Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Weltenbummler aus Bald Ziegenhals

„Genussvolle abwechslungsreiche Seereisen ab Hamburg nach dem Mittelmeer und Orient” versprach eine Werbung aus der Zeitschrift „Die Woche“, die 1904 erschien. Die spannenden Seereisen in exotische Länder veranstaltete „Carl Stangens Reise-Bureau“, das erste internationale Reisebüro in Deutschland. Gegründet wurde es von Carl Stangen, der 1833 in Bad Ziegenhals geboren wurde.


In seiner Jugend deutete wenig darauf hin, dass Carl Stangens Name einmal in ganz Europa ein Begriff sein würde. Er wurde als Sohn des Offiziers Erbst Friedrich Stangen geboren. Eine Karriere im Militär war ihm allerdings verwehrt: aus medizinischen Gründen wurde er als untauglich eingestuft und kehrte nach einem Aufenthalt in einer Militärerziehungsanstalt in Sachsen-Anhalt wieder nach Oberschlesien zurück. Hier begann er seine berufliche Laufbahn im Postwesen. Er verwaltete ein Postamt in Tannhausen (heute Jedlinka) in der Nähe von Bad Charlottenbrunn. In seiner Freizeit verfasste er Novellen und kurze Gedichte für Zeitschriften.

Carl Stangen wurde 1833 in Bad Ziegenhals geboren.
Quelle: Wikipedia

Im „Arabischen Haus“
Doch wie kam es dazu, dass Stangen auf die Idee kam, ausländische Reisen für Touristen zu organisieren? Eigentlich war es ein glücklicher Zufall. Sein Bruder Louis hatte in Breslau Sonder- und Gesellschaftsreisen veranstaltet und bat seinen Bruder um Hilfe bei der Leitung des Unternehmens. Gemeinsam gaben sie Reiseführer und Zeitungen heraus. 1868 eröffnete Carl auf Wunsch seines Bruders ein Reisebüro in Berlin. Noch im selben Jahr machte er sich allerdings selbstständig und gründete das „Carl Stangens Reise-Bureau“. Sein Sitz befand sich in der Mohrenstraße 10. Später ließ Stangen ein Gebäude im orientalischen Stil bauen, das als „Arabisches Haus“ bezeichnet wurde.

 

Carl Stangens Reiseprospekt für das Jahr 1895.
Quelle: Wikipedia

Bis 1899 hatte Stangens Reisebüro 686 Reisen organisiert, darunter eine nach Ägypten und eine Weltreise. Vor allem seine Orientreisen waren bei der Kundschaft sehr beliebt. Stangen war ziemlich geschäftstüchtig. Schnell entdeckte er, dass sich nicht nur Orientreisen gut verkaufen, sondern alles, was mit dem Fernen Osten zu tun hat. Stangens Sohn Ernst betrieb ein „Orient-Waren-Lager“ für den Import und Verkauf von „Kunst- und Industriegegenständen aus dem Auslande“, das sich großer Beliebtheit bei der Kundschaft erfreute. Stangens Augenmerk waren allerdings weiterhin exotische Reisen. In die Geschichte ging die sog. „Stangens Party“ ein: Eine Gruppe Weltreisender, die quer durch Nordamerika gereist war. Ihre Fahrt zur Weltausstellung nach Chicago 1893 wurde auf Fotos festgehalten. Sie zeigen die Reise von der Abfahrt in Bremerhaven mit dem Schnelldampfer „Saale“ über den Besuch der aufstrebenden Weltstädte New York, Washington und Chicago bis hin zu den Naturwundern im Westen der Staaten. Es war die erste deutsche Pauschalreise in die Neue Welt. Eine große Auswahl von Fotos dieser Reise kann man in der Datenbank des Leibnitz-Instituts für Länderkunde finden.

Die Stangen-Party im Yosemite Valley in Kalifornien, 22. Juli 1893.
Quelle: Leibnitz-Institut für Länderkunde

Der Weltreisende
Stangen war auch Herausgeber der Zeitschriften „Der Tourist“ und „Stangens illustrierte Reise- und Verkehrszeitung“. Zudem verfasste er mehrere Reiseführer, unter anderem über Palästina und Syrien sowie über Ägypten. Auch lokale Reiseführer hatte Stangen herausgegeben. In den 1880er und 1890er-Jahren erschien zum Beispiel in mehreren Auflagen „Stangen’s Illustrierter Führer durch Berlin, Potsdam und Umgebungen“. Für die von ihm veranstalteten Fahrten zur Pariser Weltausstellung von 1900 gab er einen „Führer durch Paris und Umgebung“ heraus. Auch seine geplanten Reisen präsentierte Stangen immer in umfänglichen, illustrierten Prospekten, die alle Reisetermine und den ganzen Reiseablauf sowie detaillierte Kosten enthielten. Stangen, der in seiner Jugend mit Zeitungen und Zeitschriften zusammengearbeitet hatte, hatte eine schriftstellerische Ader.

Er berichtete gerne von den Reisen, die er organisiert und an denen er auch selbst teilgenommen hatte. 1897 erschien sein Buch „Aus der Mappe eines Weltbummlers. Ethnographische Genrebilder im Auftrag von Albert Halske gezeichnet von A. Wanjura“, in dem er über die in den Jahren 1878 bis 1879 veranstaltete achtmonatige Weltreise schreibt. Für die Teilnehmer der Sonderfahrt zur Eröffnung der Jerusalemer Erlöserkirche 1898 bereitete Carl Stangen wiederum Erinnerungsblätter unter dem Titel „Eine Fahrt in den Orient“ vor.

Anzeige aus dem Jahr 1904, schon mit der Geschäftsadresse: Friedrichstraße 72.
Quelle: Wikipedia

Nachlass
Carl Stangen starb am 21. November 1911 in Berlin-Lichterfelde. Dort lebte er bereits seit 10 Jahren in der für ihn von seinem Sohn gebauten Villa Stangen. Er wurde auf dem dortigen Parkfriedhof beigesetzt. Sein Grabstein hat sich nicht erhalten.
Stangen war der erste, der Gruppenreisen in einer derart breiten Skala anbot. Schon zu seinen Lebzeiten nannte man ihn einen „deutschen Thomas Cook“. Cook hatte einige Jahre zuvor das erste Reisebüro weltweit in Großbritannien gegründet. „Stangens Reisebüro“ führten seine beiden Söhne Ernst und Louis weiter. Das Unternehmen existiert noch heute unter dem wohlbekannten Namen „Hapag-Lloyd Reisebüro“.

 

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