Im Keramikmuseum zu Tillowitz (Tułowice) in der ul. Porcelanowa 4 wird die oberschlesische Geschichte lebendig. Im Rahmen der „Europäischen Kulturerbetage“ führt Henryk Gałkowski am 28. September um 11 Uhr in die Keramikwelt ein und im Anschluss nimmt Helena Wojtasik die Besucher auf einen Spaziergang auf den Spuren der Vergangenheit mit.
Es ist ein besonderer Moment, plötzlich sein „olles“ Geschirr, das sonst nur noch fürs Grillen benutzt wird, in einer Ausstellung zu entdecken. So, wie dem Schreiber dieser Zeilen, wird es wohl mehreren Besuchern des Tillowitzer Keramikmuseums ergehen, wenn er die braunen Teller und Tassen in der Vitrine entdeckt.

Foto: Muzeum Ceramiki Tułowice po_Kolei
Das noch junge, da erst im vergangenen Jahr eröffnete Keramikmuseum befindet sich im Bahnhof zu Tillowitz. Gezeigt werden dort Erzeugnisse der nicht mehr existenten Porzellan- und zu polnischer Zeit Porzellit-Fabrik. Porzellit ist zwar als Edelkeramik mit Eigenschaften zwischen Porzellan und Fayence eingestuft, wird jedoch aus minderwertigerem Kaolin gewonnen. Unter den Nachkriegserzeugnissen der Tillowitzer Keramikfabrik findet sich eben jenes braune Essservice, das meine Eltern Anfang der 70er-Jahre mühsam unter dem Ladentisch und nur aus zweiter und dritter Wahl erstehen konnten. Das Tafelgeschirr, Bierkrüge, Vasen oder Figuren aus den Jahren 1947-2001 bilde, so Marek Jary vom Tillowitzer Kulturzentrum, die „keramische Identität“ des Museums.

Foto: Muzeum Ceramiki Tułowice po_Kolei
Schwarzem Porzellan folgte Porzellit
Doch auch die deutsche Geschichte des Tillowitzer Porzellans wird im neueröffneten Museum präsentiert. „Wir zeigen auch das berühmte schwarze Porzellan. Die Perle unserer Präsentation ist eine Tasse mit Goldrand, die beim Bau der neuen Feuerwache ausgegraben wurde“, berichtet Jary. Besonders stolz ist er auf die Leihgaben des Oppelner Museums, die Erzeugnisse der Gräflich Falkenbergischen Porzellanmanufaktur aus den Jahren 1846-1860 und die filigranen Tassen der Porzellanfabrik Schlegelmilch.
Das Keramikmuseum im Bahnhof Tillowitz erinnert am 28. September ab 11 Uhr an das Erbe der Stadt.
Helena Wojtasik ist Leiterin des Tillowitzer Kulturzentrums. Für sie sei es wichtig, im Museum die Kontinuität der Porzellan- und Keramiktradition zu zeigen. Sie freut sich besonders, ihre Lieblingsobjekte zu präsentieren: die Dekore der Schlegelmilch‘schen Porzellanfabrik, die noch in der Tillowitzer Modellwerkstatt gefunden wurden, wo sie auch entworfen wurden.

Foto: Muzeum Ceramiki Tułowice po_Kolei
1813 wurde die Fayencemanufaktur Tillowitz durch Graf Johann Carl von Praschma gegründet, ist bei Gerhard Schmidt-Stein in „Schlesisches Porzellan vor 1945“ nachzulesen. Von Praschma übergab sein Werk 1910 an Johannes Degotschon (1773-1840). Nach dessen Tod verkaufte seine Frau die Fabrik 1842 an Ernst von Frankenberg-Ludwigsdorf. Dieser baute sie aus und ließ das sogenannte „schwarze Porzellan“ herstellen. Da der Erfinder des schwarzen Porzellans, ein gewisser Seliger, die Technologie mit ins Grab nahm, wurde nach seinem Tode die Produktion der Tillowitzer Rarität eingestellt.
Der Bahnanschluss im 19. Jahrhundert und der Bau des Tillowitzer Haltepunkts verhalfen zu einer besseren Materialanlieferung und dem Vertrieb der Erzeugnisse. Am 1. Mai 1889 pachtete der Thüringer Erhard Schlegelmilch aus Suhl die oberschlesische Porzellanfabrik und machte aus der Tillowitzer Tochterfabrik ein modernes Unternehmen. 1910 hatte die Firma 600 Mitarbeiter.
In der Schau auf Anschluss warten
Neben der 210-jährigen Porzellantradition, die unbedingt kennenzulernen sei, biete auch das Gebäude in der ulica Porcelanowa 4 eine interessante Geschichte, verspricht Marek Jary. „Der Bahnhof entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Strecke Oppeln – Neisse (Nysa). Für den Bau einer Haltestelle in Tillowitz setzte sich Graf Fred Frankenberg ein, der Besitzer von Tillowitz“, sagt er.

Foto: Marek Marszałkowski
2014 kaufte die Gemeinde Tillowitz das Bahnhofsgebäude von der Polnischen Staatsbahn (PKP). Bereits damals wollte man dort ein Porzellanmuseum einrichten, berichtet Helena Wojtasik. Aber erst sieben Jahre später akquirierte die Gemeinde EU-Gelder für die Sanierung. Das Bahnhofsgebäude behielt mit dem renovierten Wartesaal seine Ursprungsfunktion. Doch Reisende, die auf ihren Anschluss warten, können sich die Zeit mit einem Museumsbesuch verkürzen.
kan