Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Weitreichende Folgen

Ab dem kommenden Schuljahr soll der Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache an polnischen Schulen von drei auf eine Stunde pro Woche reduziert werden. Was bedeutet dies in der Praxis? Und reicht eine Stunde in der Woche zum Unterrichten der Muttersprache überhaupt aus? Die Germanistin, Lehrerin und Methodikerin für den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache, Sabina Reguła von der Neidenburger Gesellschaft der deutschen Minderheit, erklärt hier ihre Sicht der Dinge.

Die deutsche Sprache ist für Kinder aus deutschstämmigen oder gemischten Familien in einem gewissen Sinn eine Fremdsprache. Gewöhnlich wird in gemischten Familien nämlich überwiegend Polnisch gesprochen. Und in jenen Familien, in denen tatsächlich Deutsch gesprochen wird, kommuniziert man meist nicht in der Hochsprache. Für die Kinder aus diesen Familien ist der Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache also letztlich die einzige Möglichkeit, diese Sprache in angemessener Form zu lernen.

Ich kenne keinen Zeitraum in der jüngsten Geschichte des polnischen Bildungswesens, in dem irgendeine Sprache im Umfang von lediglich einer Stunde pro Woche unterrichtet worden wäre. Eine Stunde Sprachunterricht ist entschieden zu wenig.
Während des Sprachunterrichts erwerben die Schüler verschiedene Fähigkeiten: Sie lernen einen neuen Wortschatz kennen und üben die richtige Aussprache der Vokabeln; sie lernen die Bedeutung von Begriffen; sie lernen Schreiben und Lesen, Lieder, Gedichte, Grammatik, und Satzbau; sie lernen die Kultur, Traditionen, Bräuche und die Geografie kennen. Jede Unterrichtsstunde enthält sowohl die Wiederholung des Lernstoffs als auch neue Elemente. Bei einem Umfang von lediglich einer Stunde pro Woche lassen sich alle diese Fähigkeiten nicht in einer so kurzen Zeit üben. So ein Unterricht wird nur wenig effektiv sein, denn nach einer Woche werden die Kinder – besonders die jüngeren – vermutlich nicht viel in Erinnerung behalten. Sprachunterricht in einem Umfang von einer Stunde pro Woche bringt also keinerlei Effekte mit sich – oder höchstens einen verschwindend geringen.

Sabina Regula
Foto: Privat

Die optimale wöchentliche Zahl an Unterrichtsstunden, die eine effektive Bildung sicherstellt, beträgt fünf Stunden. Es wäre also ein täglicher Kontakt mit der jeweils gelernten Sprache notwendig.

Rahmenlehrplan

Im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bildungsministers, die Unterrichtsstunden in Deutsch als Minderheitensprache zu verringern, stellt sich auch die Frage nach dem Rahmenlehrplan. Der Lehrplan ist die wichtigste Anforderung, die Pflicht, die jeder Lehrer jedes Fachs innerhalb des Schuljahres realisieren muss. Der Lehrplan, der für drei Stunden pro Woche vorbereitet wurde, lässt sich nicht realisieren, wenn der Lehrkraft nur eine Stunde pro Woche zur Verfügung steht. Und es muss auch berücksichtigt werden, dass auf einen Tag, an dem der Deutschunterricht normalerweise stattfindet, ein unterrichtsfreier Tag – zum Beispiel ein Feiertag – fallen kann. Unter solchen Umständen kann ein Lehrer die Kinder nicht angemessen beurteilen. Er kann aus dem Lehrplan nicht auswählen, was er realisiert und was nicht.

Angesichts einer solchen Situation sollte der Minister unverzüglich den Lehrplan für Deutsch als Minderheitensprache ändern. Den Lehrplan eines jeden Fachs legt eine Gruppe von Experten fest – und das dauert gewöhnlich sehr lange. Ich weiß nicht, welche Experten einverstanden sind, die Verantwortung für eine Diskriminierung auf sich zu nehmen. Die Lehrer müssen auch Zeit haben, neue Bildungsprogramme zu schreiben. Es ist also nicht viel Zeit geblieben. Hoffentlich müssen sie keine Programme während ihres Erholungsurlaubs, also in den Ferien, erarbeiten.

Folgen für die Lehrer

Bleibt noch die Frage der Lehrer. Zurzeit können in einer achtklassigen Schule maximal die Klassen 1 bis 6 Deutsch als Minderheitensprache belegen, die Klassen 7 und 8 hingegen Deutsch als Fremdsprache. Eine solche Stundenzahl sichert einem Lehrer eine Stelle plus einige Überstunden (wenn er keine verbundenen Klassen hat). Wenn Deutsch auf eine Stunde pro Woche reduziert wird, reichen seine Stunden gerade einmal für eine halbe Stelle. Lehrer werden also zusätzliche Stunden suchen müssen, entweder in ihrer Schule (sofern sie eine Berechtigung zum Unterrichten anderer Fächer haben – aber das geht auf Kosten anderer Lehrer) oder in der Umgebung. Sie wären also zu teuren und zeitraubenden Fahrten gezwungen, oder sogar zur Aufgabe ihres Berufs, wenn sie in der Umgebung keine Anstellung finden.

Meiner Einschätzung nach ist die Verringerung der Zahl der Unterrichtsstunden für Deutsch als Minderheitensprache sehr schädlich für die Kinder, nachteilig für Lehrer und Schulen und über alles gesellschaftlich hoch schädlich, da diskriminierend. Ich erinnere daran, dass dies Bürger der Republik Polen betrifft, deren Kinder Deutsch als Minderheitensprache lernen und durch ihre Identität diskriminiert werden und so zu Bürgern der zweiten Kategorie werden, obwohl sie genauso wie andere polnische Bürger Steuern zahlen.

Notiert von Lech Kryszałowicz

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