Für die deutsche Minderheit im Schönhengstgau und anderen Regionen Tschechiens war das Weihnachtsfest der Höhepunkt des Jahres – ein Fest voller traditioneller Bräuche, die bis heute lebendig sind. In einer Zeit, die für viele Menschen hart war, gaben diese Traditionen den Familien Trost und Zusammenhalt.
Der Winter war für die Kinder der armen Leute und für die armen Leute selbst eine harte Zeit. Das Weihnachtsfest war das schönste Familienfest des ganzen Jahres. Gewöhnlich war geschlachtet worden und das besonders dann, wenn nicht genug Gänse und Enten für den Festbraten vorhanden waren. Es wurden Kuchen und Christ- bzw. Weihnachtsstriezel gebacken. Beim Einbruch der Dunkelheit räucherte die Bäuerin mit Wermut und Kümmel die Ställe aus und besprengte die Tiere mit Weihwasser. Den Tieren im Stall wurde an diesem Tage auch ein besseres Futter und dazu das „Leck“, bestehend aus Hafer, Kleie und Salz, unter welche Gaben von Äpfeln und Nüssen geschnitten wurden, gegeben. Die Pferde bekamen am Abend nach dem Füttern noch eine volle Hafergarbe in die Krippe gelegt. Selbst die Bäume fütterten die Bauern.
Dabei sagten sie im Egerland:„Bam, Bam, weanstmaneat so viel Birn gist, wos i Har am Kopf hob, so drossel´i di o!“
Im Bezirk Dauba lud der Hausvater am Heiligen Abend die Bäume mit den Worten „Bäumlein, kommt olle rein, aßt olle mit! Aßt, doß r strutt/ strotzt/, trogt, doßr euch biegt!“ zum Christmahle ein.
Im Adlergebirge und im Kuhländchen versuchten die Bauern, in der Heiligen Nacht die Obstbäume zu erwärmen, indem sie die Stämme mit Strohseilen umwanden und dadurch auf einen reicheren Ertrag hofften.
Im Schönhengstgau wurden an Weihnachten Traditionen und Fürsorge für Tiere vereint.
Auch an das Wasser und an den Wind dachten die Leute in der Heiligen Nacht. Das geschah auch im Schönhengstgau beim Gang in die Christmetten. Wenn die Leute zum Kirchgang vor das Haus traten, warfen sie eine Handvoll Brotkrümel in die Luft und sagten: „Herr Wind, Herr Wind, ich gab dr Brut, doßta mr uf´s Johr nix Arges tust.“ Am Heiligen Abend war nur die einmalige Sättigung erlaubt. Diese geschah durch das Nachtmahl, das überall in der Auswahl der Speisen seine Besonderheit zeigte. Eigentlich sollte das Christmahl aus neunerlei, im Adlergebirge aus sieben- oder zwölferlei Speisen bestehen. Fleisch aber durfte nicht gereicht werden, da der Heilige Abend nach dem Gebot der Kirche ein strenger Fasttag war.
Irene Kunc
Irene Kunc ist die Leiterin des Deutsch-Tschechischen Begegnungszentrums in Mährisch-Trübau (MoravskáTřebová).
Ein Blick über den Plätzchentellerrand
Weihnachtstraditionen weltweit:Was bedeutet die Weihnachtszeit für die deutschen Minderheiten? Die ifa-Redakteurinnen und Redakteure haben nachgefragt und aus verschiedenen Länderninspirierende Einblicke erhalten.