Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Vom Haus ohne Ort zur Institution

Beim Europa-Picknick der deutschen Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau/Warszawa präsentierte der Historiker Robert Parzer das Projekt „Deutsch-Polnisches Haus. Gedenken-Begegnen-Verstehen“. Uwe Hahnkamp führte mit ihm ein Interview zum aktuellen Stand der Realisierung und geplanten Veranstaltungen.

Robert Parzer
Foto: Deutsch-Polnisches Haus

Was ist Ihre Rolle im Projekt und in welchem Stadium befindet sich derzeit das Projekt?

Ich bin zusammen mit meiner Kollegin Agnieszka Wierzcholska dafür verantwortlich, einen Realisierungsvorschlag für dieses Haus zu schreiben. Der ist soeben fertig geworden und wird vom Kultusministerium federführend für die Regierung bearbeitet. Ziel ist ein Kabinettsbeschluss für eine spätere Vorlage zur Entscheidung im Bundestag.

Nach den Ideen und Vorstellungen zum Projekt soll es eine Gedenkstätte werden – aber auch mehr. Wie sieht das in Ihrem Entwurf aus?

Der Entwurf enthält die inhaltlich-programmatischen Grundlagen, sowie die dafür nötigen Eckpunkte wie Finanzierung, Personal und Ort der Realisierung. Die Idee ist entstanden als Denkmal für die Polen, die im Zweiten Weltkrieg ermordet worden sind. Unser Ziel ist es, dies zu erweitern. Es braucht viel mehr Wissen in Deutschland und das wollen wir mit einer Dauerausstellung, Wechselausstellungen und Räumen für Bildungs- und Begegnungsprojekte erreichen – im Herzen Berlins.

Mitte Berlin ist ein gesuchter Ort für verschiedene Initiativen. Es dürfte schwierig sein, einen geeigneten Ort zu finden. Was schwebt Ihnen denn im Entwurf vor?

Unser Vorschlag ist, dafür den Ort der ehemaligen Krolloper zwischen Kanzleramt und Reichstag zu nutzen. Das ist ein historisch wichtiger Ort, denn dort hat Adolf Hitler am 1. September den Überfall auf Polen und damit den Beginn des Zweiten Weltkriegs verkündet. Also ein logischer Ort, wo ein Deutsch-Polnisches Haus, dass über diese Geschichte, aber auch die längerfristige deutsch-polnische Beziehungsgeschichte aufklären will, symbolhaft und effektiv umgesetzt werden könnte. Das ist aber noch nicht gesetzt.

Wir verstehen Polen und ganz Mittel-Osteuropa erst dann, wenn wir verstehen, was die Deutschen im Zweiten Weltkrieg dort angerichtet haben.

Aufklären – informieren – Wissen vermitteln. Das klingt, als gäbe es in Deutschland und Polen kein Wissen über die gemeinsame Geschichte. Hat sich noch zu wenig geändert?

Ich denke, das Vermitteln ist weiterhin wichtig, denn die Folge des Zweiten Weltkriegs sind bis heute spürbar und zu wenig bekannt. Es gibt eine Reihe Initiativen zu diesem Thema, aber das Deutsch-Polnische Haus kann ein Fokus-Punkt für Treffen, Austausch und weitere Entwicklung sein. Gerade jetzt, wo Polen durch den russischen Angriff auf die Ukraine im gesamteuropäischen Gefüge wichtiger ist, ist das Wissen zu gering, denn wir verstehen Polen und ganz Mittel-Osteuropa erst dann, wenn wir verstehen, was die Deutschen im Zweiten Weltkrieg dort angerichtet haben.

Wo findet man das Projekt „Deutsch-Polnisches Haus“ denn? Bisher gibt es das Haus als Anlaufstelle physisch ja noch nicht…

Wir sitzen bei der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, denn diese gedenkt laut ihren Statuten aller Opfer des Nazi-Regimes, also auch der polnischen Opfer. Dort haben wir unser Büro und entwickeln mit dem Deutschen Polen-Institut in Darmstadt unsere Programme. Unser Konzept ist es, als „Haus ohne Ort“ trotzdem der Öffentlichkeit unsere Anliegen und unsere Themen näherzubringen. Deswegen gab es unter anderem am 1. September letzten Jahres eine große Gedenkveranstaltung am Ort der vormaligen Krolloper.

Was organisieren Sie für Interessierte in diesem Jahr noch?

Wir hatten gerade eine Feier zum Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto und planen auch in diesem Jahr eine Reihe von Veranstaltungen zum 1. September, sowie zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstands. Im Herbst stehen dann eine Abendveranstaltung und ein wissenschaftliches Kolloquium zum Hitler-Stalin-Pakt an. Wir bleiben also sichtbar.

 

Robert Parzer

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