Mit MdB Paul Ziemiak, dem Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe, sprach Andrea Polanski (bereits im September 2024) über den politischen Wandel in Polen, den deutsch-polnischen Aktionsplan und die Bedeutung deutsch-polnischer Zusammenarbeit.
Hat die deutsche Regierung den Regierungswechsel von der PiS zu Donald Tusk und seiner Partei genutzt? Welche Chancen oder Herausforderungen sind durch diesen politischen Wandel entstanden?
Generell ist positiv festzustellen, dass der Ton in den deutsch-polnischen Beziehungen sich seit letztem Oktober grundlegend verändert hat. Deutschland sollte mehr akzeptieren, dass Polen als selbstbewusster Partner auf Augenhöhe behandelt werden möchte. Dass die Bundesregierung die Einführung temporärer Grenzkontrollen offenbar nicht mit unseren polnischen Freunden abgesprochen hat, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Polen in den Überlegungen der Bundesregierung noch nicht die wichtige Rolle spielt, wie es der Fall sein müsste. Deutschland ist aus den Augen Polens aktuell keine europäische Führungsmacht mehr. Der polnische Premierminister selbst hat jüngst gesagt, dass Polen keine Preise aus Deutschland für die Rettung der Demokratie bräuchte, sondern ein verlässliches Deutschland, das im Rahmen der EU konstruktiv mitarbeitet.
Was hätten die Unionsparteien anders gemacht? Aus welcher Perspektive wären Sie den deutsch-polnischen Dialog oder die Zusammenarbeit anders angegangen? Wo hätten Sie möglicherweise andere Schwerpunkte gesetzt?
Unter der Ampel hat die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der Verteidigungspolitik in den letzten Jahren keine neue Stärkung erlebt. Deutschland wird in Polen derzeit nur bedingt als zuverlässiger Bündnispartner wahrgenommen, weshalb Polen verstärkt auf Rüstungskooperationen mit den Vereinigten Staaten und Südkorea gesetzt hat. Dies sollte uns zu denken geben und wäre unter einer unionsgeführten Bundesregierung so sicherlich nicht eingetreten. Ein weiteres Thema, das die Union anders behandelt hätte, wäre die Frage der Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen. Die Ampel hat die Diskriminierung der deutschen Minderheit nicht stark genug bzw. öffentlich fast kaum kritisiert. Die Union hat hier eine deutlich klarere Haltung gezeigt.
Der deutsch-polnische Aktionsplan wurde im Sommer angekündigt. Wie bewerten Sie diesen? Befindet er sich noch in einer frühen Phase, oder gibt es bereits konkrete Maßnahmen, die umgesetzt werden?
Der deutsch-polnische Aktionsplan ist ein wichtiger Ausdruck der neuen Dynamik in den deutsch-polnischen Beziehungen. Ob alle Projekte sich umsetzen lassen, wird abzuwarten sein. Oberste Priorität sollte es haben, die letzten Überlebenden des NS-Terrors in Polen finanziell zu unterstützen und zu entschädigen.
Im Zusammenhang mit der Deutschen Minderheit in Polen: Es wurde die Wiederaufnahme des deutsch-polnischen Runden Tisches sowie die Sicherstellung des muttersprachlichen Unterrichts für die DMi und die Polen in Deutschland angestrebt. Halten Sie diese Maßnahmen für ausreichend, oder sehen Sie Potenzial für konkretere Ziele?
Es war richtig, dass der Bund Ende 2022 insg. 5 Mio. Euro für Polnischunterricht bis 2025 zur Verfügung gestellt hat. Es muss jedoch noch mehr getan werden, um die Länder bei der Ermöglichung von herkunftssprachlichem Polnischunterricht zu unterstützen. Es ist wichtig, dass der Runde Tisch wiederbelebt werden soll, da Partner wie Deutschland und Polen auch in herausfordernden Themen niemals die Fähigkeit verlieren sollten, konstruktiv miteinander zu sprechen. Hierfür ist der Runde Tisch ein wichtiges Gremium.
Eine Schwäche der Polonia in Deutschland ist ihre strukturell schwache Organisation.
Es gibt viele deutsche Institutionen in Polen, aber in Deutschland gibt es weniger polnische Einrichtungen. Halten Sie es für notwendig, dass es ähnliche Projekte wie das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (HDPZ) auch in Deutschland gibt, um den Dialog zwischen Polen und Deutschen zu unterstützen? Welche Rolle spielen Institutionen für die Polonia?
Eine Schwäche der Polonia in Deutschland ist ihre strukturell schwache Organisation. Nur ein ganz geringer Teil der Zugehörigen der Polonia ist überhaupt in Verbänden organisiert. Eine wichtige Institution ist dabei das Polonia-Büro in Berlin (geschaffen 2011). Institutionen sind daher wichtig, um eine starke Stimme der Polonia in der deutschen Politik sicherzustellen. Zudem erfolgt die Auszahlung der 5. Mio. Euro über das KoKoPol. Das unterstreicht noch einmal die Relevanz von Institutionen für die Polonia.
Eine neue Europäische Kommission wird derzeit gebildet. In welchen Bereichen sehen Sie Potenzial für eine verstärkte deutsch-polnische Zusammenarbeit auf europäischer Ebene? (Beispielsweise in Themen wie den Bauernprotesten oder den Herausforderungen der Energiewende, die beide Länder betreffen.)
Besonders wichtig muss es sein, die deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen sowie den Bereich der Rüstungs- und Verteidigungsindustrie zu stärken. Ebenso muss es im gemeinsamen Interesse Deutschlands und Polens liegen, die illegale Migration einzudämmen. Hierfür ist es ein wichtiges Zeichen, dass Deutschland Polen künftig beim Schutz der EU-Außengrenze unterstützen will. Diese beiden Themen erachte ich in der aktuellen Lage für prioritär, um unsere bilateralen Beziehungen zu festigen und Irritationen der Vergangenheit auszuräumen. Daneben ist ein Projekt, dass mir als Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe sehr am Herzen liegt, die Schaffung einer Deutsch-Polnischen Parlamentarischen Versammlung nach dem Vorbild der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung. Hierfür setze ich mich bereits seit mehreren Jahren ein.
Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Was ist Ihr polnisches Lieblingsgericht?
Piroggen!