Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Vorweihnachtszeit im alten Breslau

Mit Dr. Grzegorz Sobel, Autor einer neuen Monografie mit dem Titel „JarmarkBożonarodzeniowy w dawnymWrocławiu” (Der Weihnachtsmarkt im alten Breslau), sprach Rudolf Urban u.a. über die Ursprünge des „Kindelmarktes“ und die Ähnlichkeiten mit dem heutigen Weihnachtsmarkt auf dem Ring.

Was hat Sie dazu veranlasst, die Geschichte des Breslauer Weihnachtsmarktes niederzuschreiben?
Dieses Buch hat mehrere Quellen der Inspiration. Die erste ist zweifellos die Wiederbelebung des Weihnachtsmarktes in Breslau,wobei es übrigens dieses Jahr die 15. Auflage ist. Als ich also 2008 als Historiker, der sich mit der Geschichte der Stadt beschäftigt, zwischen den vor dem Rathaus aufgebauten Buden stand, erinnerte ich mich an den Berliner Weihnachtsmarkt, den ich 2005 mit meiner Frau besucht hatte und dessen lange und wechselvolle Geschichte ich bereits kennengelernt hatte. Fasziniert von der Tatsache, dass es in den meisten preußischen Städten vor Weihnachten Marktstände gab, begann ich nach einiger Zeit, nach historischen Spuren des Breslauer Jahrmarktes zu suchen. Schon bald konnte ich das Datum seiner Premiere ermitteln – 1566 – und vermutlich damals kam mir die Idee, seine Geschichte niederzuschreiben. Wie so oft musste die Idee einige Zeit reifen, bevor ich mich an die Recherche der Quellen machte. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass das Thema des Breslauer Weihnachtsmarktes ebenso faszinierend war, wie es in den Quellen fast unendlich aufgezeichnet war. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich sie zusammengetragen habe.

Der Breslauer Weihnachtsmarkt in der Vergangenheit
Foto: facebook.com/Grzegorz Sobel

Viele deutsche Weihnachtsmärktehaben einen besonderen Namen. Derjenige in Breslauwurde „Kindelmarkt“ genannt. Warum?
In den ersten Jahrzehnten des Breslauer Weihnachtsmarktes gab es vor allem Stände, die Devotionalien anboten, welche mit den über die Kirchenmauern hinausreichen den Weihnachtsritualen zu tun hatten. Doch bereits an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert handelten die Händler verstärkt mit Lebkuchen und anderen Süßwaren. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, mit der Entwicklung von Sitten und Gebräuchen rund um den häuslichen Weihnachtstisch, insbesondere der Bescherung von Kindern – und mit der Zeit auch von allen anderen Haushaltsmitgliedern – begann das Angebot der Stände schnell auf die wachsenden Bedürfnisse der Breslauer Bevölkerung zu reagieren. So wurden Artikel wie Hüte, Schals, Gürtel, Handschuhe, Geldbörsen, verschiedene Wohndekorationen, aber auch Haushaltsgeräte in ihr Angebot aufgenommen. Allen voran mehr und mehr Spielzeug. Als Preußen 1741 Schlesien von den Habsburgern übernahm, war Kinderspielzeug der häufigste Artikel auf dem bis dahin als Christmarkt bekannten Weihnachtsmarkt. Der Breslauer Magistrat begann daraufhin, den Weihnachtsmarkt als Kindelmarkt zu bezeichnen, um seinem Wesen gerecht zu werden. Und dieser Name blieb bis zur letzten Auflage im Jahr 1943.

Grzegorz Sobel, Autor der neuesten Veröffentlichung über den Breslauer Weihnachtsmarkt
Foto: privat

Schon der erste Kindelmarkt war insofern einzigartig, als er gewissermaßen den lokalen Händlern und Handwerkern vorbehalten war. Haben die städtischen Behörden diese Regel lange aufrechterhalten?

Im Prinzip wurde sie nie abgeschafft. In dem Buch erwähne ich mehrere Beispiele aus dem 18. Jahrhundert, als die Stadtverwaltung Kaufleute von außerhalb Breslaus daran hinderte, auf dem Weihnachtsmarkt zu handeln. Ein Beispiel ist ein Schwertmacher aus Glogau, der 1776 erfolglos einen Antrag auf Verkauf von Puppen beim Magistrat einreichte. Gleiches widerfuhr 1790 einem Lebkuchenbäcker aus Wartha in Niederschlesien, obwohl sich die würzigen Backwaren aus Wartha schon damals in der schlesischen Hauptstadt großer Beliebtheit erfreuten und, vor Weihnachten regelmäßig in die Stadt „geschmuggelt“, stets eine große Gruppe von Genießern fanden. Im 19. Jahrhundert wurde immer wieder an dieses Gesetz erinnert, doch bekanntlich hielten sich die Menschen immer weniger daran. Denn einerseits gab es zunehmend viele Händler von außerhalb Breslaus und andererseits fanden sich immer mehr Artikel aus anderen Städten, auch von außerhalb Schlesiens, im Angebot.

Das Buch wurde vom Verlag KsiężyMłyn veröffentlicht
Foto: Księży Młyn

Was war sonst noch das Besondere am Breslauer Weihnachtsmarkt?

Hm… Es ist schwierig, das mit einem Wort zu sagen. Um Ihnen einen Eindruck von der Atmosphäre des Breslauer Weihnachtsmarktes zu einem ausgewählten, aber nicht zufälligen Zeitpunkt seiner Geschichte zu vermitteln, lassen Sie mich ein Gedicht aus dem Jahr 1856 mit dem Titel „Weihnachtsmarktfreude“ zitieren:

Alles, Alles, Alles ist
Hier für Geld zu haben!
Warum sollt’ ein Journalist
Nicht das Seine haben?
Ist manch’ ganzer Journalist
Doch für Geld zu haben.

