Einem interessanten, etwas versteckt liegenden historischen Gebäude widmete sich Rafał Bętkowski vom Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein in einem Vortrag am 23. April. Er beleuchtete vor mehr als 100 Gästen im früheren Trolleybus-Depot die Geschichte des „Allensteiner Gutshofs Bergenthal“, der heute das Naturkundliche Museum, eine Filiale des Museums von Ermland und Masuren, beherbergt.
Der Vortrag begann vor dem Anfang, deutlich vor dem Entstehen des eigentlichen Guts Bergenthal. Anhand alter Landkarten erläuterte Rafał Bętkowski die Lage des Gebiets, die Hügel, Täler und anderen Landschaftsformen sowie die bereits bestehenden Siedlungen. Eine damals schon bestehende Straße führte von Allenstein am Vorwerk Posorten (später Gut und heute Stadtteil Pozorty) vorbei in Richtung Jomendorf (Stadtteil Jaroty), eine zweite oben an den Hügeln entlang Richtung Groß Kleeberg (Klebark Wielki)
Stichstraße an den Rand der Hügel
Von dieser Straße aus führte später ein Zufahrtsweg zum späteren Gut Bergenthal an den Rand der Hügel, die in Richtung Posorten ins Tal abfielen. Heute führt dort die ulica Metalowa zum Naturkundlichen Museum und das Gelände unterhalb des Hügels bis zur heutigen Ausfallstraße nach Jaroty ist mit einem Schrebergartengelände bedeckt. Erstmalig erwähnt wird das noch namenlose Terrain 1832, als der reiche Ratsherr Andreas Bogatzki (auch Andrzej Bogacki) für die Rettung der Stadt vor dem Feuer dieses Anwesen südöstlich der Stadt erhielt. Auf einer amtlichen Landkarte erscheint es offiziell erstmals 1840/1841; darauf wird die Verteilung des Landes an namentlich genannte Bürger dargestellt. Die Benennung seines Guts mit dem Namen „Bergenthal“ im April 1848 nach einem neuen Gesetz erlebt Bogatzki nicht mehr; er verstarb am 16. März 1848. Der Name ist der Geographie des Ortes entlehnt, es ist schlicht und einfach ein von Hügeln umgebenes Tal. Im polnischen heißt der Stadtteil, in dem das frühere Gut liegt, entsprechend „Nagórki“.
Gutsbesitzer und reicher Fabrikant
„Bogatzki war aber nicht nur Gutsbesitzer. Er besaß eine Ziegelei, an der Allee bei der heutigen Jakobsbrücke eine Mälzerei und spätere Brauerei und war außerdem Postmeister der Alten Post an ebenfalls dieser Stelle“, führte Rafał Bętkowski aus und ergänzte „das erbten Andreas Tochter Anna Bogatzki und ihr Mann Carl Rhode.“ Damals sah das Gut Bergenthal noch nicht so aus wie heute, sicher ist aber, dass die beiden dort gelebt haben, es muss also ein repräsentatives Gebäude gegeben haben.
Nach dem Ersten Weltkrieg begann für Gut Bergenthal eine Wechselhafte Existenz.
Das Gutshaus, in dem sich heute das Naturkundliche Museum befindet, sowie die große Remise, der Wagenschuppen, stammen von Anfang des 20. Jahrhunderts. Der damalige Besitzer war ein bekannter Allensteiner. Max Lion (1861-1938) war Schlossermeister, Fabrikant, Stadtrat, Mitbegründer der Ostpreußischen Industrie- und Handelskammer sowie Freimaurer und Stadtältester. Mit der Übernahme von Gut Bergenthal ließ er die bestehende Bebauung abreißen und neue Gebäude im Jugendstil errichten, von denen nur die beiden erwähnten erhalten sind.
Landwirtschaftsschule, Pelztierzucht, Museum
Nach dem Ersten Weltkrieg begann für Gut Bergenthal eine wechselhafte Existenz. Es beherbergte die Landwirtschaftsschule eines Ausbildungsbataillons, dann bis 1945 wieder den eigentlichen Besitzer, einen Landwirt. Mit Kriegsende wurden die Hauptgebäude nicht zerstört. Nach dem Abzug der Roten Armee wurde das Gut zu einem staatlichen Landwirtschaftsbetrieb, dann eine Zucht für Pelztiere, dann zu Wohnzwecken verwendet. Das alles tat dem Zustand der Bauten nicht gut, sodass sie bei der Überschreibung an das Museum von Ermland und Masuren im Jahr 1975 recht kläglich aussahen.
Frappant sind die Unterschiede zwischen den Bildern von damals und heute. Der damalige Direktor des Museums, Władysław Ogrodziński, bemühte sich sofort um eine Eintragung des Parks und der beiden Gebäude ins Denkmalverzeichnis. Für den Park gelang das 1978, für das Palais 1979, jedoch wurden die Bewohner nicht ausquartiert, eine museale Nutzung war dadurch nicht möglich. Deswegen sind Magazin und Verwaltung bis heute in der Remise untergebracht, die 1989 einen Platz im Register erhielt, renoviert wurde, und seit 1995 genutzt werden kann. Das Gutshaus bzw. Palais konnte erst Ende der 90er Jahre revitalisiert werden, das Naturkundliche Museum nahm seinen Betrieb letztendlich nach insgesamt 25 Jahren, am 1. Januar 2000, auf.
Uwe Hahnkamp
Das Naturkundliche Museum präsentiert vor allem Flora und Fauna der Woiwodschaft Ermland und Masuren mit etwa 19.000 Exponaten, darunter übernommene deutsche Sammlungen, etwa ein Herbarium des deutschen Botanikers Hans Steffen. Neben den zoologischen, botanischen und geologischen Beständen hat es auch eine reichhaltige Sammlung von Landkarten, darunter deutsche von Anfang des 20. Jahrhunderts, die den heute polnischen Teil Ostpreußens fast ganz erfassen.