Heute nimmt Polen Abschied vom verstorbenen Danziger Stadtpräsidenten Paweł Adamowicz (1965 – 20019), der am vergangenen Sonntag beim Finale des Großes Orchesters der Weihnachtshilfe – eine polenweit bekannten Spendenaktion für kranke Kinder – in der Küstenmetropole einer Messerattacke zum Opfer gefallen war. Wir haben zwei Danziger – Dr. Magdalena Lemańczyk vom Kaschubischen Institut in Danzig und Koordinatorin des VdG für die Woiwodschaften Pommern, Kujawien-Pommern und Westpommern sowie Krzysztof Jachimowicz vom Danziger Museum – gebeten, uns über den seligen Paweł Adamowicz und sein Engagement für die deutsch-polnischen Beziehungen, seine Unterstützung der Minderheiten und sein kulturelles Wirken zu erzählen.
Alles für Danzig
Der bestialisch ermordete Präsident der Stadt Danzig Paweł Adamowicz war sich schon immer der großen Rolle der Kultur im Leben einer jeden Gemeinschaft bewusst. Er nannte sie einmal „das Bindegewebe der Stadt” und betrachtete sie stets als gleichwertig gegenüber anderen Aspekten der Existenz der Ostsee-Metropole. Das Bernsteinmuseum (eine Abteilung des Danziger Museums), das Europäische Solidaritätszentrum, das Shakespeare-Theater: Das sind nicht nur seine Werke, die er für die künftigen Generationen hinterlassen hat, sondern auch unabdingbare Punkte auf der städtischen Tourismuskarte. Danzig ist nicht nur, wie man im vergangenen System dachte, eine Stadt der Schwerindustrie und der Produktion, sondern zunehmend eine touristisch geprägte Stadt, die erfolgreich mit Größen wie Paris und London konkurriert. Heute ist Danzig die Welthauptstadt der Bernsteinerzeugung und ein dynamischer Kulturstandort von Weltformat. Ein Schöpfer oder zumindest Mitgestalter dieses geradezu einmaligen Erfolgs der letzten 20 Jahre war Paweł Adamowicz, daran zweifelt heute wohl niemand mehr. Er war auch ein weltoffener und pragmatischer Politiker von europäischem Format. Stets hob er die Multikulturalität und den Facettenreichtum der Stadt hervor. Als er 2014 in Lübeck die Bruderschaften des Danziger Artushofes zu Botschaftern Danzigs erklärte, stellte er nicht nur einen wichtigen, bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Bestandteil der Tradition seiner Stadt wieder her, sondern schuf auch eine starke Lobby für Danzig im Westen. Dem verlieh er letztes Jahr beim mittlerweile fünften Welttreffen der Danziger klaren Ausdruck, indem er sagte, es gebe keine Teilung in polnische, deutsche, jüdische oder kaschubische Danziger, vielmehr gebe es eine Generationenkette aus Menschen, die hier lebten, leben und künftig noch leben werden, und jeder von ihnen sollte seiner Stadt nur das Beste geben im Bewusstsein dessen, dass man nur ein Teil einer großen tau sendjährigen Geschichte dieses Hauses aller Danziger – der gewesenen, der jetzigen und der noch zu kommenden – sei. Er war es, der dieser Stadt einen Teil ihrer Identität wiedergebeben hat, indem er ein Klima des Dialogs und der Versöhnung schuf und dabei aus den besten Vorbildern seiner Vorgänger wie Gralath, Ferber oder v. Winter schöpfte und durch sein Werk zu einem der verdientesten Bürgermeister und Stadtpräsidenten Danzigs in dessen gesamten Geschichte geworden ist. Die von ihm geschaffenen werden nun fortdauern als lebende Denkmäler und die weltoffene und freundliche Atmosphäre dieser Stadt, die noch zu Beginn der 1990er Jahre nahezu eine Provinz war, wird solange mit uns bleiben, wie wir dem treu bleiben, was Paweł Adamowicz uns gelehrt hat und was in den drei einfachen Worten „alles für Danzig“ enthalten ist.
Krzysztof Jachimowicz
Offen für Minderheiten
Präsident Paweł Adamowicz war bekannt für seine Offenheit gegenüber den in Danzig lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten sowie Kaschuben. Seit er 1998 das Präsidentenamt übernahm, interessierte er sich stets lebhaft für die Belange der Minderheiten und unterstützte diese. Er führte eine minderheitenfreundliche Politik und sorgte in Danzig für ein ebensolches Klima für die sozial-kulturellen Aktivitäten der Minderheiten. So sei erwähnt, dass es Präsident Paweł Adamowicz war, der angesichts finanzieller Nöte der nationalen Minderheiten entscheidend dazu beitrug, dass die Stadt die Finanzierung und Mitorganisation des seit 1993 stattfindenden Festivals „Danziger Biografien – Tage der nationalen Minderheiten” übernahm. Die deutsche Minderheit in Danzig hat sich von Anfang an aktiv für die Organisation dieses Festivals eingesetzt. Seinerseits nahm der Präsident regelmäßig an Adventstreffen beim Verband der Deutschen Minderheit in Danzig teil und hat stets betont, dass die deutschen Danziger, die deutsche Kultur und Sprache ein wichtiger Bestandteil von Danzigs kulturellem Erbe sind. Dem verlieh er auch Ausdruck durch zahlreiche Maßnahmen zur Erinnerung an das deutsche Kulturerbe der Stadt.
