Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wo liegt das Problem?

Die Bundesrepublik Deutschland hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Warenexporte im Wert von knapp 663 Milliarden Euro getätigt und verzeichnete dabei einen Handelsüberschuss in Höhe von 121,5 Milliarden Euro. Dies bedeutet für das erste Halbjahr 2018 einen Anstieg der deutschen Exporte um 3,9 Prozent. Parallel dazu kaufte Deutschland im Ausland Waren im Wert von 541,3 Milliarden Euro, ein Anstieg der Importe um 4,8 Prozent. Nichtsdestotrotz ist der Handelsüberschuss von 121,5 Milliarden Euro noch immer sehr hoch und sorgt für breite Kritik. Diese kam zuletzt vom Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) Maurice Obstfeld.

 

Prezydent USA, Donald Trump nie jest zwolennikiem tak dużej liczby niemieckich samochodów na amerykańskich drogach
US-Präsident Donald Trump ist kein Fan der vielen deutschen Autos auf amerikanischen Straßen
Foto: Shealah Craighead/Wikipedia

 

 

In seinem Gastbeitrag für die Tageszeitung „Die Welt“ bemängelte er Deutschlands Exportpolitik als Baustein für neue Spannungen und Handelskonflikte in der Welt. Länder wie Deutschland träfen nur zögernd und sehr vorsichtig Maßnahmen, die das Übergewicht ihrer Exporte über die Importe reduzieren könnten. Dadurch, so der IWF-Ökonom weiter, vergrößerten sie noch mehr die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Ländern mit einem Exportüberschuss und den verschuldeten Staaten. „Damit steigt das Risiko von Störungen durch Währungs- und Vermögenspreisanpassungen in verschuldeten Ländern zum Schaden aller. Zwar ergibt sich aus diesen Ungleichheiten noch keine unmittelbare Gefahr, doch sie werden sich allem Anschein nach weiter vertiefen, was eine mittelfristige Bedrohung der globalen Finanzstabilität darstellen könnte“, schreibt Maurice Obstfeld in der „Welt“.

 

 

Ein Zeichen von Stärke oder Schwäche?

Der IWF-Chefökonom bezieht sich in seinem Artikel auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Donald Trump. Dieser kritisiert Deutschland schon lange für seine Exportpolitik und wirft der Bundesrepublik diesbezüglich fehlende Solidarität mit anderen vor. So war Deutschland im vorigen Jahr nach IWF-Schätzungen für 20 Prozent der weltweiten Kapitalbilanzüberschüsse verantwortlich. An zweiter Stelle stehe China, das für elf Prozent dieser Überschüsse verantwortlich sei, also für nun ein wenig mehr als die Hälfte gegenüber Deutschland! Man könnte sagen, dies sei ja ein Knockout und ein Zeugnis für die wirtschaftliche Kraft Deutschlands. Maurice Obstfeld sieht den hohen Exportüberschuss Deutschlands allerdings gar nicht unbedingt als ein Zeichen von wirtschaftlichen Stärke und erklärt dazu recht verworren, dies sei ein Beweis für Ängste vor größeren Investitionen auf dem Binnenmarkt sowie auch für Einsparungstendenzen, die den diesbezüglichen Bedarf erheblich übersteigen. Der Experte rät den Deutschen daher zu höheren Staatsausgaben für „vernünftige Zwecke“, insbesondere für zukunftsorientierte Investitionen, sowie dazu, für eine höhere Binnennachfrage zu sorgen und die Löhne zu erhöhen. Ausgerechnet in diesem Fall sind es sehr sinnvolle Ratschläge, über die zweifellos nachzudenken und zu diskutieren wäre. Ein anderer Ökonom, Fabian Lindner von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, erklärte in einem Gespräch mit der Deutschen Welle, der Internationale Währungsfonds habe Alles in Allem Recht: „Andere Länder verschulden sich weiter, um deutsche Waren erwerben zu können. Infolgedessen nährt sich das deutsche Wirtschaftsmodell meines Erachtens von der stets wachsenden Verschuldung anderer Staaten.“ Dieser Zustand sei langfristig nicht tragfähig. Nicht zuletzt darauf sei laut Fabian Lindner auch die Finanzkrise der Jahre 2009 und 2010 zurückzuführen.

 

Produkty made in Germany sprzedają się znakomicie
Produkte „Made in Germany“ verkaufen sich hervorragend
Foto: NearEMPTiness/Wikipedia

 

Wahrheit in der Mitte

Ähnlich wie Maurice Obstfeld rät auch Fabian Lindner den Deutschen zu mehr Binnenkonsum und mehr Käufen im Ausland. Im Übrigen hat auch die EU-Kommission Deutschlands Exportpolitik bereits mehrfach kritisiert, denn nach geltenden EU-Bestimmungen darf der Kapitalbilanzüberschuss eines Staates längerfristig nicht über sechs Prozent seiner Wirtschaftsleistung liegen. Der deutsche Kapitalbilanzüberschuss hingegen bleibt seit Jahren auf einem höheren Niveau und lag beispielsweise letztes Jahr bei 7,9 Prozent. Ob es aber auch tatsächlich rechtens ist, die sich dynamisch entwickelnde deutsche Wirtschaft, die dank ihrer guten Verfassung die gesamte Europäische Union antreibt und immer wieder ein krisengeschütteltes südeuropäisches EU-Land rettet, für den jetzigen Zustand zu beschuldigen? Ist es denn die Schuld Deutschlands, dass deutsche Produkte so gern weltweit gekauft werden? Auch in diesem Fall gilt: Die Wahrheit, also auch die Schuld liegt für gewöhnlich in der Mitte. Andere Länder müssen sich schlichtweg am Riemen reißen, siehe die US-amerikanische Automobilindustrie. US-Präsident Donald Trump hat bereits viele Male laut kritisiert, dass zu viele deutsche Autos auf amerikanischen Straßen unterwegs sind. Sind aber die Deutschen daran schuld, dass die US-Bürger eher einen Mercedes, BMW, Audi, Porsche, Volkswagen oder Opel als einen Ford, Cadillac, Chevrolet etc. haben wollen? Nein, es sind ganz einfach die USA, die bessere Autos machen müssten. Sobald sie das tun, wird sich für das Problem wahrscheinlich erledigt haben. Übrigens: Wie bei vielen anderen Wirtschaftsbereichen hat der freie Markt zur Folge, dass die Kunden weltweit sich bessere, schönere und preisgünstigere Produkte aussuchen können. Und diejenigen „made in Germany“ halten sich offenbar gut und werden von den Kunden hoch geschätzt und begehrt. Wo liegt also die Sünde?

Johann Engel

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