Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Von der Frage des Gewissens

Im Artushof hinter dem Neptunbrunnen, mitten in der Altstadt von Danzig, gibt es den gediegensten Festsaal der Stadt. Dort gedachten am 16. Juli die Lehndorff-Gesellschaft Steinort, die Banken des Artushofes zu Danzig, das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Danzig und die Konrad-Adenauer-Stiftung des missglückten Attentats auf Adolf Hitler vor 80 Jahren am 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze.

Es ist eine verwirrende Anzahl von Eindrücken, die auf den Besucher des Saals einstürmen. Auf der einen Seite Szenen aus der Bibel, auf der anderen Szenen aus der griechischen Mythologie, ein große Statue des Heiligen Christoph und Geweihtrophäen, die manche Bilder zur dritten Dimension erweitern, ein himmelsstrebender Kachelofen, viel Holzschnitzerei an den Wänden, und über all dem schweben mehrere Kaufmannsschiffe als Zeichen des Reichtums der Stadt. Stilistisch ein Durcheinander, aber würdevoll und ein Zeichen der Weltoffenheit, der Toleranz und des Weitblicks ihrer Bewohner.

Saal des Artus-Hofs, Ansprache von Generalkonsulin Cornelia Pieper

Der Widerstand des 20. Juli 1944…

Festredner Norbert Lammert, ehemaliger Bundestagspräsident und Vorsitzender der Konrad Adenauer Stiftung

Der passende Ort, um der Menschen zu gedenken, die ein Attentat geplant hatten, um den herrschenden Zweiten Weltkrieg zu beenden. Die Operation Walküre, die am 20. Juli 1944 fehlschlug, war ein Attentat unter vielen, aber ein wichtiges, denn hier erhoben sich vor allem Mitglieder der Wehrmacht gegen ihren Oberbefehlshaber. Generalkonsulin Cornelia Pieper erinnerte als erste Rednerin an die Hintergründe, die Grausamkeiten, die viele Menschen zum Widerstand trieben – unter Einsatz ihres Lebens: „Sie opferten ihr eigenes Leben, damit in Deutschland zumindest für eine kurze Weile ein Funke der Menschlichkeit aufblitzen konnte. Sie zeigten Zivilcourage der höchsten Klasse.“

Skeptischer, nicht gegenüber dem Mut der Attentäter und Verschwörer des 20. Juli, wohl aber gegenüber ihrer Motivation, zeigte sich der ehemalige Botschafter der Republik Polen in Deutschland, Janusz Reiter. Ihm fehlt die Verbindung zu einer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung: „In meinen Augen waren diese Menschen, das lässt sich nicht leugnen, zum Teil anti-liberal und nationalistisch.“ Eine Ansicht, die er gern und häufig mit seinen deutschen Freunden, wie etwa Richard von Weizsäcker diskutiert, hat.

…und seine Konsequenzen

Hauptredner der Gedenkveranstaltung war Norbert Lammert. Der ehemalige Präsident des deutschen Bundestags ist heute Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine Festrede werde er nicht halten, denn es gab damals nichts zu feiern, so Norbert Lammert, denn „weder hat das gescheiterte Attentat das nationalsozialistische Terrorregime gestürzt, noch hat es den Zweiten Weltkrieg beendet.“ Auch er griff die Frage der Ansichten der Attentäter auf: „Trotzdem oder gerade deshalb war es ein Zeichen, ein Fanal […], das erst später verstanden wurde.“ Denn der 20. Juli und der politische Widerstand hatten langfristige Wirkungen: „Sie waren Grundlage für die Wiederherstellung des Ansehens Deutschlands in der Welt […] und fanden ihren Niederschlag im deutschen Grundgesetz, dessen 75. Jahrestag wir vor Kurzem gefeiert haben.“ Dabei spielte Norbert Lammert auf das dort verankerte Widerstandsrecht an.

Die Gedenkstunde in Danzig eröffnete gleichzeitig das 8. Festival STN:ORT 2024, das in Steinort stattfindet.

Wie die Männer und Frauen des 20. Juli und anderer politischer Widerstandsgruppen auch immer dachten, wie sie sich einen späteren Staat vorstellten, sie hörten auf ihr Gewissen, das den Krieg und die damals herrschende Situation nicht mehr mitmachen wollte. Das war immer wieder zwischen der Zeilen der Redner zu spüren.

Renaissance-Musik mit historischen Instrumenten der Gruppe Anima Shirvani und Stimmen des Chors aus Reinbek
Fotos: Uwe Hahnkamp

Passend einerseits zum Ambiente und andererseits musikalisch zum Besänftigen der aufgewühlten Gemüter umrahmten die international besetzte Gruppe Anima Shirvani mit historischen Instrumenten wie Theorbe, Krummhorn oder Naturtrompete sowie der Singkreis Reinbek die Feierstunde mit den Werken deutscher Renaissance-Komponisten.

Die Gedenkstunde in Danzig eröffnete gleichzeitig das 8. Festival STN:ORT 2024, das vor allem in Steinort / Sztynort am Mauersee / Jezioro Mamry bei Schloss Steinort, dem ehemaligen Sitz der Familie von Lehndorff, stattfindet. Der letzte Graf, Heinrich von Lehndorff, war Mitverschwörer beim Attentat des 20. Juli 1944 und wurde wie viele andere deswegen gehängt.

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