So wurde beispielsweise am 21. August 2000 auf Anregung des Danziger Verbandes der deutschen Minderheit und in Kooperation mit der Stadt Danzig auf dem Danziger Garnisonsfriedhof ein Quartier für deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs eröffnet. Gleichzeitig wurde ein von den Danziger Deutschen finanzierter Gedenkstein enthüllt zur Ehrung der deutschen Danziger, die auf 27 nicht mehr existierenden Danziger Friedhöfen ruhen, welche zwischen 1960 und 1970 zerstört bzw. mehrheitlich in Parks umgewandelt wurden. Des Weiteren stiftete der Danziger VdM zum Gedenken an tausende namenlose Opfer einer Typhusepidemie in Danzig zusammen mit der Stadt Danzig ein Typhusopfer-Denkmal, das am 31. Oktober 2003 feierlich enthüllt und eingeweiht wurde. Ebenfalls auf Initiative des VdM Danzig ließ die Stadtverwaltung eine Gedenktafel in polnischer und in deutscher Sprache zur Erinnerung an den verdienstvollen Danziger Bürgermeister Daniel Gralath erstellen, die am 24. Mai 2004 enthüllt wurde. Mitglieder der deutschen Minderheit Danzigs trafen sich alljährlich am 1. November mit Präsident Adamowicz zu einem interkonfessionellen Gebet auf dem Friedhof der nichtexistenten Friedhöfe in Danzig, der am ersten Tag des 1. Welttreffens der Danziger am 24. Mai 2002 eröffnet wurde. Dieser Friedhof erinnert an die 27 Danziger Nekropolen, die nach 1945 aufgelöst wurden.
Es sei betont, dass die Idee des Welttreffens der Danziger von Präsident Adamowicz selbst in die Wege geleitet wurde. Sein Traum war nämlich eine möglichst umfassende Integration ehemaliger und heutiger Bewohner Danzigs, vieler Nationalitäten, Sprachen und Konfessionen, darunter auch der deutschen Danziger. Vertreter des Bund der Danziger e.V. aus Deutschland beteiligten sich bei jedem der Welttreffen der Danziger aktiv an der Organisation und nahmen auch jeweils zahlreich daran teil. Mit aufrichtiger Ergriffenheit erinnern sich die Mitglieder und der Vorstand des Bundes der Danziger an die Besuche von Präsident Adamowicz in Lübeck beim Tag der Danziger und insbesondere an den erstmals in Danzig organisierten am 5. September 2015 und den Gegenbesuch von Präsident Adamowicz in Lübeck am 3. September 2016.
Unter den Feierlichkeiten und Veranstaltungen in Zusammenhang mit den deutsch(Danziger)-polnischen Beziehungen – in Danzig gibt es davon viele – seien hier exemplarisch die 2016 im großen Stil von der Stadt Danzig gefeierten Jubiläen des 40-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Danzig und Bremen (unterzeichnet am 12. April 1976) und des 25-jährigen Bestehens des deutsch-polnischen Vertrages über gute Nachbarschaft vermerkt. Anlässlich des Jubiläums der Partnerschaft fanden im gesamten Jahresverlauf eine Reihe von Veranstaltungen sowohl in Bremen, als auch in Danzig statt. Ziel war es, den Menschen in beiden Städten die Wichtigkeit dieser Partnerschaft näherzubringen, so z.B. bei den Tagen Danzigs in Bremen vom 4. bis 7. August 2016 und den Tagen Bremens in Danzigs vom 11. bis 15. August 2016.
Ende September, Anfang Oktober fand zudem eine Tagung der deutsch-polnischen und polnisch-deutschen Gesellschaften statt, verbunden mit den Jubiläumsfeierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der Gesellschaft Polen – Deutschland in Danzig. Und im Oktober 2016 folgte auf Anregung der deutschen Generalkonsulin in Danzig Cornelia Pieper eine Deutsche Woche. Die größten Highlights gab es hierbei im Danziger Shakespeare-Theater – einem weiteren sichtbaren Zeichen der Sorge von Präsident Adamowicz und die Förderung der Kultur in der Stadt. Darüber hinaus kamen im Mai 2017 als Nachlese der Gespräche während der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit beider Städte Firmenvertreter aus Bremen mit dem Vorsitzenden des Bremer Parlaments Christian Weber nach Danzig zu Besuch.
Magdalena Lemańczyk