Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Vergessenes Erbe

Rathaus Königshütte: Funktionalistische Perle mit altem Kern

Hoch über der Königshütter Innenstadt ragt der Rathausturm, an dem täglich Zehntausende Pendler in Auto, Bus und Straßenbahn vorbeikommen. Das funktionalistische Äußere suggeriert ein Gebäude aus der Zwischenkriegszeit – dabei ist es deutlich älter und könnte viele spannende Geschichten erzählen.

Die Genese der Stadt Königshütte

Auf dem heutigen Stadtgebiet Chorzóws existierten vor der Industrialisierung mehrere Dörfer – unter anderem Chorzów, von dem sich der heutige polnische Stadtname ableitet. Eine für die spätere Stadt Königshütte zentrale Entdeckung machte 1787 der Pfarrer Ludwik Bojarski, als er Steinkohlevorkommen fand, die zur Gründung der Kohlegrube Fürstin Hedwig führten. Bereits ein Jahr später besuchte Friedrich Wilhelm Graf von Reden, als Vertreter des Breslauer Oberbergamtes, das spätere oberschlesische Industriegebiet. Er setzte sich für die Gründung eines modernen staatlichen Eisenwerks ein – 1797 wurde mit Königshütte seine Idee verwirklicht.

Das Rathaus bei Nacht
Foto: Privat

Das Stahlwerk bildete den Ausgangspunkt einer sich schnell entwickelnden Industriesiedlung. Es folgten weitere Betriebe, und mit ihnen wuchs der Ort rasant. Die ersten Kirchen entstanden 1840 (evangelische Pfarrkirche St. Elisabeth) und 1852 (katholische Pfarrkirche St. Barbara).

Von der Industriesiedlung zur Stadt

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelten viele Orte im oberschlesischen Industriebezirk einen städtischen Charakter, ohne offiziell Stadtrecht zu besitzen. Dieses war jedoch ein wichtiger Entwicklungsvorteil, da es eine eigenständige Verwaltung ermöglichte – gerade in einem Gebiet, in dem Arbeiterkolonien oft über alte Gemeindegrenzen hinweg aufgekauftem Privatgrund entstanden.

Die Versorgung mit Schulen, Polizei und Armenhilfe war schwierig zu organisieren. Am 11. Juli 1868 erhob König Wilhelm I. die Industriesiedlung Königshütte – samt benachbarter Arbeitersiedlungen – zur Stadt Königshütte.

Das erste Rathaus und seine Grenzen

Als junge Stadt benötigte Königshütte ein eigenes Rathaus. Der Grundstein wurde am 15. Juli 1874 am Ring gelegt. Nach zwei Jahren Bauzeit war das Rathaus fertiggestellt – ein Werk des oberschlesischen Baumeisters Benno Grötschel im Stil der Neorenaissance mit manieristischen Elementen.

Rathaus auf einer Postkarte
Foto: Śląska Biblioteka Cyfrowa

Doch die Stadt wuchs rasant: Von 19.536 Einwohnern im Jahr 1871 auf 72.600 im Jahr 1910. Die Büroflächen reichten bald nicht mehr aus. Schon um 1900 wurde ein Ausbau diskutiert – der aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert wurde.

Funktionalistischer Umbau in den 1920er Jahren

Nach dem Krieg wurde Königshütte unter dem Namen Królewska Huta zur polnischen Grenzstadt. Trotz veränderter politischer Verhältnisse blieb der Platzbedarf der Stadtverwaltung bestehen. Die Architekten Karol Schayer und Witold Eyssmont wurden mit einem umfassenden Umbau beauftragt.

„Das funktionalistische Äußere des Rathauses verbirgt eine bewegte Geschichte – vom preußischen Historismus über die Moderne der Zwischenkriegszeit bis zur Gegenwart.“

Der ursprüngliche historisierende Bau wurde im Geist des Funktionalismus radikal modernisiert. Er verlor seine reich verzierten Fassaden, erhielt aber einen neuen Seitenflügel und einen markanten Turm (36,6 m hoch, mit großen Uhren). Die neue Architektur betonte die Modernität des jungen polnischen Staates und setzte sich bewusst vom deutschen Kaiserreich ab.

Kunst im Rathaus – Glasmalereien im Art-Déco-Stil

Auch das Innere des Rathauses wurde funktionalistisch umgestaltet. Herausragend ist der Sitzungssaal mit seinen drei riesigen Glasmalereien von Jan Piasecki (je 6,4 m hoch, 2,15 m breit). In allegorischer Form zeigen sie die drei wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt: Hüttenwesen, Bergbau und Handel – in prächtigem Art-Déco-Stil.

Glasmalerei von Jan Piasecki
Foto: Iwona Wander, Lizenz: CC BY-SA 3.0 PL

Zweiter Weltkrieg und NS-Zeit

Mit der deutschen Besetzung am 3. September 1939 wurde die polnische Verwaltung vertrieben. Nationalsozialistische Beamte übernahmen die Kontrolle. Alle polnischen Inschriften wurden entfernt, der Platz vor dem Rathaus in Adolf-Hitler-Platz umbenannt. Von hier aus wurden Juden, Polen und NS-Gegner systematisch verfolgt.

Der Verwaltungsapparat wuchs weiter – 1941 erhielt das Rathaus ein zusätzliches Stockwerk.

Volksrepublik und Verkehrsmodernisierung

Am 27. Januar 1945 marschierte die Rote Armee kampflos ein. Das Rathaus blieb nahezu unbeschädigt. In der Volksrepublik Polen blieb das Gebäude Verwaltungssitz. Ein markanter Eingriff in die Stadtsilhouette war der Bau der Hochstraße (1976–1979) mit der Landesstraße 79. Sie zerschnitt den Ring in zwei Teile – eine verkehrstechnische Verbesserung, aber ein architektonischer Verlust.

Wendezeit und Denkmalschutz

Nach der politischen Wende 1990 wurde das Rathaus erneut Zentrum der kommunalen Entscheidungen. Zwei Renovierungen folgten – 2001 und 2019. Auch der Ring wurde grundsaniert. Seit 2010 steht das Rathaus unter Denkmalschutz – als bedeutendes Beispiel regionaler Architektur.

Heute blickt der oberschlesische Adler im Stadtwappen von Chorzów mit Stolz vom Rathausturm auf das Umland.

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