Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Was Musik vermag, wenn es in Europa gärt

Die Idee der Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises von einem geeinten, friedlichen Europa, führt eine Konzertreihe bereits das fünfte Jahr in Folge weiter. Noch bis 1. September 2019 wird „Krzyżowa-Music“ wieder zahlreiche Besucher anziehen. Marie Baumgarten sprach mit der künstlerischen Leiterin, Prof. Viviane Hagner, und Dr. Matthias von Hülsen, dem Gesamtleiter der Veranstaltung.

 

“Krzyżowa-Music” 2018: Die Konzertreihe war ein großer Erfolg.
Foto: Geert Maciejewski

 

Herr von Hülsen, Sie sagen, in Kreisau (Krzyżowa) könne man den europäischen Gedanken dort erleben, wo er entstanden ist. Was genau kommt Ihnen dabei in den Sinn?
Die Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises hatten bereits Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Vision eines befriedeten Deutschlands, das in einen europäischen Staatenbund eingebettet ist. Im Prinzip hatten sie die spätere EU schon vorgedacht. Sie gingen auch davon aus, dass die Kraft Europas in der Stärke seiner Kulturen liegt. Die Möglichkeit eines vereinten und friedlichen Europas war ihnen Ansporn in den dunkelsten Jahren unseres Kontinents. Uns ist es heute erlaubt, in diesem friedlichen Europa zu leben, für das sich die Frauen und Männer des Widerstands überall in Europa geopfert hatten. Das verpflichtet uns, an dem Zusammenhalt in Europa weiter zu arbeiten und unsere Kulturen miteinander zu pflegen.

 

Wie kann Musik ein friedliches Europas stärken?
Die Musik überwindet Sprachbarrieren. Sie führt Menschen aller Nationen zusammen, ganz besonders auf Festivals von überregionaler Bedeutung. Da begegnen sich Musiker und Besucher aus verschiedenen Ländern und lernen sich dabei kennen. Falsche und stereotype Vorstellungen voneinander können dadurch leichter abgebaut werden. Das gilt übrigens für den Rock-Pop-Bereich genauso wie für die klassische Musik. Man muss aber auch sehen, dass sich auf der anderen Seite im Rock-Pop-Bereich leider wieder verstärkt ein Liedgut entwickelt, das aggressiv zur politischen Agitation eingesetzt wird. Da muss man aufpassen. Doch „Alle Menschen werden Brüder“ heißt es schließlich in der von Ludwig van Beethoven stammenden Europahymne, um ein besonders schönes Ziel zu nennen, das man musikalisch zum Ausdruck bringen kann. Musik kann sicher keinen Krieg verhindern und sich auch nicht gegen falsche politische Entwicklungen stemmen, aber sie erleichtert es, sich anderen Kulturen zu öffnen, statt sich vor ihnen zu fürchten. Denn wie schon der Kreisauer Kreis konstatierte, liegt doch die Kraft Europas in der Stärke seiner sehr unterschiedlichen Kulturen. Aber mit Freunden lässt es sich bekanntlich sehr gut musizieren, und je mehr Menschen Grenzen überschreiten, um miteinander Musik zu machen oder sie gemeinsam zu genießen, umso besser kann sich auch das Zusammenleben unterschiedlicher Volksgruppen gestalten.

 

Frau Hagner, vor fünf Jahren wurde die Konzertreihe ins Leben gerufen. Soll der Name „Krzyżowa-Music“ auf den internationalen Charakter verweisen?
Unser Name verweist auf jeden Fall schon einmal auf unser Referenzfestival „Marlboro-Music“ in den USA. In Marlboro (Vermont) haben vor den Nazis geflohene europäische Exilmusiker vor über 70 Jahren dieses berühmte und traditionsreiche Kammermusikfestival gegründet. Auch dort gibt es schon über Jahre hinweg ein Zusammentreffen und Verschmelzen unterschiedlicher Kulturen. Ich habe dort als Teilnehmerin viele Jahre den internationalen und kulturelle Grenzen überwindenden Geist in mich aufnehmen können und habe erfahren, wie dadurch die europäische Musiküberlieferung das amerikanische Musikleben beeinflusst hat. Ich sehe jetzt eine große Chance dadurch, dass wir in Krzyżowa/Kreisau Musiker mit amerikanischem und europäischem Hintergrund zusammenbringen, vieles von dem, was sich inzwischen in Amerika entwickelt hat, in Europa wiedergeben zu können.

