Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Es geht einfach darum, Mensch zu sein

Am 7. März hatte das Europäische Solidarność-Zentrum (ECS) in Danzig eine besondere Persönlichkeit zu Gast: Markus Meckel. Der Theologe und Pazifist, Protagonist der friedlichen Revolution in der DDR und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten sowie Fürsprecher der deutsch-polnischen Versöhnung, stellte seine ins Polnische übersetzten Erinnerungen vor. Unter dem Titel „Osobista historia wolności. Wspomnienia“ finden die Leserinnen und Leser einen wichtigen Ausschnitt deutscher Zeitgeschichte aus sehr persönlicher Perspektive.

Die letzten Sonnenstrahlen des Donnerstags tauchen die Danziger Werft und das große, rostige Gebäude in Form eines Schiffs, in dem das Europäische Solidarność-Zentrum seiner Arbeit nachgeht, am kühlen Abend in warmes Licht. Es fängt sich auch in den hohen Bäumen des Lichthofs im Zentrum des Gebäudes, die kompliziert zu gießen sind, aber dem Zentrum eine angenehm ruhige Atmosphäre verleihen.

Das Europäische Solidarność-Zentrum (ECS) in DanzigFoto: Uwe Hahnkamp
Das Europäische Solidarność-Zentrum (ECS) in Danzig
Foto: Uwe Hahnkamp

Einfach Mensch sein

Im ersten Stock des ECS in der Bibliothek sitzt Markus Meckel vor einer Kamera und stellt sich den Fragen eines Mitarbeiters der Einrichtung. Noch ist die Bibliothek geschlossen. Die ersten der insgesamt 60 Gäste, die trotz des Termins unter der Woche Zeit gefunden und Interesse an Markus Meckel haben, suchen sich ihren Weg durch die geräumigen Hallen. Zu Beginn seines Lebens im August 1952 in der damaligen DDR hätte sich Markus Meckel so große Aufmerksamkeit von Menschen und Medien nicht träumen lassen.

Die Innenräume des ECS mit viel GrünFoto: Uwe Hahnkamp
Die Innenräume des ECS mit viel Grün
Foto: Uwe Hahnkamp

Er selbst sieht seinen Einsatz und vor allem den Erfolg bescheiden. Auf die Frage nach der wichtigsten seiner vielen Rollen in seinem Leben und der deutschen Zeitgeschichte antwortet er: „Ich denke, es geht vor allem darum, Mensch zu sein und sich den jeweils aktuellen Herausforderungen zu stellen. Das zu tun, was wichtig ist: sich für die Freiheit einzusetzen, solidarisch mit anderen zu sein, auf der Seite der Opfer gegen die Aggressoren zu stehen, für Recht und Gerechtigkeit – und seinen Nächsten zu unterstützen.“

Eröffnung des Autorenabends durch den Direktor des ECS Basil KerskiFoto: Uwe Hahnkamp
Eröffnung des Autorenabends durch den Direktor des ECS Basil Kerski
Foto: Uwe Hahnkamp

Halt in der evangelische Kirche

In den Formulierungen hört man den Theologen, den Sohn eines Pastors, der wiederum mit einer wichtigen Entscheidung das Leben seines Sohn geprägt hat. Markus Meckel verbrachte sein Leben im Osten Deutschlands, weil sein Vater als Pfarrer der Bekennenden Kirche im Dritten Reich nach seiner Rückkehr aus dem Krieg mit seiner Frau dorthin zog. „Die evangelische Kirche suchte damals händeringend Pastoren, die die christlichen Gemeinden unterstützten, die unter großem atheistischen Druck standen“, beschreibt Markus Meckel die damalige Situation.

Markus Meckel, hier flankiert von zwei Dolmetscherinnen, teilte seine Erinnerungen und sprach über die aktuelle Situation in Deutschland.Foto: Uwe Hahnkamp
Markus Meckel, hier flankiert von zwei Dolmetscherinnen, teilte seine Erinnerungen und sprach über die aktuelle Situation in Deutschland.
Foto: Uwe Hahnkamp

Dabei bot die evangelische Kirche einen gewissen Schutz und die Möglichkeit von kircheneigenen Schulen und Studium – aus überraschendem Grund. „Im Grunde verdanken wir das den Sowjets, die die Bekennende Kirche als Widerstand eingestuft hatten. So konnte der Staat sich nicht direkt einmischen, nur über die Stasi – und das funktioniert nicht“, schmunzelt Markus Meckel. Nach Abbruch der sozialistischen Schule schlug er den Bildungsweg in der Kirche ein, studierte Theologie und promovierte ausgerechnet über Nietzsche, der in der DDR nicht erlaubt war. Bekannt waren die evangelischen Sommerlager zu gesellschaftlichen Themen in der malerischen Provinz, in die der junge Pfarrer „verbannt“ worden war.

