Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Zuerst die Schule, dann die Kirche

Schon als Kind betreute Küster Eugen Śledziński (links) die evangelische Kirche in Pleß. Propst Marcin Brzoska hat viel von ihm erfahren. Foto: Klaudia Kandzia
Schon als Kind betreute Küster Eugen Śledziński (links) die evangelische Kirche in Pleß. Propst Marcin Brzoska hat viel von ihm erfahren.
Foto: Klaudia Kandzia

Das Haus der Deutsch-Polnichen Zusammenarbeit (HDPZ) erinnert an die Reformation vor 500 Jahren und organisiert am 21. Oktober zum zweiten Mal eine Exkursion in die Geschichte der oberschlesischen Protestanten.

 

Die Reise beginnt in Bielitz (Bielsko), einer Stadt mit langer evangelischer Tradition. Im Stadtteil Bilitzer Zion steht das einzige Luther-Denkmal polenweit und das zweite im einstigen Habsburger Reich. In Bielitz wiederholt sich die Geschichte des Protestantismus im kleinen Raum, wie sie im ganzen Deutschen Reich Geltung hatte: Von einer Dominanz im 16. Jahrhundert, den erbitterten Kämpfen im 17. Jahrhundert, einem darauffolgenden Verbot des lutherischen Bekenntnisses bis hin zur Toleranz und Emanzipation der Evangelischen. „Bielitz ist eine Stadt mit langer evangelischer Tradition. Durch die Industrialisierung und den Zufluss der Weber aus dem deutschsprachigen Raum ist 1782 die evangelische Kirche sehr schnell gewachsen. Es ist ein wichtiger Ort, wo außer der seelsorgerischen Arbeit auch sehr viel im diakonischen Bereich geleistet wurde. Natürlich entstanden hier auch Schulen“, so Marcin Brzoska, Propst und Gemeindepfarrer in Schwientochlowitz (Świętochłowice), der die Exkursion leitet. „Es war sehr wichtig für die Reformation, dass nicht nur Kirchen entstanden sind, sondern dass zuerst eine Schule gebaut wurde und ein Lehrer da war, und erst dann wurde eine Kirche gebaut“, erklärt Propst Brzoska.

 

Die Fürstenresidenz Pleß (Pszczyna) als Wiege des oberschlesischen Protestantismus gehört ebenfalls zum Reiseziel der Exkursion. Hier wurde bereits 1569 die erste evangelische Schule eröffnet. Auf dem Ring, direkt neben dem Rathaus, sticht das Gebäude der evangelische Kirche ins Auge. Noch vor dem Krieg gab es in Pleß Gottesdienste in deutscher und polnischer Sprache und die Protestanten waren hier in der Mehrheit. „Die Geschichte des 20. Jahrhunderts führte dazu, dass die Evangelischen, vor allem hier im preußischen Schlesien, das Land verlassen mussten. So haben viele Gemeinden ihre Mitglieder verloren“, bedauert der Schwientochlowitzer Pfarrer.

 

Was blieb, ist das Erbe der Protestanten. An dieses wird heute wieder erinnert, wie in Miechowitz (Miechowice), der Wirkungsstätte der Diakonisse Mutter Eva. Erst im „Haus Friedenshort“ und später in weiteren Häusern betreute Eva von Tiele-Winckler mit ihren Diakonissinnen bedürftige Kinder und alte und kranke Menschen aus der Umgebung. Mutter Eva schuf ein Netz von 42 Kinderheimen und damit die weltweit erste gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Bereich der Diakonie. Ein Gedenkweg erinnert heute an Mutter Eva und ihr Wirken für Oberschlesien.

 

Klaudia Kandzia

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