Reichenau – die Hauptstadt der Umgebindehäuser
Nur wenige wissen es, dass Reichenau in Niederschlesien (Bogatynia) berühmt für seine große Anzahl von Umgebindehäusern ist. Dies sind einzigartige Gebäuden, die die Bautraditionen der Oberlausitz, Niederschlesiens und Nordböhmens vereinen. In der Stadt stehen rund 200 solcher Häuser, von denen 85 in das Denkmalregister eingetragen wurden.
Wie ist ein Umgebindehaus aufgebaut?

Fotos: www.bogatynia.pl
Das Umgebindehaus (poln. dom przysłupowy) ist eine besondere Bauform, die Elemente der Fachwerk-, Block- und Ständerbauweise kombiniert. Charakteristisch ist das sogenannte Umgebinde – ein hölzerner Ständer-Riegel-Rahmen, der das Erdgeschoss mit dem Wohnraum umgibt und das Gewicht der oberen Etage und des Daches auf eine separate Konstruktion überträgt. Dadurch bleibt der Blockbau im Inneren stabil und wird nicht durch das Absacken des Gebäudes belastet – was vor allem bei Lehm- oder Steinfundamenten von großer Bedeutung war. In der Regel handelt es sich um zweigeschossige Gebäude mit Satteldach, in denen sich Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem Dach befinden.
In Reichenau gibt es rund 200 Umgebindehäuser.
Wo in Polen kann man Umgebindehäuser sehen?
Diese funktionale und zugleich ästhetische Bauweise verbreitete sich vom Niederschlesien über Nordböhmen und die Oberlausitz bis in die Sächsische Schweiz. In Deutschland und Tschechien gibt es heute noch tausende solcher Häuser – auch in Polen sind zwei klare Schwerpunkte erhalten geblieben.

Fotos: www.bogatynia.pl
Neben Reichenau ist der zweite Ort mit Umgebindehäusern die Region Rzeszów im Südosten Polens. Ihre Existenz dort ist auf die deutsche und schlesische Besiedlung in der Zeit der josephinischen Kolonisation im 18. und 19. Jahrhundert zurückzuführen. Damals brachten Siedler aus Niederschlesien nicht nur ihre Lebensweise, sondern auch ihre Baukunst mit. Zwar gibt es in dieser Region deutlich weniger Umgebindehäuser, doch sind sie kulturell ebenso wertvoll.
Märchenhafte Häuser warten darauf, entdeckt zu werden

Fotos: www.bogatynia.pl
In Reichenau stehen viele Umgebindehäuser entlang gepflasterter Straßen, harmonisch eingebettet in die Landschaft. Einige wurden mit großer Sorgfalt restauriert, andere – wie das Haus in der Żytawska-Allee 30 – wurden nach schweren Schäden, wie der Flutkatastrophe von 2010 oder einem Brand, gerettet. Dank der im Jahr 2022 abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten erfreut sich dieses besondere Gebäude wieder größter Aufmerksamkeit und erinnert daran, wie wichtig der Schutz dieses kulturellen Erbes ist.
In Reichenau stehen viele Umgebindehäuser entlang gepflasterter Straßen, malerisch eingebettet in die Landschaft.
Tag der offenen Umgebindehäuser – eine Einladung
Diese architektonische Vielfalt der Region lässt sich am Sonntag, dem 25. Mai, während des Tags der offenen Umgebindehäuser hautnah erleben. An diesem Tag sind ausgewählte Gebäude in der Żytawska-Allee in Reichenau (nahe dem Preibisch-Park) von 15:00 bis 19:00 Uhr für Besucher geöffnet. Es besteht die Gelegenheit, die Innenräume zu besichtigen, mit den Besitzern ins Gespräch zu kommen und sich selbst davon zu überzeugen, wie außergewöhnlich diese „Häuschen im Fachwerkstil“ sind.
Für Interessierte wird außerdem eine kostenlose Busrundfahrt zu ausgewählten Umgebindehäusern auf der deutschen Seite angeboten – nach Hirschfelde, Obercunnersdorf und Ebersbach. Abfahrt ist um 8:00 Uhr vor dem Rathaus von Reichenau (ul. Daszyńskiego 1), Rückkehr gegen 15:00 Uhr.
Der Tag der offenen Umgebindehäuser ist Teil einer internationalen Initiative, die Polen, Tschechien und Deutschland im gemeinsamen Engagement für das unschätzbare Kulturerbe der Grenzregion vereint. Eine perfekte Gelegenheit, um diese einzigartige Bauweise kennenzulernen – von der viele Touristen mehr wissen als die Einheimischen selbst.