Markus Meckel und die Dolmetscherinnen mit Basil Kerski (2. v. r.) und der Deutschen Generalkonsulin in Danzig, Cornelia Pieper (rechts)Foto: Uwe Hahnkamp
Markus Meckel und die Dolmetscherinnen mit Basil Kerski (2. v. r.) und der Deutschen Generalkonsulin in Danzig, Cornelia Pieper (rechts)
Foto: Uwe Hahnkamp

Etwas ändern, die Menschen unterstützen

„Ich habe den Osten immer als Aufgabe gesehen: etwas ändern und die Menschen unterstützen. Daher war der Weg in die Opposition gewissermaßen unausweichlich“, sagt Markus Meckel. Aus dieser Opposition an der Seite der Opfer, von der er vor den Flaggen Polens, Deutschlands, Danzigs und der EU in der Bibliothek des ECS erzählt, gründete er mit seinem langjährigen Freund Martin Gutzeit die Sozialdemokratische Partei (SDP). „Wir wollten vorbereitet sein auf eine parlamentarische Demokratie, auf die wir hinarbeiteten“, erklärt Markus Meckel diesen einschneidenden Schritt.

Gäste in der Bibliothek des ECS
Gäste in der Bibliothek des ECS
Foto: Uwe Hahnkamp

Ergänzt werden seine Ausführungen von Bildern aus dem Familienalbum, die Mitarbeiter des ECS gesammelt hatten, und Erzählungen der Deutschen Generalkonsulin in Danzig, Cornelia Pieper, mit der ihn die Jugendzeit in der DDR und das parteipolitische Engagement verbindet. Unter der Leitung des Direktors des ECS, Basil Kerski, gibt Markus Meckel im Autorengespräch persönliche Einblicke in Begegnungen mit bekannten Persönlichkeiten wie Hans-Dietrich Genscher („von Außenminister DDR zu Außenminister BRD“), aber auch in die teilweise frustrierende Behandlung des Osten Deutschlands durch westdeutsche Investoren und Politiker. Diese schlägt sich bis heute auf Gesellschaft und Politik nieder. Nicht von ungefähr waren die anstehenden Wahlen in Deutschland auch Thema während der Veranstaltung.

Blick von der Empore in der Bibliothek des ECS auf die VeranstaltungFoto: Uwe Hahnkamp
Blick von der Empore in der Bibliothek des ECS auf die Veranstaltung
Foto: Uwe Hahnkamp

Heutige Gewissenskonflikte?

Neben der Besorgnis um die Lage in einigen ostdeutschen Bundesländern gibt es ein weiteres nicht wenig schmerzhaftes Thema für den Pazifisten und Wehrdienstverweigerer Markus Meckel: die Frage nach der militärischen Hilfe für die Ukraine im aktuellen Krieg. Für ihn besteht jedoch ein grundlegender Unterschied zum Kalten Krieg: „Damals war im Hintergrund die nukleare Bedrohung. Ein Friedensbruch, durch den nichts bleibt, war undenkbar. Heute geht es um den Schutz von Recht und Demokratie. Man kann nicht neutral sein, wenn Demokratie, die Würde der Menschen und die Menschen selbst Opfer sind.“

Es bleibt also dabei: an der Seite der Opfer stehen gegen die Aggressoren. Es kommt darauf an, Mensch zu sein.

Uwe Hahnkamp

Markus Meckel „Osobista historia wolności. Wspomnienia“ (tytuł oryginału: „Zu wandeln die Zeiten. Erinnerungen“), redakcja naukowa Łukasz Jasiński, przekład z języka niemieckiego Agnieszka Grzybkowska, Centrum Badań Historycznych Polskiej Akademii Nauk w Berlinie, Warszawa-Berlin, 2023.

Show More