Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Krise als Dauerzustand

Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hat den Begriff „Krisenmodus“ zum Wort des Jahres 2023 gekürt. Das gab die Jury in Wiesbaden bekannt.

Sei es die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine oder der terroristische Angriff der Hamas auf Israel; sei es Inflation, anhaltende Migration, Energieknappheit oder Klimawandel – die Probleme und Herausforderungen, die uns seit einigen Jahren beschäftigten, scheinen kein Ende zu nehmen. Eine Krise folgt auf die nächste, ohne dass der Eindruck entsteht, dass die vorherige(n) gelöst worden wäre(n). Es entwickelt sich eine Spirale aus Krisen, und Staaten und Gesellschaften befinden sich im dauerhaften Krisenmodus – die Krise als Normalität. Insofern ist es nur folgerichtig, dass der Begriff „Krisenmodus“ von der in Wiesbaden beheimateten Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2023 gekürt worden ist.

„Krisen gab es schon immer. Aber in diesem Jahr (sprich: im Jahr 2023, Anm. d. Red.) scheinen die Krisen und ihre Bewältigung zu kulminieren. Um einen Satz des Vizekanzlers zu modifizieren: Wir sind umzingelt von Krisen. Noch nicht bewältigte Krisen wie Klimawandel, der Russland-Ukraine-Krieg oder die Energiekrise werden von neuen Krisen eingeholt. Nahostkrieg, Inflation und Schuldenkrise kamen nun hinzu und auch die Bildungskrise spitzte sich zu. Der Ausnahmezustand ist längst zum Dauerzustand geworden“, so die GfdS in einer Pressemitteilung zur Wahl der Wörter des Jahres 2023.

Weiter schreibt die Jury, die sich aus Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern zusammensetzt: „Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen. Zwischen Apathie und Alarmismus zu einem angemessenen Umgang mit den andauernden Ausnahmesituationen zu finden, fällt schwer. Linguistisch zu beobachten ist dies an einer zunehmenden sprachlichen Radikalisierung im öffentlichen Raum.“

„Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut,Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen. Foto: Gerd Altmann/pixabay.com (Tafel); Wochenblatt.pl (Begriff)
„Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen“, schreibt die GfdS.
Foto: Gerd Altmann/pixabay.com (Tafel); Wochenblatt.pl (Begriff)

Auf dem zweiten Platz der Wörter des Jahres landete diesmal der Begriff „Antisemitismus“, der im Kontext der jüngsten pro-palästinensischen Demonstrationen auch in deutschen Städten einmal mehr offen sichtbar wurde. „Spätestens der Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 offenbarte […], dass es in Deutschland nicht nur rechts-, sondern auch linksradikalen Antisemitismus gibt. Ebenso trat eine islamistisch geprägte und in Teilen der muslimischen Bevölkerung wahrnehmbare Judenfeindlichkeit deutlich zutage“, heißt es hierzu seitens der GfdS.

Das Wort „leseunfähig“, das auf die sich immer weiter verschlechternde Lesefähigkeit in der Bevölkerung aufmerksam macht, wurde auf Platz drei gewählt. „In jüngsten Studien erfüllen bis zu 31 Prozent der Viertklässler nicht die Mindeststandards beim Lesen. Das Adjektiv ‚leseunfähig‘ bezieht sich jedoch darüber hinaus auch auf das Verstehen komplexerer Texte, das offenbar immer mehr Menschen Schwierigkeiten bereitet, und ist ein Verweis auf eine grundlegende Bildungsmisere in Deutschland“, so die Juroren der GfdS.

Weitere Begriffe in den Top Ten sind unter anderem „Ampelzoff“ „Migrationsbremse“, „Milliardenloch“, „Teilzeitgesellschaft“ und „Kussskandal“. Letzterer bezieht sich auf den Eklat, den Spaniens nunmehr zurückgetretenen Fußballverbandspräsident Luis Rubiales auslöste, indem er Jennifer Hermoso, Kapitänin des spanischen Fußballnationalteams, bei der Weltmeisterschafts-Siegerehrung in Sydney ungefragt öffentlich auf den Mund küsste.

Nach Angaben der GfdS sei es für die Wahl nicht entscheidend, wie oft ein Wort oder Ausdruck verwendet wird; vielmehr suche man nach Begriffen, „die die öffentliche Diskussion dominiert und ein Jahr wesentlich geprägt haben“.

Erstmals wurde das Wort des Jahres 1971 gewählt („aufmüpfig“), ab 1977 dann regelmäßig. Im Jahr 2022 war das Wort „Zeitenwende“ gekürt worden.

ln

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