Alle Taschen spickt’ ich voll,
Alles krieg’ ich gratis,
Und wenn ich auch keuchen soll,
Habe niemals satis;
Denn mein Hunger ist nicht klein
Und mein Durst nicht minder,
Reich beschenkt auch wollen sein
Meine Frau und Kinder.

Was Ihr gebt, dasnehm’ ich an,
Jegliche Bereitung,
Meine Quittung les’t Ihr dann
In der nächsten Zeitung.
Gebt nur nicht mir so verschämt,
Fass’ es frei und offen,
Wenn Ihr nicht zu wenig nehmt,
Ist viel Lob zu hoffen.

Doch die Ware, welche schlecht,
Müßt Ihr mir nicht geben,
Find’ ich Alles gut und echt,
Schreib’ ich Wahrheit eben!
Gebt alsdann für Geld Ihr Schund,
Wenn das A n d r e sagen,
Dann schau lächelnd, spricht mein Mund:
„Drob kann ich nicht klagen!“

Groß und kleines Kinderspiel,
Paletot und Hosen,
Wein, Essenz für’s Gefühl,
Hundert kleine Chosen.
Wurst und Schinken, Marzipan,
Auch zum Schnupfen, Rauchen,
Alles, Alles nehm’ ich an,
Alles kann ich brauchen!

Pfefferkuchen, Chokolad,
Feine Spezereien,
Eingemachtes, Citronat,
Puppen, welche schreien,
Bilderbogen und Papier,
Essig und Liköre,
Gänsebürste, bairisch Bier,
Tücher, Shawls und Flöre

Auch Romane nehm’ ich gern,
Wenn von diesem Jahre;
Diese kaufen all die Herrn
Bibliothekare
Aufschneid’ ich die Bücher nicht,
Weil ich sie gern schone,
Aber schreib’ ich den Bericht,
Schneid’ ich auf nicht ohne!

Es kann auch der Handwerksmann
Sich insinuiren,
Will er, was er mir gethan,
Unbezahlt quittiren:
Was ich allerwärts gepumpt,
Was die Meinen pumpen –
Wer sich gegen mich nicht lumpt,
Kennt mich nicht als Lumpen.

Nicht vergesse der Acteur,
Noch auch die Actrice:
Spitz ist meine Feder sehr,
Ich bin voll Malice.
Drum den Weihnachts-, Neujahrs-Tag
Mögt Ihr nicht verpassen!
Wer ist, der sich da nicht mag
Milder – stimmen lassen!

Schade, daß die Weihnachtszeit
Nicht ist täglich, stündlich,
Denn sie lehrt die Seligkeit:
N e h m e n i s t n i c h t s ü n d l i c h!
Läßt sich doch der beste Christ
In der Zeit beschenken,
Warum sollt’ – ein Journalist
Lange sich bedenken?!

Der heutige Weihnachtsmarkt auf dem Breslauer Ring ist sicherlich nicht derselbe wie der Kindelmarkt der Vorkriegszeit. Oder sind da noch Ähnlichkeiten zu erkennen?

Daran hatte ich noch nicht gedacht, aber versuchen wir es mal. Sicherlich ist der heutige Weihnachtsmarkt in topografischer Hinsicht viel größer. In der Vergangenheit nahm er nur drei Seiten des Marktplatzes ein, ausgenommen die südliche am Schweidnitzer Keller. Jetzt ist er sogar auf den Salzplatz übergegangen, was früher nicht der Fall war, auch wenn dort manchmal einzelne Buden standen. Heute sind zudem in der ul. Świdnicka sowie im ersten Abschnitt der ul. Oławska Weihnachtsmarkthändler am Werk. Mit den Menschenmassen und den fast 300 Ständen herrscht hier sicherlich die gleiche Atmosphäre wie in alten Tagen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass der Weihnachtsmarkt heute nicht mehr so sehr ersehnt wird wie früher. Und er ist wohl auch nicht mehr so sehr Teil der Identität von uns Breslauern… Auch sind immer häufiger kritische Stimmen gegenüber dem Weihnachtsmarkt zu hören, die ich aber nicht kommentieren möchte. Die Zahl der Lebkuchenstände nimmt von Jahr zu Jahr zu, was sicherlich ein gemeinsamer Nenner zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist. Auch die Stände, an denen selbstgemachte Dekorationen, Schmuck und Oberbekleidung wie Mützen, Schals, Handschuhe und ähnliche Artikel sowie persönliche Gegenstände wie Geldbörsen, Handtaschen usw. verkauft werden, bringen auf dem Weihnachtsmarkt Vergangenheit und Gegenwart einander näher. Früher gab es kein so großes Angebot an Lebensmitteln, Spirituosen und vor allem keine so umfangreiche Gastronomie auf dem Markt, was einen wesentlichen Unterschied zwischen dem früheren Kindelmarkt und dem heutigen Weihnachtsmarkt darstellt. Auch Kinderattraktionen wie Karussells, Achterbahnen oder das Spielhaus, das sich in diesem Jahr auf dem PlacSolny befand, waren lange Zeit nicht mehr auf dem Weihnachtsmarkt vertreten. Diese Art von Unterhaltung gab es auf dem Weihnachtsmarkt erst ab den 1930er-Jahren, als er auf denNeumarkt kam und in seinen letzten Jahren auf demSchlossplatz hinter dem Opernhaus.

 

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