Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Zeugnis ablegen

Erzbischof Alfons Nossol mit Pater Maciej Zięba
Erzbischof Alfons Nossol mit Pater Maciej Zięba

Das Abendgespräch des Erzbischofs Alfons Nossol mit dem Theologen, Philosophen und Publizisten, Dominikanerpater Maciej Zięba zählte zu den Höhepunkten des diesjährigen Schlesienseminars. Das Thema des Abends stand im Zeichen der aktuellen Flüchtlingslage in Europa.

Zunächst ging es um die Definition der Begriffe, denn wie der Moderator der Veranstaltung Dr. habil Sławomir Sowiński (Universität Warschau) feststellte, werden die christlichen Werte heute oft anders verstanden, als noch vor 30 oder 50 Jahren. „Christliche Werte sind humanistische Werte, die sich wiederum vom jüdischen Glauben ableiten. Wenn wir über christliche Werte sprechen, dann meinen wir in erster Linie die zehn Gebote und vor allem das Doppelgebot der Liebe“, sagte Erzbischof Nossol. Christliche Werte seien durchweg humanistische Werte – ohne diese Werte sei das menschliche Leben unmöglich.

Hinsichtlich der dramatischen Entwicklung in der Flüchtlingsfrage bezogen beide Gesprächspartner klar Stellungen. „Ich bin darüber erschüttert, was ich in Polen sehe. Hier wird wieder einmal ein Problem zu einem politischen Spiel. Aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit sind Einzelschicksale der unglücklichen Menschen und das Evangelium verschwunden. Die Flüchtlinge, die die Hölle auf Erden erlebten, werden zunehmend als Auswanderer bezeichnet. Den Auswanderern werden für ihre Migration schnell wirtschaftliche Motive unterstellt – sie werden zu Wirtschaftsflüchtlingen. Und aus den Wirtschaftsflüchtlingen werden dann Moslems und aus den Moslems Terroristen. Ich will doch keine Terroristen nach Polen einlassen!“, so Pater Zięba.

Hinsichtlich der am Vortag beschlossenen Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen in den einzelnen EU-Ländern stellte Pater Zięba fest: „Wir brauchen aber eine bedingungslose Solidarität mit den Notleidenden. Die Politiker müssen das wohl so machen: aufzuteilen, Kosten berechnen, wie viel Millionen Euro das kostet – nach meiner Meinung ist es die falsche Herangehensweise an das Problem. Wir müssen in den Ländern ansetzen, wo alle Missstände entstehen, und zwar in Form von Schulung vor Ort und, damit sie sich selber wirtschaftlich und politisch entwickeln.“

Zu der Frage: Stehen Lampedusa und die griechischen Inseln, auf denen fast täglich neue Flüchtlinge stranden, als Spiegelbild der christlichen Werte des 21. Jahrhunderts, sagte Zięba: „Das sind tragische Orte, die nach christlichen Werten rufen, wo wir Zeugnis ablegen müssen. Deswegen führte die erste Reise des neuen Papstes Franziskus nach Lampedusa, um die Aufmerksamkeit der Menschen auf diesen Missstand zu richten, um zu zeigen, dass dieser Ort ein besonderer Ort des christlichen Zeugnisses ist.“

Johannes Rasim

 

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