Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wir alle verlieren

Seit Anfang September wird nur noch eine Unterrichtsstunde Deutsch als Minderheitensprache pro Woche aus dem Staatshaushalt finanziert, vorher waren es drei. Diese Situation betrifft die Schüler in den drei Woiwodschaften Oppeln, Schlesien und Ermland-Masuren. Einige Kommunen haben beschlossen, zusätzlichen Deutschunterricht aus eigenen Mitteln zu finanzieren. In vielen Gemeinden hat sich jedoch dafür kein Geld gefunden.


Von der Kürzung der Mittel für den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache sind in Polen insgesamt 48.920 Schüler betroffen. Allein in der Woiwodschaft Oppeln besuchten im vergangenen Schuljahr 22.013 Schüler den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache, in der Woiwodschaft Schlesien waren es 20.301 Schüler, in Ermland und Masuren 2.154 und in den anderen Woiwodschaften 4.452 Schüler.

Foto: Louisa Hoffmann

Manche geben, andere nicht
Einige Gemeinden haben beschlossen, die Kosten für die Organisation dieser beiden von der Regierung gestrichenen Unterrichtsstunden aus ihren eigenen Mitteln zu bestreiten. Nach einer Umfrage des Verbandes deutscher Gesellschaften haben sich in der Woiwodschaft Oppeln 35 der 54 Gemeinden dazu entschieden. 18 von ihnen werden die zusätzlichen zwei Stunden finanzieren. Die Situation für die Schüler dort wird sich also nicht ändern. Sie werden weiterhin drei Stunden Deutsch als Minderheitensprache auf ihrem Stundenplan haben. Weitere 17 Kommunen beschlossen, eine zusätzliche Deutschstunde zu bezuschussen. In der Woiwodschaft Schlesien ist die Situation viel schlimmer. Von 60 Kommunen beschlossen nur vier, zusätzlichen Deutschunterricht zu finanzieren. Von diesen wird nur die Gemeinde Tost für zwei Stunden Deutsch bezahlen, um den Status quo zu erhalten. In der Woiwodschaft Ermland-Masuren wird nur die Gemeinde Sensburg zwei zusätzliche Unterrichtsstunden finanzieren. In den übrigen 18 Gemeinden werden die Schüler nur eine Stunde Deutsch als Minderheitensprache haben.

Wir alle verlieren
Die Reduzierung der Deutschstunden ist ein großer Verlust für die Schüler – das ist die Meinung vieler Eltern. „Ich denke, das ist eine sehr schlechte Sache. Wenn man bedenkt, wie wichtig Sprachkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt sind, verstehe ich diese Entscheidung überhaupt nicht. Und wir sind immer noch in einer besseren Situation als Schüler in anderen Gemeinden und Kreisen, weil uns zwei Stunden Deutsch als Minderheitensprache bleiben werden. Unsere Gemeinde Lugnian wird eine zusätzliche Stunde aus ihren eigenen Mitteln finanzieren. Das ist immerhin etwas, auch wenn es noch nicht reicht“, sagt Agnieszka Stręciok, Mutter von zwei Kindern, die die Grundschule in Lugnian besuchen. Dr. Jolanta Maj, deren achtjährige Tochter Zosia die öffentliche Grundschule Nr. 31 in Oppeln (Stadtteil Czarnowanz) besucht, ist ebenfalls unzufrieden. Die Stadt Oppeln hat beschlossen, keinen zusätzlichen Deutschunterricht aus ihrem eigenen Haushalt zu finanzieren. „Ich bin entsetzt über diesen Zustand und muss zugeben, dass ich auch etwas enttäuscht bin über die mangelnde Unterstützung durch die Stadt. Wenn andere Kommunen es sich leisten können, den Deutschunterricht aus ihrem eigenen Haushalt zu subventionieren, dann sollte die Woiwodschaftsstadt Oppeln hier mit gutem Beispiel vorangehen. Ich verstehe natürlich, dass dies in der Verantwortung des Staates liegt. Aber wenn es einen solchen Bedarf gibt, hätte Oppeln das Geld auftreiben müssen“, meint Frau Maj. Sie weist auch darauf hin, dass die Entscheidung, den Deutschunterricht zu kürzen, die Ungleichheit zwischen den Schülern verstärken wird. „Ich habe Zosia bereits für privaten Deutschunterricht angemeldet. Viele Eltern können sich die zusätzlichen Kosten jedoch einfach nicht leisten. Schüler, die kein Deutsch sprechen, werden die Schule verlassen. Und wir werden alle dadurch verlieren“, so Jolanta Maj.

Agnieszka Dłociok: „Ich weiß, dass einige Gemeinden diese wegfallenden Stunden aus ihren eigenen Mitteln finanzieren, aber viele werden das nicht tun und unsere Kinder werden darunter leiden.“

Man zählt auf NGOs
In der Woiwodschaft Oppeln nehmen die meisten Schüler am Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache teil. Aber auch aus anderen Woiwodschaften werden Stimmen laut, die mit der Reduzierung des Unterrichts unzufrieden sind. Agnieszka Dłociok, stellvertretende Vorsitzende der SKGD in der Woiwodschaft Schlesien und Vorsitzende des DFK Gleiwitz, hält dies für eine inakzeptable Situation. „Es ist ungeheuerlich, dass unseren Kindern die Möglichkeit genommen wird, Deutsch zu lernen. Viele Eltern kommen zu uns und beschweren sich darüber, wie das möglich ist. Man wirft uns sogar vor, nichts zu unternehmen, obwohl wir, seitdem die Probleme bei der Verabschiedung des Haushaltsplans offensichtlich waren, in dieser Sache tätig sind. Ich weiß, dass einige Gemeinden die wegfallenden Stunden aus ihren eigenen Mitteln finanzieren, aber viele werden das nicht tun und unsere Kinder werden darunter leiden“, sagt Agnieszka Dłociok.

Am schwierigsten ist die Situation in der Woiwodschaft Ermland-Masuren, wo nur die Gemeinde Sensburg beschlossen hat, zwei zusätzliche Deutschstunden zu finanzieren. Ohne das Bildungsangebot von Nichtregierungsorganisationen stünden die Schüler völlig ohne Unterstützung da, meint Anna Kazańska von der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit. „Ich bin sehr traurig, dass eine solche Situation eingetreten ist. Da ich häufig mit Angehörigen der deutschen Minderheit zu tun habe, sehe ich, wie groß der Bedarf an Deutschunterricht als Minderheitensprache ist. Kinder und Eltern fordern dies sogar. Ich freue mich, dass es viele Initiativen zur Förderung der deutschen Sprache und des Deutschunterrichts gibt. Ich bin den Organisationen in Oppeln sehr dankbar, dass sie ihre Aktivitäten und Angebote auf Ermland und Masuren ausdehnen“, sagt Anna Kazańska, die in ihrer Region im Rahmen der vom Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit organisierten Kampagne ‚Bilingua – einfacher mit Deutsch‘ für Deutsch in den Schulen wirbt.“

Die finanzielle Unterstützung durch die Kommunen oder die Ausweitung des sprachlichen Bildungsangebots von Nichtregierungsorganisationen ist jedoch nur ein unbefriedigender Versuch, die Aufgabe des Staates zu erfüllen, der verpflichtet ist, allen Minderheiten denselben Zugang zum Erlernen ihrer Sprache zu ermöglichen.

Anna Durecka
Mitwirkung: Ewa Stolz

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