Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Er war ein Held

Auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in der Breslauer ul. Lotnicza gedachte man am Mittwoch vergangener Woche Hans Alexanders, des Vorsitzenden des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ in Breslau und entschiedenen Kämpfers für Demokratie. Zur Feierlichkeit kamen auch seine Nachfahren aus Großbritannien angereist.

Die Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war keine einfache. Die Weimarer Republik war eine schwache Demokratie, innenpolitisch ständig Angriffen von links und rechts ausgesetzt. Das veranlasste eine Gruppe ehemaliger Frontsoldaten, einen deutschlandweiten Verein zu gründen, der die Demokratie stärken sollte. So wurde 1924 in Magdeburg das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ ins Leben gerufen.

„Im August 1924 fand dann in Breslau ein erster großer Aufmarsch statt und da stand Hans Alexander schon an der Spitze, was man auf einem Foto sehen kann. Die hiesige Organisation wuchs dann bis 1933 auf eine Mitgliederzahl von 15.000 bis 20.000“, sagt der Historiker Dr. Roland Müller aus Dresden, der sich ausführlich mit dem Chef des Breslauer Reichsbanners, Hans Alexander, beschäftigt.

Eines der wenigen Fotos, auf denen Hans Alexander (rechts) abgebildet ist. Foto: reichsbanner-geschichte.de

Vom Soldaten zum Aktivisten

Das Jahr 1933 und die Machtergreifung Hitlers sollte das Ende des Reichsbanners sein, das in Breslau Mitglieder der Sozialdemokratie, der Zentrumspartei und der Demokratischen Partei gegründet hatten. Bis dahin war es aber eine starke politische Kraft. „Es ging um Überzeugungsarbeit für die Demokratie und die Republik und da spielte auch die schwarz-rot-goldene Fahne eine wichtige Rolle, denn das Zeichen der Gegner der Republik war die ehemalige Kaiserfahne (schwarz-weiß-rot)“, sagt Roland Müller.

Und in Breslau war eben Hans Alexander unbestrittener Leader des Reichsbanners. „Als ein auffällig großer, starker Mann, selbst mit einer Behinderung, stand er an der Spitze und hat hier große Verdienste um den Aufbau der Organisation und seine Tätigkeit nach außen hin, u. a. durch Organisierung von Aufmärschen oder Anwerbung neuer Mitglieder“, betont der Historiker.

Doch wer war Hans Alexander überhaupt? Er wurde 1890 in Breslau in einer jüdischen Familie geboren und war in seiner Heimat Kaufmann. Während des Ersten Weltkrieges wurde er schwer verwundet und erhielt zwei Eiserne Kreuze sowie ein Goldenes Kreuz für Tapferkeit. Gleich nach dem Krieg engagierte er sich politisch, vor allem, um dem aufkommenden Antisemitismus entgegenzuwirken, später auch im Rahmen des Reichsbanners für eine starke Demokratie.

Den später immer mächtiger werdenden Nationalsozialisten musste er ein Dorn im Auge sein, deshalb wurde er nach der Machtergreifung Hitlers in sog. Schutzhaft genommen, kam dann in ein Konzentrationslager in Breslau und später ins KZ nach Esterwegen an der holländischen Grenze.

In dem dortigen Lager wurde er hingerichtet, und zwar am 2. September 1933, womit er eines der ersten Opfer des Naziregimes war. Sein Leichnam wurde der Familie übergeben – so konnte Hans Alexander in seiner Heimat Breslau beigesetzt werden.

 

Tafeln am Grab

Zum 90. Jahrestag seines Todes wurde sein Grab auf dem Neuen Jüdischen Friedhof erneuert und um Informationstafeln ergänzt. Bei einer Gedenkfeier am Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus der jüdischen Gemeinde, dessen Bau Hans Alexander mitinitiiert hatte, versammelten sich Vertreter des heutigen Reichsbanners, der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, der Breslauer Jüdischen Gemeinde und der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Die Mitglieder der Letzteren waren es, die das Grab Alexanders hergerichtet haben.

Bei den Reden klang immer wieder an, dass Hans Alexander ein großer Verfechter der Demokratie und ein Kämpfer gegen den Antisemitismus gewesen war. Sehr emotional dagegen war die Ansprache eines seiner 26 Urenkel, Akiva Gardner aus Großbritannien. An seiner Seite war seine Mutter, die einzige Enkelin Alexanders. „Er hätte alles für Deutschland gegeben. Wie kann es daher sein, dass er so ein schreckliches Ende fand“, fragte Gardner bei seiner Ansprache, hielt die Militärauszeichnungen Alexanders hoch und nannte seinen Urgroßvater einen Helden.

Akiva Gardner, Urenkel von Hans Alexander bewahrt bis heute dessen Militärauszeichungen aus dem Ersten Weltkrieg. Foto: Rudolf Urban

Nach 1945 geriet Hans Alexander weitestgehend in Vergessenheit und so dachte auch die Familie, man erinnere sich nicht mehr an ihn. „Ich dachte, ich bin einer der letzten Menschen auf der Welt, die von ihm wissen. Ich habe einen Post bei Facebook gemacht und dachte: ‚Das war’s. Niemand weiß etwas über ihn, über sein Leben oder über seine Arbeit.‘ Und heute hier zu sein, ist eine unglaubliche Erfahrung“, sagte Akiva Gardner gerührt.

Hans Alexander soll wieder den Weg in das Gedächtnis sowohl der Deutschen als auch der Polen, vor allem der heutigen Breslauer, finden. Deswegen entstand eine Broschüre über ihn in beiden Sprachen. Das erneuerte Grab mit den Gedenktafeln kann jederzeit auf dem Friedhof in der ul. Lotnicza 51 besucht werden. „Wir hätten nicht gedacht, dass wir noch erleben, dass seine Arbeit hier gewürdigt wird. Er war ein echter Held. Und es ist fantastisch, dass dieser Tag stattfindet, trotz der tragischen Umstände seines Todes“, meint Akiva Gradner, sichtlich bewegt.

Rudolf Urban

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