ich optimistisch, ich denke, dass 2021 bereits mehr möglich wird, als es 2020 war. Viele Menschen suchen in der heutigen globalisierten und immer unübersichtlicher erscheinenden Welt nach Orientierung, nach ihrer eigenen Identität, nach ihrer Heimat. Dieses Grundbedürfnis erscheint mir während der Corona-Pandemie noch stärker in den Vordergrund zu treten. Deshalb sind wir weiterhin auf dem richtigen Weg, wenn wir folgende Punkte ernst nehmen:
Wesentliches Ziel ist die Förderung jener kulturellen Eigenschaften, die alle deutschen Minderheiten in der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung als etwas Besonderes erscheinen lassen. Jede einzelne der unterstützten Gemeinschaften verfügt über einen reichhaltigen wie wertvollen Schatz an Traditionen und Bräuchen, die nicht nur für die Minderheitenangehörigen selbst eine große Rolle spielen, sondern eine Frage eigener kultureller Identität sind und daher eine Bereicherung der Gesamtgesellschaft darstellen.

Voraussetzung dafür ist ein entschiedener Einsatz besonders für den Erhalt der deutschen Sprache unter den Angehörigen der verschiedenen Minderheiten, gerade auch bei der Jugend. Die Sprache ist wichtiges Ausdrucksmittel zur Verständigung sowie Grundlage einer eigenen Identität und Gruppenzugehörigkeit. Zudem ermöglicht erst das Beherrschen der deutschen Sprache das Bekenntnis zur deutschen Kulturgemeinschaft.

Darüber hinaus ist es mein Ziel, den Dialog mit und zwischen den einzelnen Minderheiten weiter zu stärken. In der Praxis geschieht dies etwa durch eine enge Zusammenarbeit mit den zahlreichen Minderheitenselbstorganisationen und über Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten.

 

 

Im Herbst 2021 wird auch der neue Bundestag gewählt. Wollen Sie wieder kandidieren?

 

Mir hat die Mitwirkung im parlamentarischen Rahmen besonders viel Freude bereitet.
Sie bietet zudem die Möglichkeit, gerade auch Politikfelder, die einem wichtig sind,
voranzubringen. Auch möchte ich in vielen Themenbereichen den besonderen Blickwinkel
der Heimatvertriebenen, Aussiedler, der nationalen Minderheiten und der deutschen
Minderheiten in die politische Debatte im parlamentarischen Bereich einbringen.
Deshalb: Ja, ich möchte nach Möglichkeit wieder kandidieren.

 

 

Das Gespräch führte Rudolf Urban

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