Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Tanz auf dem Vulkan

Mary Theresa Olivia Cornwallis-West, genannt Daisy (1873 in Wales – 1943 in Waldenburg), wurde durch Heirat Fürstin von Pless, Reichsgräfin von Hochberg und Freiin zu Fürstenstein sowie die erste High Society Lady des europäischen Hochadels. Das Buch „Tanz auf dem Vulkan – Erinnerungen an Deutschlands und Englands Schicksalswende“ beschreibt ihr Leben bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 und ihre zahlreichen Begegnungen in Politik und Adel. Marie Baumgarten sprach mit Ina Maria Kwiatkowski, die als Ideengeberin an der Neuauflage beteiligt ist.


Frau Kwiatkowski, bis heute gilt Fürstin Daisy als eine der schillerndsten Persönlichkeiten Schlesiens, warum?

Fürstin Daisy war ihrer Zeit voraus und hat diese maßgeblich geprägt. Sie kam in England zur Welt. Gerade einmal 17 Jahre alt, wird sie mit Hans Heinrich Fürst von Pleß, einem der reichsten Männer Mitteleuropas, verheiratet. Seiner Familie gehören die Kohlegruben in Schlesien. Daisy ist politisch interessiert und sozial engagiert – es war vor allem diese Wohltätigkeit, die ihr großen Respekt einbrachte, der bis heute nachhallt.

„Tanz auf dem Vulkan“ ist zuletzt vor rund 90 Jahren erschienen. Sie haben eine Neuauflage ins Rollen gebracht. Warum?

Bis vor einem Jahr war Daisy für mich auch eine Unbekannte. Dann fiel mir ein Roman über die Fürstin und ihr beeindruckendes Leben in die Hände. So beeindruckend, dass ich mehr erfahren wollte. Bei meinen Recherchen stieß ich auf eine alte Auflage von „Tanz auf dem Vulkan“, ich brannte darauf, das Buch zu lesen. Das Problem war: Es war nirgendwo erhältlich. Ich habe die Suchmaschinen, Bibliotheken und Antiquariate durchstöbert – nichts.

Daisy von Pless

Am Ende hat es aber doch geklappt.

In einem japanischen Antiquariat fand sich schließlich eine alte Original-Ausgabe aus dem Jahr 1929. Eigentlich unglaublich, die Freude war natürlich groß. Es ist dem Verleger Graf von Westarp mit seinen zahlreichen Kontakten zu verdanken, dass wir es überhaupt gefunden haben.

Und darum die Neuauflage, damit es nicht gänzlich verschwindet?

Genau, ich war von der Lektüre begeistert und davon überzeugt, dass andere es auch sein würden. Und die Person „Daisy von Pleß“ darf nicht vergessen werden.

Fürstin Daisy hat die Bücher selbst verfasst. Handelt es sich also um eine Art Tagebuch?

Das kann man so sagen. Immer, wenn etwas Wichtiges in ihrem Leben passiert ist, hat sie es niedergeschrieben. Es umfasst den Zeitraum Ende 19. Jahrhundert bis nach dem Ersten Weltkrieg 1918.

Wie lesen sich die privaten Aufzeichnungen der Fürstin?

Sehr spannend. Wer sich für Geschichte interessiert, sollte dieses besondere Zeitdokument unbedingt lesen. Man bekommt einen intimen Einblick in das Leben des Adels zum Beginn des letzten Jahrhunderts. Die gesellschaftlichen und politischen Geschehnisse jener Tage werden authentisch aus damaliger Sicht geschildert und eingeordnet.

Welche waren das?

Die ersten Notizen drehen sich darum, wie es für Daisy war, von England in die fremde neue Heimat Schlesien zu kommen. Sie wuchs in einer ganz anderen Kultur auf. Auf Schloss Fürstenstein musste sie jetzt nach steifer preußischer Etikette leben. Später kreisen ihre Gedanken um den sich nahenden Großen Krieg. Sie wollte ihn unter allen Umständen verhindern.

Wie wollte sie das schaffen?

