Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Schlüssel für den Weltfrieden

„Se vi vere ĝenas traduki ĉi tiun frazon, mi ŝatus danki vin pro legi ĉi tiun artikolon kaj esperas ke vi havu bonan tagon.“ Sie haben keine Ahnung, was dieser Satz bedeuten soll? Die Sprache kommt Ihnen irgendwie bekannt vor – aber Sie können nicht richtig einordnen? Kein Wunder, schließlich handelt es sich hier um eine sogenannte konstruierte Sprache mit dem Namen Esperanto. Eine Hommage an ein außergewöhnliches Lebenswerk.

Ludwig Zamenhof wird 1859 im damals noch russischen Białystok, einer Stadt mit einer ethnisch sehr diversen Bevölkerung geboren. Das friedliche Zusammenleben von Deutschen, Polen, Litauern und Juden scheitert häufig an den Sprachbarrieren. Um dieses Problem zu lösen, kommt Zamenhof schon in seiner Jugendzeit ein faszinierender Gedanke: Eine gemeinsame Sprache müsste erfunden werden, die leicht zu erlernen und einfach zu verwenden sei.

Der Schlüssel zum Frieden

Wenn das gelänge, könnte man nicht nur die Bildung von Ghettos in Zamenhofs Heimatstadt verhindern. Vielmehr hätte man, so seine Idee, damit auch einen Schlüssel für den Weltfrieden in der Hand. Aber wie soll man eine Sprache so spielerisch erlernen, dass man sie sofort zur Kommunikation nutzen kann? Zamenhof setzt auf radikale Vereinfachung: Jeder Buchstabe hat nur eine Aussprache, es gibt nur eine Deklination und eine Konjugation, ein grammatikalisches Geschlecht existiert nicht. Jede dieser grammatikalischen Regeln gilt ohne Ausnahme. Der gelernte Augenarzt veröffentlicht seine Überlegungen 1887 unter dem Pseudonym „Doktoro Esperanto“ – eine neue Sprache ist geboren.

Das Rad nicht neu erfunden

Man muss zugeben, dass Zamenhof nicht der Erste mit einer solchen Idee ist. Schon im 17. Jahrhundert formulierte Leibniz den Gedanken einer idealen Sprache, die zur Einheit unter der nicht nur sprachlich ungeeinten Menschheit führen soll. Im Laufe der Zeit wurden vor und nach Zamenhof dutzende Sprachen entworfen, die eine oder mehrere natürliche Sprachen zum Vorbild hatten; ebenso gab es Entwürfe auf musikalischer (Solresol) oder gar mathematischer (Timerio) Grundlage.

Zamenhof hat das Rad nicht neu erfunden, aber Esperanto bleibt bis heute die Plansprache mit dem nachhaltigsten Erfolg. Während andere Entwürfe heute bestenfalls einige Hundert Sprecher verzeichnen können, besteht die Esperanto-Sprachgemeinschaft heute je nach Schätzung aus 500.000 – 2.000.000 Sprechern.

“Polen wird 2014 das erste Land, welches Esperanto als Weltkulturerbe anerkennt.”

Eine Vision bis in die Gegenwart

Entsprechend liest sich die Verbreitung der Sprache wie eine einzige, große Erfolgsgeschichte. 1889, nur zwei Jahre nach der Erstveröffentlichung Zamenhofs, wird in Nürnberg die auf Esperanto verfasste Zeitschrift „La Esperantisto“ veröffentlicht. 1898 wird der erste Landesverband gegründet, 1908 der Esperanto-Weltbund.

Ludwig Zamenhof (4.v.l.)auf dem ersten Esperanto-Weltkongress 1905 in Boulogne-sur-Mer (Frankreich). Foto: Wikimedia Commons

Die Sprache überlebte die Repressionen des nationalsozialistischen Deutschlands ebenso wie die Stalinschen Säuberungen. 1959 wird mit der Einführung des Stelos eine entsprechende Währung eingeführt, die ebenfalls bis heute existiert. In den 1960er Jahren werden mit „Angoroj“ und „Inkubo“ sogar zwei Filme auf Esperanto gedreht. Und schließlich wird Polen das erste Land, das 2014 Esperanto als immaterielles Weltkulturerbe anerkennt. Zamenhofs Vision dauert bis in die Gegenwart an – man darf weiterhin guten Grund zur Hoffnung haben, dass sie sich eines Tages erfüllen wird.

Felix Werner

 

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