Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wort zum Sonntag von Pastor Wojciech Pracki

Wort zum Sonntag, den 07.02.2021
Bibeltexte:
Altes Testament – Jesajabuch 55,8-12
Apostolischer Brief – Hebraeer 4,12-13
Evangelium – Lukas 8,4-8

 

Pastor Wojciech Pracki in seinem Büro
Foto: Leon Schwarzenberg

 

 

Von Ohren, die hören und Augen, die sehen.

Das biblische Gleichnis „Vom vierfachen Acker“ ist eigentlich allen, die sich im christlichen Kulturkreis bewegen, sehr gut bekannt. Darin erzählt Jesus von einem Sämann, der Samen auf die Erde wirft. Der Samen ist hier eine Metapher für die Verkündigung von Gottes Wort. Das Wort Gottes wird von dem Säenden gesät und fällt auf unterschiedlich beschaffenen Boden. Der Boden ist hier wiederum ein Symbol für uns Zuhörer – die Hörer des Evangeliums. In der Parabel, die Jesus erzählt, landen nur 25% der Körner auf einem fruchtbaren Grund, der bereit dafür ist, sie aufzunehmen und Früchte zu tragen.

 

Was aber ist mit den übrigen 75%?

Jesus, der Autor dieses biblischen Gleichnisses, ist ein Realist. Er ist sich bewusst, dass nicht alle seiner Zuhörer ihm nachfolgen werden. Ja, er ist sich bewusst, dass es nicht einmal die Hälfte sein wird.
Interessant ist, dass die Meinung von Jesus an ihrer Aktualität seit fast 2000 Jahren nichts verloren hat. Das Wort Gottes wird verkündigt, Religion wird in Schulen unterrichtet, in der Pandemiezeit haben wir so viele Gottesdienste und Messen im Fernsehen und Internet wie noch nie zuvor. Und alle Menschen, die einen christlichen Hintergrund haben, hören zu oder haben zumindest die Möglichkeit, zuzuhören.

Aber bei nur einem Viertel fällt das Wort Gottes auch in Ohren, die es hören. Das ist eine sehr nüchterne Analyse des damaligen, aber auch des heutigen Christentums – ganz unabhängig vom konfessionellen Modell.
Es wird sehr oft gesagt, dass Polen ein christliches Land ist. Nichtgetaufte Menschen kann man kaum finden. Ganz im Gegenteil zur Situation in den neuen Bundesländern, Tschechien oder der Slowakei. Das ist aber kein Grund zu besonderem Stolz, denn die christliche Einstellung und die Nachfolge Jesu Christi kommen nicht automatisch dadurch, dass man getauft wurde.

Wir nennen uns zwar sehr oft Christen, aber unsere Lebensart hat wenig damit zu tun. Wir besuchen zwar aktiv unsere Gottesdienste und hören das Wort Gottes. Aber es verfehlt unsere Ohren, es fällt nicht auf den Boden unserer Herzen. Und sobald wir die Kirche verlassen und die Bibel zuschlagen, benehmen wir uns so oder reden so, als hätten wir die Bibel nie gelesen.

 

Die Worte, die wir sprechen und unsere Handlungen reflektieren selten unser Engagement in der Bibellektüre oder unsere Anwesenheit im Gottesdienst. Es gibt einen sehr treffenden polnischen Spruch – „stoi pod figurą, a diabła ma za skórą“ („Er steht unter der Heiligenfigur und hat den Teufel unter der Haut“).

 

Unsere Politiker zum Beispiel, werden oft in Kirchen gezeigt – unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Wenn man aber ihre aggressiven Äußerungen hört, hat man große Zweifel, ob ihre Herzen tatsächlich christlich sind. Aber wir brauchen auch gar keine Politiker, um das zu beweisen.

 

Es reicht nur ein kleiner Blick in den Spiegel, ein Moment, in dem wir uns ehrlich – selbst anschauen.
Und wenn wir das tun, sollten wir uns immer dieselbe Frage stellen: Will ich zu den 25% gehören – oder nicht?

 

 

Die Bibeltexte finden Sie hier:

V Niedziela zwykła – B

 

Show More