Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mit Rübezahls Hilfe schlug die Bombe ein

Am dritten Adventssonntag wird der Königssaal der altehrwürdigen Ritterakademie zu Liegnitz (Legnica) wieder zum internationalen und interkulturellen Weihnachtsmarkt. Zum 22. Mal treffen Deutsche, Polen, Ukrainer, Russen, Lemken, Armenier, Roma, Griechen, Franzosen und Juden zur „Weihnacht der Völker“ und präsentieren ihre kulinarischen Traditionen. Bei den Deutschen ist die Liegnitzer Bombe ein Muss.

Die Atmosphäre sei einzigartig und „man kann so richtig schlemmen“, sagt der deutsche Liegnitzer Damian Stefaniak. Sein Großvater, der 2016 verstorbene Gründer und Vorsitzende der Liegnitzer Sozial-Kulturellen Gesellschaft, Jürgen Gretschel, hatte vor 23 Jahren die Idee zur „Weihnacht der Völker“. Gänsebraten an schlesischen Klößen und Rotkohl – damit kitzeln deutsche Liegnitzer die Gaumen bei den Versammelten. Und von Beginn an darf dabei auch die Liegnitzer Bombe nicht fehlen. „Es ist schade, dass ich die Bomben in Görlitz einkaufen muss, weil man sie in Liegnitz nirgendwo mehr bekommt“, ärgert sich Stefaniak. Für den Eigenbedarf backt der dreifache Vater dieses Küchlein selbst. Das Rezept hat er von seinem Großvater Gretschel überliefert bekommen und auch die Geschichte dazu. „Sie ist zwar eine Kalorienbombe, aber ihren Namen hat sie durch ihr Aussehen bekommen – sie ähnelt tatsächlich einer kleinen Bombe“, sagt er.

Gibt die Tradition daheim weiter: Liegnitzer Damian Stefaniak

Der Berggeist hatte die Finger im Spiel

Erfunden haben soll sie ein Liegnitzer Bäckergeselle. Er bekam die Aufgabe, etwas Außergewöhnliches zu erfinden, ein Produkt, für das Liegnitz berühmt werden sollte. Außerdem stand für den Gesellen die Hand der schönen Bäckermeistertochter auf dem Spiel. Übermüdet vom vielen Grübeln musste er plötzlich an seine Großmutter in Schreiberhau denken. Sie hatte ihm oft von Rübezahl erzählt und wie dieser Menschen in Not geholfen habe. Der Berggeist des Riesengebirges erschien dem Gesellen im Traum und verriet ihm ein Geheimrezept …

Hält die schlesische Tradition hoch: Bäckermeister in vierter Generation, Armin Hübner

Tatsächlich wurde die Liegnitzer Bombe vom Bäckermeister Eduard Müller 1853 erfunden. In seinem Geschäft in der Frauenstraße 64 (heute ulica Najswiętszej Marii Panny) verkaufte er sein neues Weihnachtsgebäck. Der tüchtige Kaufmann Franz Mayenburg begann 1884 mit der industriellen Herstellung der Liegnitzer Bomben. Sein Unternehmen produzierte bis zu 10.000 Bomben täglich – und sie gingen weg wie warme Semmel. Aber auch andere Bäcker wie Karl Müller, Bruno Weisbrich oder Alfred Türpitz stellten dieses Weihnachtsgebäck her. Wer vor dem Krieg Liegnitz besuchte, kam nicht umhin, die stilvoll verpackten Leckereien als Souvenir mitzunehmen.

Tüfteln an Rezepten: Damian Stefaniak (Mitte) versammelt Schlesienkenner im Sitz der deutschen Gesellschaft in Liegnitz. V.r.: Sylwia Białek, Dr. Waldemar Szostak und Prof. Edward Białek.

Nach Kriegsende wurden die Bomben in Liegnitz nur noch in privaten Haushalten gebacken, auch im Hause Gretschel. „Großvater hatte ein echtes Händchen dafür. Als Kind durfte ich zusehen und heute backe ich sie für meine Frau und unsere drei Kinder“, berichtet Damian Stefaniak stolz und ist sich sicher, dass die Tradition mit ihm nicht aussterben wird.

 

Traditionssuche in Horka

Dass die schlesische Tradition der Liegnitzer Bomben in schlesischen Backstuben überlebte, dafür hat die Bäckerei Hübner aus Horka gesorgt, während die Liegnitzer die Bomben heute aus Horka über Görlitz importieren müssen. Horka liegt etwa 18 Kilometer nordwestlich der Kreisstadt Görlitz, nahe zur polnischen Grenze. Früher war Liegnitz für die Görlitzer und Horkaer ihr Regierungsbezirk.

Uropa Alois Hübner hatte 1924 in Görlitz die erste Bäckerei eröffnet, während diese am 15. Mai 1928 dann in Horka ihren neuen Sitz nahm. Armin Hübner ist damit in vierter Generation Bäcker. Mit seinem Vater Lothar ist er sich in der Backstube einig: „Ohne Liegnitzer Bomben, Schlesische Mohnkließla und ohne Mohn- sowie Christstollen gibt es bei uns hier in Schlesien keine Schlesische Weihnacht!“, wobei Armin Hübner zu berichten weiß: „Vom Christstollen wurde in Schlesien einer immer in Leinentüchern aufgehoben, der Ostern wieder herausgeholt wurde.“

Liegnitzer Bomben erfand 1853 der Bäckermeister Eduard Müller. Kaufmann Franz Mayenburg stellte sie seit 1884 industriell her.

Den alten Bräuchen verpflichtet, entstehen in Horka weiterhin auch Liegnitzer Bomben trotz vier Jahrzehnte DDR, in der eine Bezugnahme auf Liegnitz ausgeschlossen schien. „Bei uns im Dorf wohnt ein Schuhmachermeister, der aus Sagan (Żagań) stammt und in Erinnerung um diese Leckerei bat. Mein Vater hat insgesamt 35 Rezepte auffinden können und an diesen so lange gefeilt, bis der Schumacher sagte: ’Ja, das ist es!’“, so Armin Hübner.

Die ersten Liegnitzer Bomben buk Eduard Müller in der Frauenstraße, etwa auf der Höhe von St. Peter und Paul in Liegnitz.

Bombenstimmung bei Neukunden

Auch andere Bäcker aus der Niederschlesischen Oberlausitz bieten heute wieder die Bomben an, die bei vielen im familiären Gedächtnis überdauert hatten, wenn auch nicht mehr jeder den eigentlichen Namen der süßen Bombe auf Pfefferkuchenteigbasis mit Kuvertüre kannte. Heute gehen Bestellungen von Liegnitzer Bomben aus ganz Deutschland nicht in Liegnitz, sondern in Horka ein: „Oft heißt es bei der Bestellung zum Beispiel, dass man sich damit an das Weihnachtspäckchen erinnert, dass die schlesische Oma früher geschickt hat“, berichtet der Horkaer Armin Hübner. Zu den Traditionsbestellungen kommen aber auch immer mehr Neukunden, deren kulinarische Bombenstimmung einfach aus purer Begeisterung für die Leckerei herrührt.

Text und Fotos: Klaudia Kandzia

 

 

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