Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Gedanken sind frei

Fehlender Azimut

Eine Welt ohne echte Autoritäten und moralische Grundsätze ist gefährlich. Sie scheint in den Händen von Politikern zu liegen, die sich von ihrer Unterstützung und nicht von ihrem Gewissen leiten lassen. Nur in einer solchen Welt kann es beispielsweise Zustimmung für die Verbrechen Israels geben, bei denen in wenigen Monaten mehr Zivilisten, insbesondere Kinder, starben als während des zweijährigen Krieges in der Ukraine. Ich möchte nicht sagen, dass Russlands Aggression gegen die Ukraine oder der Terroranschlag von Hamas-Kriminellen auf Israel keine Rolle spielen. Ich spiele die Tragödie der entführten Israelis nicht herunter. Ich möchte nur sagen, dass in letzter Zeit weitere Grenzen der Barbarei überschritten wurden.

Die Ermordung von Freiwilligen der humanitären Hilfe ist eine weitere Grenzüberschreitung. Die Ausrede, dass die Schützen glaubten, einen Menschen mit einer Waffe gesehen zu haben, beweist nur, wie gering der Wert menschlichen Lebens für diese Soldaten ist. Auf die Verbrechen Israels hat die sogenannte westliche Zivilisation nicht mit Sanktionen reagiert; im Gegenteil, aus den USA kommt weiterhin Hilfe. Steuerzahler finanzieren diese blinde Vergeltung, die auch auf das Leben ziviler Palästinenser abzielt, freiwillig oder unfreiwillig mit.

Nach all diesen Konflikten wird es keinen Frieden geben, sondern nur eine hasserfüllte Nachbarschaft. Das wird auch der Fall sein, wenn Russland in der Ukraine verliert, und das wollen wir hoffen. Die Politik braucht dann noch mehr moralische Autoritäten, die dabei helfen, solch schwierige Nachbarschaften zunächst in gegenseitige Akzeptanz, dann in Zusammenarbeit und vielleicht eines Tages in freundschaftliche Beziehungen umzuwandeln. Dieser Prozess findet zwischen Polen und Deutschland schon seit Jahrzehnten statt, aber wir wissen, wenn die Worte der Bischöfe „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ nicht ausgesprochen worden wären, hätte es nicht eine Revolution gegeben, die zur bilateralen und internationalen „Solidarität“ aufrief. Diese hätte es auch ohne Autoritäten wie Johannes Paul II. und auf der anderen Seite Helmut Kohl oder Ronald Reagan nicht gegeben. Und selbst nach all den Erfolgen, die sich aus dem NATO- und EU-Beitritt ergeben, wo Polen mit Deutschland zusammenarbeitet, muss man sagen, dass es immer noch schwierig ist, diese Beziehungen als Freundschaft zu bezeichnen.

Die Jahre der PiS-Regierung haben gezeigt, wie leicht es für die Gesellschaft ist, sich erneut mit dem Virus der Deutschfeindlichkeit zu infizieren und ihn zum Machterhalt zu nutzen. Wie viel schwieriger wird es sein, Konflikte zu lösen, wenn sie nicht auf allgemein als christlich anerkannten Werten basieren: Nächstenliebe, Vergebung, Gleichheit und damit absoluter Respekt vor jedem Menschen, nicht nur gegenüber denen, die uns ähnlich sind. Sie schufen demokratische Systeme. Die von vielen unbeliebte Europäische Union hat sie in ihrem Kern. Deswegen wollen die Ukraine, Georgien, Moldawien und andere ihr beitreten. Ich möchte nicht pessimistisch sein, aber wir sind eher von einem Rückzug der demokratischen Systeme umgeben.

Bernard Gaida

 

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