Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Was wollen wir mehr?“

Foto: Rudolf Urban
Foto: Rudolf Urban

Zum 25. Jubiläum der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages luden am vergangenen Mittwoch das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, die Konrad Adenauer Stiftung und die Oppelner SKGD zu einer Podiumsdiskussion ein. Hauptgast war Prof. Horst Teltschik, die von seiten der damaligen Bundesregierung die beiden deutsch-polnischen Verträge von 1990 und 1991 ausgehandelt hatte.

 

Neben Horst Teltschik nahmen an der Diskussion auch Dr. Marek Prawda, langjähriger polnischer Botschafter in Deutschland, sowie die Oppelner Politikwissenschaftlerin Prof. Aleksandra Trzcielińska-Polus teil.

 

Für viele waren es die Kulissen der deutschen Politik der Umbruchjahre auf deren Erläuterung sie gewartet haben, Horst Teltschik setzte allerdings weiter in der Vergangenheit an. „Westdeutschland hat sich schon mit dem Warschauer Vertrag von 1970 für eine stetige Entspannungspolitik gegenüber Polen eingesetzt. Und es war Helmut Kohl, der seine damalige politische Karriere auf die Waagschale legte und schließlich zur Ratifizierung des Vertrages durch den Bundestag und Bundesrat gebracht hatte. Ohne ihn gäbe es diesen ersten Schritt gar nicht“, sagte Teltschik.

 

Kohl der Polenfreund

 

Generell unterstrich Teltschik, dass sowohl Kohl als auch jeder anderen Regierung vor und nach ihm gute Verhältnisse zu Polen immer ein großes Anliegen gewesen seien. „Helmut Kohl hat von Anfang an gesagt, dass die deutsch-polnische Grenze an Oder und Neiße endgültig geregelt werde, wobei dies aber erst passieren kann, wenn Deutschland wieder vereint ist. Und das wusste auch der damalige polnische Premierminister Tadeusz Mazowiecki, wobei wir aber behutsam an die Sache herangehen mussten. In der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag waren ja die vertreter der Vertriebenenverbände vertreten und Kohl musste diese Abgeordneten erst einmal von seiner Idee überzeugen, damit es bei der Abstimmung nicht zu einer Überraschung gekommen wäre“, meint Teltschik und erinnert sich an ein kurzes Gespräch über die Grenze mit Tadeusz Mazowiecki, dem er gesagt haben soll: „Was muss man von deutscher Seite denn noch tun? Sie haben mit dem Bundeskanzler wegen der Grenze gesprochen, danach nahmen sie gemeinsam an einer Messe teil, empfingen die Heilige Kommunion und  tauschten den Friedensgruß aus. Reicht das nicht, um uns zu glauben?“

 

Warum nicht ein Vertrag?

 

Die Diskussion um die Verhandlungen zur deutsch-polnischen Grenzfrage war auch Anlass um zu fragen, ob alle Themen nicht in einem Vertrag niedergeschrieben werden konnten. Prof. Aleksandra Trzcielińska-Polus erläuterte, Polen habe zunächst wirtschaftliche Hilfen gebraucht, danach tauchte die Frage nach der Grenze auf. „Und weil der Grenzverlauf für Polen in dieser Zeit zu einem wichtigen politischen Thema wurde, musste erst dies mit der deutschen Seite geklärt werden, bevor man sich an die Grundlagen der Zusammenarbeit und Freundschaft gewagt hatte.

 

Zum Hintergrund der damaligen Verhandlungen sagte Prof. Horst Teltschik, dass bereits mit der letzten kommunistischen Regierung ausgemacht wurde, Verhandlungen nicht über die Außenministerien, sondern von den persönlichen Beratern der Regierungschefs zu beginnen. „Von polnischer Seite wurde als Unterhändler Ernest Kucza eingesetzt, bei dem ich die Hoffnung hatte, wir würden uns verstehen, denn er stammte aus Ratibor, ich wurde dagegen ca. 50 km weiter südlich auf der nun tschechischen Seite geboren. Doch die Gespräche gestalteten sich schwierig. Erst nach dem Regierungswechsel ging es richtig voran, als Mieczysław Pszon mein direkter Gesprächspartner wurde“, erinnert sich Teltschik.

 

Ungeklärte Fragen

 

Zur Diskussion in Oppeln gehörte auch die Frage, ob alle Anliegen beider Seiten im Vertrag richtig vorgebracht wurden und man nicht hätte etwas besser machen können. Die Reaktion Teltschiks darauf war: „Das ganze wurde doch hervorragend gelöst, friedlich und ohne Blutvergießen. Was wollen wir denn mehr?“ Ähnlich äußerte sich auch Dr. Marek Prawda, der meinte, dieser Vertrag von 1991 habe ein Fenster für neue Möglichkeiten und Lösungen geöffnet und es klar gewesen ist, dass nicht alles gelöst werden konnte. „Heute darf man nicht ständig nur sagen, im Jahr 1991 hätte alles anders gemacht werden sollen. Wir sind jetzt klüger, aber damals erschienen die getroffenen Lösungen als die besten“, sagte Prawda.

 

Polen in Deutschland

 

Zu den immer noch ungeklärten Problemen zählte aber Trzcielińska-Polus die Lage der Polen in Deutschland, deren Status hätte besser formuliert sein können. „Den Polen in Deutschland und der deutschen Minderheit in Polen wurden im Vertrag ähnliche Rechte zugebilligt, die Realisierung derer für die Polen fällt allerdings viel schlechter als die der Deutschen aus“, sagte die Oppelner Politikwissenschaftlerin und gab als Beispiel den Polnischunterricht in Deutschland an, der dem Deutschunterricht in Polen nicht gleichkäme.

 

Dabei zeigt allerdings der Beschluss der letzten Jahresversammlung der Oppelner SKGD über den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag ebenfalls Mängel bei der Realisierung der Bildungsrechte der in Polen lebenden Deutschen. Darüber hinaus wurde in diesem Zusammenhang auch nicht erwähnt, dass die meisten Forderungen der Polonia in Deutschland, die bei den sog. Rundtischgesprächen im Jahr 2011 formuliert, von deutscher Seite bereits realisiert wurden. Dazu gehört u.a. das Büro der Polonia in Berlin, eine professionelle Internetplattform oder das in Bochum entstandene Dokumentationszentrum der Geschichte der Polen in Deutschland. Ähnliche Einrichtungen für die Deutschen in Polen wurden aber bis heute nicht ins Leben gerufen.

 

Herausforderungen

 

Zu der Lage der Polen in Deutschland sagt Horst Teltschik: „Diese Menschen sind doch freiwillig nach Deutschland gekommen, haben sich hier integriert und ich nehme sie als Mitbürger wahr. Sollten sie allerdings Wünsche und Forderungen haben, so müssen sie selbstbewusst diese formulieren können und an die richtigen Stellen weitergeben. Wir haben doch heute in Europa viel größere Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, sodass die Lage der Polen in Deutschland nicht zu einem breit getretenen Thema werden sollte.“

 

So sprachen die Podiumsteilnehmer und Zuhörer dann über die Flüchtlingskrise und die Russlandpolitik der Europäischen Union. Dazu sagte Teltschik, die heutige Politik sei wieder sehr weit zurückgegangen, als es Anfang der 90er-Jahre gewesen ist. Eine Zusammenarbeit mit Russland, wie man sie noch vor einigen Jahren hätte aufbauen können, scheine heute nicht mehr möglich und auch die Zusammenarbeit innerhalb der EU sei heute gefährdet. „Doch gibt es eine Alternative?“, fragte Teltschik.

 

Rudolf Urban

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