Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Politik ist sich einig

In der vergangenen Woche berichtete das „Handelsblatt“, dass in den letzten Wochen mehrere Energieunternehmen an die Bundesregierung herangetreten sind, um die Raffinerie in Schwedt nahe der polnischen Grenze zu übernehmen. Unter ihnen ist ein Investor aus Estland – die Alcmene-Gruppe.


„Wir sind bereit, die PCK-Raffinerie Schwedt vollständig zu übernehmen. Wir sind wahrscheinlich die Einzigen, die technisch in der Lage sind, innerhalb weniger Monate Verladeanlagen nach Schwedt zu verlegen, um die Raffinerie trotz Krieg und Sanktionen per Bahn beliefern zu können“, sagte Raul Riefler, Geschäftsführer der Alcmene-Gruppe, dem „Handelsblatt“. Die Gruppe gehört einem estnischen Ölterminalbetreiber. Auch der Biokraftstoff-Unternehmer Claus Sauter von der Verbio AG hat Interesse an der Brandenburger Raffinerie bekundet. „Am Raffineriestandort Schwedt konnten wir zeigen, wie der Übergang von fossiler zu erneuerbarer Energie gestaltet werden kann. Schwedt ist dafür der ideale Standort“, erklärte Claus Sauter im „Handelsblatt“. Seiner Meinung nach könnte einer der Produktionsströme in Schwedt zunächst für die Raffination fossiler Brennstoffe genutzt werden. Der zweite könnte für die Herstellung von Biokraftstoffen der ersten und zweiten Generation verwendet werden.

Schlüsselrolle der Raffinerie
Die Schwedter Raffinerie spielt bei der Versorgung Ostdeutschlands u. a. mit Benzin, Diesel und Heizöl eine Schlüsselrolle. 95 Prozent des von Berlin und Brandenburg verbrauchten Brennstoffs kommen aus Schwedt. Die Bundesregierung sucht nun nach einer Lösung, die Schwedt unabhängig von russischen Öllieferungen macht, schreibt das „Handelsblatt“. Deutschland bezieht derzeit zwölf Prozent seines Rohöls aus Russland, das fast vollständig in Schwedt verarbeitet wird. Die Zeitung erinnert daran, dass der größte Anteilseigner an dieser Raffinerie Rosneft Deutschland ist, eine Tochtergesellschaft des russischen Rosneft-Konzerns, die 54 Prozent der Anteile hält. Shell besitzt derzeit 37,5 Prozent der Anteile, der italienische Konzern Eni hält die restlichen Anteile. Seit mehreren Jahrzehnten fließt das Öl über die „Freundschaft“-Pipeline nach Schwedt. Das von der Europäischen Union geplante Embargo gegen russisches Öl würde die Existenz der Raffinerie gefährden. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck „sucht fieberhaft nach neuen Rohölquellen für Schwedt, um den Fortbestand der Raffinerie zu sichern“, berichtet das „Handelsblatt“ und verweist auf die Pläne, die Raffinerie künftig über die Ostseehäfen Rostock und Danzig zu beliefern. Von beiden Häfen müsste das Öl über bestehende Pipelines nach Schwedt geliefert werden. Polen habe jedoch angekündigt, seine Infrastruktur nicht zur Verfügung zu stellen, wenn ein russisches Unternehmen in Schwedt weiterhin Geld mit Öl verdiene, so die Zeitung.

 

Raffinerie Schwedt
Foto: ShellMartinez-refi/Wikipedia

Koalition voller Enthusiasmus
Wie das „Handelsblatt“ schreibt, haben Politiker der Regierungskoalition positiv auf die Nachricht reagiert, dass potenzielle Investoren bereit sind, die Schwedter Raffinerie zu übernehmen. „Aus unserer Sicht ist jede vom privaten Sektor vorgeschlagene Lösung für einen Eigentümerwechsel besser als ein staatlicher Eingriff. Die Entscheidung für einen Wechsel sollte sich an den Kriterien Versorgungssicherheit, schnellstmögliche Unabhängigkeit von russischem Öl und dem langfristig besten Konzept für den Standort orientieren“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, der Zeitung. „Das Raffineriegeschäft in Deutschland ist sehr lukrativ, daher ist es nicht verwunderlich, dass es Bieter für die Raffinerie Schwedt gab“, räumte Michael Kruse ein. Auch Politiker der Grünen und der SPD sind daran interessiert, dass die Raffinerie von privaten Investoren übernommen wird. Vertreter beider Parteien betonten im „Handelsblatt“, dass es wichtig sei, „eine langfristige Lösung sicherzustellen“. Nach Ansicht von Dieter Janeck von den Grünen sollten „Lösungen der (Eigentums-)Übertragung oder der Treuhandschaft im Werkzeugkasten bleiben“. So verwies Dieter Janeck auf die kürzlich vom Bundesrat beschlossene Novelle des Energiesicherheitsgesetzes eröffnete Möglichkeit, strategische Unternehmen wie die PCK Schwedt unter Treuhandschaft zu stellen oder gar zu enteignen. Das Wirtschaftsministerium wollte sich laut „Handelsblatt“ nicht zum Interesse von Investoren am Kauf der Raffinerie äußern.

Johann Engel

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