 

Frau Hagner, wie viele Teilnehmer aus wie vielen Ländern sind in diesem Jahr dabei?
In diesem Jahr sind wir 52 Musikerinnen und Musiker aus 22 Nationen und sogar alle 5 Erdteile sind dabei vertreten. Seit dem 18. August werden in Kreisau ca. 40 unterschiedliche Werke in 6-8 Kammermusikgruppen intensiv über mehrere Tage geprobt. Wir laden alle Gäste herzlich ein, sich diese Proben anzuhören, um mitzuerleben, wie sich eine Interpretation von der ersten Probe an bis zur Konzertreife entwickelt. Die Proben finden täglich alle in Kreisau statt: 9:00-10:30; 11:00-12:30; 14:00-15:30 und 16:00-17:30 Uhr.

 

Welche Rolle spielt der generationsübergreifende Gedanke?
Das ist tatsächlich ein entscheidender Grundgedanke. Bei uns treffen im weltumspannenden Musikbetrieb erfahrene Musiker, die wir „Seniors“ nennen, auf eine Auswahl äußerst begabter junger Musiker, die wir „Juniors“ nennen. Wir sind keine Akademie und betreiben auch keine Meisterkurse, sondern bei uns findet eine Begegnung der Generationen auf Augenhöhe statt. Wir leben, musizieren, denken und diskutieren zusammen. Über alle Altersgrenzen hinaus profitieren wir dabei von den Erfahrungen und den Gedankenspielen der jeweils anderen. Und können so die unterschiedlichsten Blickwinkel und Impulse in unsere Interpretationen einbringen.

 

Auf welche Musik dürfen sich die Besucher von „Krzyżowa-Music“ freuen?
Auf die großen Werke der Kammermusik ebenso wie auf Zeitgenössisches, auf Christian Jost als Composer in Residence mit seiner neuen Sicht auf Schumann und Schubert, auf Gesang und sogar auf die „Unvollendete“ von Franz Schubert. Über 40 Werke stehen auf unseren Probenplänen.

 

Herr von Hülsen, weitere Spielstätten sind neben Kreisau: Breslau, Bad Salzbrunn, Gräditz und Schweidnitz. Es geht Ihnen auch darum, die Schönheit Niederschlesiens zu zeigen. Was ist besonders sehens- und erlebenswert?
Wenn wir schon Musiker aus der ganzen Welt und Besucher von weit her nach Niederschlesien locken, dann sollen sie doch auch bemerken, dass sie sich in einer der schönsten Kulturlandschaften im Zentrum Europas befinden. Ob sie sich im pulsierenden Zentrum Breslaus oder in dem bezaubernden Kurpark und Theater von Bad Salzbrunn aufhalten, auf dem Campus von Kreisau den Probetönen lauschen und sich mit der Geschichte dieses besonderen Ortes auseinandersetzen oder sich vor dem Konzert staunend im Weltkulturerbe der Schweidnitzer Friedenskirche umsehen: unsere Besucher nehmen auf jeden Fall unvergessliche Eindrücke von dem Land rund um den Zobten mit nach Hause.

 

Wie beurteilen Sie die aktuellen deutsch-polnischen Beziehungen und ist es auch Ihre Intention, mit der Konzertreihe auf diese positiv einzuwirken?
Überall in Europa gärt es zurzeit und unser Zusammenhalt wird gerade von außen wie von innen deutlich auf die Probe gestellt. Davon sind auch die deutsch-polnischen Beziehungen nicht ausgenommen. Wenn wir einen Beitrag dazu leisten können, aufkommenden Dissonanzen mit Harmonie zu begegnen, dann ist das beabsichtigt.

 

Im Anschluss an die Workshopphase und die Sommerkonzertphase in Niederschlesien wird eine Auswahl von Seniors und Juniors zu Gastkonzerten nach Polen und Deutschland aufbrechen.

 

Die Termine:
3. Sept. 2019, Konzerthaus Berlin – Gastkonzert, Konzerthaus Berlin am Gendarmenmarkt
3. Sept. 2019, Tournéekonzert in Warschau, Dreifaltigkeitskirche Warschau
5. Sept. 2019 Festspiele Mecklenburg-Vorpommern – Gastkonzert, Seemannskirche Prerow
7. Sept. 2019 Beethovenfest Bonn – Gastkonzert „Verklärte Nächte“, Beethoven-Haus Bonn

 

Mehr Infos unter www.krzyzowa-music.eu

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