Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wo bleibt jetzt die Gerechtigkeit? (+Video)

Der Abgeordnete der Solidarna Polska, Janusz Kowalski, hat erneut einen Änderungsantrag zum Staatshaushalt eingebracht, um die Finanzierung des Unterrichts von Deutsch als Minderheitensprache vollständig zu streichen. Darüber hinaus hat er zusammen mit einer Gruppe von 20 Abgeordneten einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der nationalen und ethnischen Minderheiten die Befreiung von der 5%-Hürde im Wahlrecht entzieht. Die deutsche Minderheit kritisiert dies als erneute Diskriminierung.

 

Bei einer Pressekonferenz im Sejm am Freitag vergangener Woche kündigte der Abgeordnete Janusz Kowalski an, dass er wie im Jahr 2021 einen Änderungsantrag zum Staatshaushalt eingebracht habe, diesmal zur Kürzung der Bildungssubvention um 119 Millionen PLN. Seiner Meinung nach sollte die polnische Seite den Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache überhaupt nicht finanzieren, solange die Deutschen den Unterricht in Polnisch als Muttersprache in ihrem Land nicht finanzieren.

 

Mutter von vier Kindern – Aneta Buczek
Foto: R.Urban

 

Kritik von der Minderheit

Der Verband deutscher Gesellschaften hat bereits letzte Woche eine Stellungnahme zu den Plänen des Bildungsministeriums, die Kürzungen der Deutschstunden beizubehalten (mehr darüber auf Seite 5), abgegeben. Rafał Bartek, Vorsitzender des VdG, hält die Worte von Janusz Kowalski über die vollständige Streichung der Mittel für einen Skandal. „Er fordert das, was die Kommunisten nach 1945 eingeführt haben, also ein totales Verbot der Sprache. Er spricht von Kürzungen der Mittel, aber dies führt dazu, dass es die Sprache an den Schulen gar nicht mehr geben wird“, unterstreicht Rafał Bartek.

Aneta Buczek, Mutter von vier Kindern, macht keinen Hehl aus ihrer Empörung über die Idee von Janusz Kowalski:

 

„Wir sind beunruhigt über diesen weiteren Vorschlag, der den Kindern das Recht nimmt, die Sprache, Kultur und Traditionen ihrer Vorfahren zu erlernen. Wie können wir unseren Kindern erklären, warum sie die einzigen sind, die ihre Minderheitensprache nicht lernen können? Meine Töchter wurden in Polen geboren, einem Land des Rechts und der Gerechtigkeit, wo bleibt jetzt die Gerechtigkeit?“

 

Zu den Forderungen Kowalskis nach Symmetrie im Bereich Bildung sagte die Politikwissenschaftlerin der Uni Oppeln, Dr. Katarzyna Kownacka, seine Argumente beruhen auf falschen Prämissen. Sie weist darauf hin, dass aufgrund der föderalen Struktur Deutschlands Fragen des muttersprachlichen Unterrichts den einzelnen Ländern anvertraut werden. Wenn also diese Art der Finanzierung auf die polnische Realität übertragen würde, würde die Bildung vollständig aus Mitteln der lokalen Selbstverwaltungen finanziert.

Ob Kowalskis Haushaltsänderungsantrag angenommen wird, wird sich im Laufe dieser Woche bei den Beratungen des Sejm zeigen.

 

Wahlrecht

Zusammen mit einer Gruppe von Abgeordneten seiner Partei legte Kowalski außerdem einen Gesetzentwurf zur Streichung von Artikel 197 des Wahlgesetzes vor, der regelt, dass Wahlkomitees nationaler und ethnischer Minderheiten von der polenweiten 5 %-Hürde für die Parlamentswahl ausgenommen sind. Dies ist eine Art Zugeständnis der Mehrheit gegenüber den nationalen und ethnischen Minderheiten, die sich damit um Parlamentssitze von regionaler Ebene aus bewerben können.

Janusz Kowalski betonte, dass die Bestimmung im Wahlgesetz nach Ansicht der Antragsteller nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sei und zudem nur wenige Länder in Europa und der Welt ähnliche Regelungen hätten. In Deutschland hingegen gibt es, wie Kowalski betont, keine vergleichbaren Bestimmungen für die dort lebenden Polen. „Solidarna Polska und die Partei Recht und Gerechtigkeit stellen die polnisch-deutsche Symmetrie wieder her”, urteilte Kowalski.

 

Ryszard Galla
Foto: R.Urban

 

Nach Ansicht der Minderheitsabgeordneten

Ryszard Galla, der einzige Abgeordnete, der eine nationale Minderheit, und zwar die deutsche Minderheit, im derzeitigen Sejm vertritt, sagt zu dem Vorstoß Kowalskis. „Ich bin nicht überrascht von dieser Aktion. Ich habe sogar auf den Moment gewartet, in dem Herr Kowalski seine Drohungen in die Tat umsetzt, zumal er einen solchen Schritt bereits vor einem Jahr angekündigt hatte”, sagt Ryszard Galla und fügt hinzu: „In der gegenwärtigen Situation mag dies unwahrscheinlich erscheinen, und sei es nur, weil eine solche Änderung bereits von der Konfederacja vorgeschlagen wurde. Außerdem hat die Partei Recht und Gerechtigkeit bereits einen Entwurf zur Änderung des Wahlgesetzes ausgearbeitet, in dem sie die Abschaffung der Befreiung von der Hürde nicht vorsieht. Wenn die Marschallin des Sejm dem Projekt von Janusz Kowalski jedoch schnell eine Nummer vergibt und daran zusammen mit dem Änderungsantrag der Regierungspartei gearbeitet wird, dann kann alles passieren“.

Rudolf Urban

 

VIDEO: Die Politikwissenschaftlerin Katarzyna Kownacka, die Sozialaktivistin Aneta Buczek, die Jugendvertreterin Andrea Polański, der Sejm-Abgeordnete der deutschen Minderheit Ryszard Galla sowie der VdG-Vorsitzende Rafał Bartek äußerten sich heute vor der Presse zu den jüngsten Vorstößen von Janusz Kowalski, Abgeordneter der Solidarna Polska.

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