Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Pragmatismus statt Euphorie

Obwohl die meisten in China tätigen deutschen Unternehmen eine Abschwächung der Konjunktur erwarten, wollen sie dortbleiben. Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zeigt, dass China nach wie vor ein interessanter Standort ist, auch wenn es nicht mehr so einfach ist wie früher. Ulf Reinhardt, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in China, bleibt im Interview mit der „Deutschen Welle“ optimistisch, auch wenn es für deutsche Unternehmen in den letzten fünf Jahren nicht einfach war, im Reich von Xi Jinping zu agieren.

Zunehmender Wettbewerb durch chinesische Unternehmen, ungleicher Marktzugang, eine schwächelnde Wirtschaft und geopolitische Spannungen setzen deutsche und andere ausländische Unternehmen, die in der Volksrepublik China tätig sind, unter Druck. Seit 2007 befragt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag regelmäßig deutsche Unternehmen zu ihren Geschäftserwartungen in China.  An der jüngsten Umfrage, die zwischen dem 5. September und dem 6. Oktober 2023 durchgeführt wurde, nahmen insgesamt 566 Unternehmen teil. Die Umfrage gilt als eine der repräsentativsten, wenn es darum geht, die Stimmungslage deutscher Unternehmen in China abzubilden.

Loyalität zu China

Derzeit stehen 91 Prozent der deutschen Unternehmen in der Volksrepublik China loyal zu China als Wirtschaftsstandort. Und das, obwohl 83 Prozent der Befragten mit einem weiteren Abwärtstrend der chinesischen Wirtschaft rechnen. Doch auch wenn dieses Gesamtbild etwas getrübt ist, lässt sich in China immer noch gutes Geld verdienen. Und die deutschen Unternehmer versuchen, auf die wachsenden Risiken mit einem entsprechenden Krisenmanagement zu reagieren. Trotz der allgemein schwachen Lage erwarten 79 Prozent der deutschen Unternehmer in den nächsten fünf Jahren weiteres Wachstum in ihrer Branche, 54 Prozent planen weitere Investitionen. Größter Hemmschuh für deutsche Unternehmen sind die zahlreichen neuen Vorschriften, die ausländische Firmen oft unerwartet treffen: „Die rechtliche Rahmensituation in China untergräbt die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, die von der Innovationskraft Chinas profitieren wollen“, urteilt Ulf Reinhardt.

Auch das umstrittene chinesische Anti-Spionagegesetz sorgt für Emotionen und Unsicherheit. „Unternehmen mögen keine Ungewissheit, egal welcher Art. Eine der Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, ist, dass die in China erlassenen Gesetze und Vorschriften oft sehr vage formuliert sind. Sie lassen zu viel Spielraum für Interpretationen und erschweren so die Entscheidungsfindung“, erklärt Ulf Reinhardt in einem Interview mit der DW. Ein Beispiel sei die Datenübermittlung. Es sei nicht klar, welche Daten wann und wie ins Ausland transferiert werden dürfen, erklärt er. In den Umfrageergebnissen spiegelt sich auch die Tatsache wider, dass der Wettbewerbsdruck aus China in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.

“In China lässt sich nach wie vor gutes Geld verdienen und die deutschen Unternehmer versuchen, auf die wachsenden Risiken mit einem angemessenen Krisenmanagement zu reagieren.”

Mehr chinesische Konkurrenz

Fünf Prozent der befragten Unternehmen sehen chinesische Wettbewerber bereits als Innovationsführer in ihrer Branche. 46 Prozent erwarten, dass sie dies in den nächsten fünf Jahren werden. Im Falle der Automobilindustrie sehen sogar elf Prozent der Unternehmen ihre chinesischen Konkurrenten als Innovationsführer, mehr als die Hälfte erwartet diese Entwicklung in den nächsten fünf Jahren. Angesichts der stärkeren chinesischen Konkurrenz hat die Deutsche Handelskammer in China an die Staats- und Parteiführung in Peking appelliert, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen: „Die meisten chinesischen Unternehmen haben keinen Grund, den Wettbewerb zu fürchten“, argumentiert Ulf Reinhardt. Ein faires Wettbewerbsumfeld würde jedoch die Produktivität und die Innovation in allen Sektoren steigern, betont er. Auch wenn in diesem Bereich bereits einige Fortschritte erzielt werden, bleibt noch viel zu tun: „Die chinesische Regierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Wir sehen einige Fortschritte und möchten die chinesischen Behörden ermutigen, mehr zu tun“, sagte Ulf Reinhardt gegenüber der DW. Kurzfristig seien die Aussichten für deutsche Unternehmen in China aber noch nicht risikofrei, so Reinhardt. Zu den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und der Krise im chinesischen Immobiliensektor kommen geopolitische Risiken hinzu: „Kurzfristig besteht das Risiko einer Deflation und wir haben ja auch die Krise am Roten Meer“, so Ulf Reinhardt. Die der deutschen Handelskammer angeschlossenen Unternehmen glauben dennoch, dass es mittelfristig mehr Wachstum geben wird. Nach Ansicht von Ulf Reinhardt werden wir drei bis fünf Jahre auf deutlich bessere Zeiten warten müssen.

K.Ś.

 

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