Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wertschätzung für Minderheiten – Warum ein Abgeordneter der Minderheit im Sejm sitzt

In den letzten Wochen wurde die Frage nach den Rechten der deutschen Minderheit in Polen aufgrund der Medienaktivitäten des Abgeordneten des Solidarischen Polen, Janusz Kowalski, erneut breit diskutiert. Oft wird dabei das Wort „Symmetrie“ erwähnt, die nach Ansicht von Politikern und rechten Parteien bei der Behandlung von Polen in Deutschland fehlt. Auch die Tatsache, dass ein Angehöriger der deutschen Minderheit im polnischen Parlament sitzt, wird als Beispiel für eine angebliche Asymmetrie angeführt.

 

Die deutsche Minderheit nimmt seit 1991 an den Parlamentswahlen teil, nachdem erstmals formell ein Wahlausschuss eingerichtet wurde. Es sei jedoch daran erinnert, dass der erste Versuch, einen Vertreter der Minderheiten in das polnische Parlament zu bringen, bereits Anfang 1990 stattfand, als nach dem Tod von Senator Edmund Osmańczyk Nachwahlen angesetzt wurden. Neben der Professorin Dorota Simonides war Henryk Kroll, ein Angehöriger der deutschen Minderheit, der zweite Favorit auf einen Senatorensitz. Er wurde jedoch, trotz der Unterstützung von fast 125.000 Stimmen im zweiten Wahlgang, letztendlich nicht gewählt.

 

Alles erlaubt

Bei den bereits erwähnten Parlamentswahlen von 1991 versuchte die Minderheit erneut ihr Glück: Damals gab es keine Wahlhürde, sodass Kandidaten von 29 Gruppierungen in den Sejm einzogen. Elf von ihnen waren mit nur einem Abgeordneten vertreten, was jedoch nicht für die deutsche Minderheit der Fall war, die sieben Abgeordnete und einen Senator ins Parlament brachte.

Doch nicht nur das Fehlen einer Wahlhürde machte die deutsche Minderheit so erfolgreich. Auch die Tatsache, dass über 130.000 Stimmen für ihre Parlamentsliste und 82.031 für die Senatsliste abgegeben wurden, trug zu diesem Ergebnis bei, das die Minderheit nie mehr wiederholen konnte.

 

In der ersten Wahlperiode des Sejm (1991-1993) war die deutsche Minderheit noch mit sieben Abgeordneten vertreten.
Foto: Archiv

 

Freistellung

Um eine solche politische Zersplitterung des Parlaments in Zukunft zu verhindern, verabschiedete der Sejm 1993 eine Wahlordnung, mit der die bis heute bekannte 5%-Wahlhürde eingeführt wurde. Dies bedeutet, dass nur die Parteien und Wahlausschüsse, die landesweit mindestens fünf Prozent aller Stimmen erhalten, bei der Vergabe der Parlamentssitze in einem bestimmten Wahlkreis berücksichtigt werden.

 

 

Dies gilt jedoch nicht für nationale und ethnische Minderheiten. Seit der Einführung der Wahlhürde im Wahlgesetz und im derzeit geltenden Wahlgesetzbuch gibt es eine Bestimmung, die die Wahlausschüsse der nationalen und ethnischen Minderheiten von der Einhaltung dieser Hürde befreit. „Zu dieser Zeit war Polen bereits auf einem pro-europäischen Kurs, was bedeutete, dass das Gesetz an westliche Standards angepasst werden musste. Die Bestimmung über die Freistellung nationaler und ethnischer Minderheiten vom Erreichen der Wahlhürde ist exakt ein solches Element, das den Geist der Demokratie als Herrschaft der Mehrheit unter Wahrung der Rechte von Minderheiten widerspiegelt“, sagt Dr. Marek Mazurkiewicz, Politikwissenschaftler an der Universität Oppeln.

Die deutsche Minderheit ist dabei bei weitem nicht die einzige, die von diesem Privileg Gebrauch gemacht hat. „Die belarussische Minderheit versuchte sich ebenfalls an Sejm-Wahlen, gab aber schließlich auf, weil sie in ihrem eigenen Wahlkreis nicht genügend Stimmen erhielt. Daher kandidierten in den einzelnen Legislaturperioden des Sejms die Vertreter dieser Minderheit, aber auch der ukrainischen und armenischen Minderheit, auf den Listen der politischen Parteien und waren formal nicht als Abgeordnete einer Minderheit sichtbar. Die deutsche Gemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie jedes Mal ein eigenes Wahlkomitee bildet, und bisher ist es ihr gelungen, einen Abgeordneten in den Sejm zu bringen“, erklärt Dr. Mazurkiewicz.

 

Ryszard Galla und Henryk Kroll haben zwei Jahre lang gemeinsam die MInderheit im Sejm vertreten. Heute ist nur noch Galla Sejmabgeordneter.
Foto: R.Urban

 

Stimmen zählen trotzdem

Das Schlüsselwort ist hier genau die Einführung eines Abgeordneten nach der Abstimmung, denn die Befreiung von der 5%-Hürde bedeutet nicht, dass Minderheiten in irgendeiner Weise ein Sitz im Parlament garantiert wird, wie es oft fälschlicherweise über den Parlamentssitz für die deutsche Minderheit geschrieben wird. Die Tatsache, dass die polnischen Deutschen seit 1991 ununterbrochen einen eigenen Vertreter im Parlament haben, ist das Ergebnis der Wahl in der Woiwodschaft Oppeln, die als Ganzes einen einzigen Wahlkreis bildet. „Und hier muss die Minderheit die Wahlhürde überschreiten, um an der Sitzverteilung teilnehmen zu können. Dies geschieht nach dem d’Hondt-Verfahren, das große Gruppen begünstigt. Wenn die Minderheit also nicht genügend Stimmen erhält, kann ihr ein Sitz verweigert werden, auch wenn sie formal die Wahlhürde im Wahlkreis überschritten hat. Ein Parlamentssitz für einen Minderheitenvertreter ist nicht garantiert, sondern ergibt sich aus dem Gesetz, das nationale und ethnische Minderheiten in Polen landesweit von der Wahlhürde befreit, und aus der Mobilisierung ihrer Wähler in einem bestimmten Wahlkreis, wo sie gleichberechtigt mit anderen Gruppierungen an der Sitzverteilung teilnehmen”, so Marek Mazurkiewicz.

Rudolf Urban

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