Sie hat gesellschaftliche Veranstaltungen organisiert, um die Entscheidungsträger zusammenzubringen: Bälle und Jagden. In ihrem Buch beschreibt sie beispielsweise einen Abend auf ihrem Schloss, zu dem sie deutsche und englische Amtsträger eingeladen hatte – da gab es ja auch zahlreiche Verwandtschaften.

Und dabei hat Daisy sie ins Gebet genommen?

Die Männer dachten über den Krieg eben wie Männer: Sie müssen ihre Pflicht erfüllen. Daisy hat aus der Perspektive einer Frau an sie appelliert: „Bitte verhindert diesen Kriegt, denkt doch an die vielen Mütter, die ihre Söhne, die vielen Frauen, die ihre Männer verlieren.“
So ein Schritt war gewagt für Frauen ihrer Zeit. Normalerweise hatten Frauen sich in Politik nicht einzumischen.

Ihr Plan geht nicht auf. Sie muss sogar noch einen Zweiten Weltkrieg erleben. 1943 stirbt sie, nach der Scheidung vom Fürsten, einsam und verarmt in Waldenburg. Was ist ihr Vermächtnis?

Es ist ihre Wandlung: eine unbedarfte junge Frau, die ihre Heimat verlassen muss und in der Ferne zu einer weltgewandten Dame reift. Die mit viel diplomatischem Geschick versteht, ihre Interessen durchzusetzen und die ihren Einfluss nutzt, um Gutes zu tun. Bis heute ein Vorbild für jede Frau.

Infobox:
Das zweibändige Buch erscheint am 15. Februar im Verlag Westarp Book On Demand und kann unter werden www.westarp-bs.de bestellt werden. Es kostet 68 Euro. ISBN: 978-3-96004-099-6
Ina Maria Kwiatkowski, geboren 1967 in Görlitz, jahrelang als Redakteurin bei unterschiedlichen Sendeanstalten tätig, heute Mediaberaterin bei DDV Mediengruppe Görlitz.

 

 

Leseprobe – Ankunft in Schlesien

“Tanz auf dem Vulkan” – Erinnerungen an Deutschlands und Englands Schicksalswende. Die Neuauflage erscheint am 15. Februar und kann bereits vorbestellt werden.
Quelle: Verlag Westarp Book On Demand

Direkt nach ihrer Heirat in London reist die Fürstin Pleß nach Schlesien, in die Heimat ihres Mannes. Daisy empfindet Deutschland als rückständig und furchtbar, ihre ersten Eindrücke sprechen Bände:
Als ich nach Pleß kam, fand ich einen großen, weißen Palast, den mein Schwiegervater etwa um 1870 neben einem älteren erbaut hatte. Er war sehr französisch, so wie die meisten deutschen Häuser dieser Jahre, und voll von schweren, ziemlich üblen, übermäßig vergoldeten Möbeln, die man auch für französisch hielt, die aber nur häßlich waren. Ringsherum waren riesige Terrassen und Gärten und viele gleichgültige Marmorstatuen. Große Prachtentfaltung, schwerfälliger Luxus und kein Komfort, keine Bequemlichkeit, nicht einmal ein Bad! Mein Mann hatte mir ein Goldmosaik-Badezimmer in Fürstenstein eingerichtet, eigentlich schrecklich, aber doch viel besser als gar keines. Zu meinem Empfang waren alle Angestellten und Dienstleute in ihren besten Uniformen und Livreen versammelt. Sowohl in Fürstenstein wie in Pleß war der Haushalt ganz militärisch, und jeder Diener wurde täglich gedrillt. Alle weiblichen Dienstboten trugen alte schlesische Kostüme in den Livreefarben Carmoisinrot und Silber. Das prachtvolle Treppenhaus war eingesäumt von einem unendlichen Spalier von Lakaien in blauen Jacken mit weißen Gamaschen und Handschuhen, eine Uniform, die ich scheußlich fand. Ihre Zahl überraschte und erschreckte mich. Das einzig Hübsche waren die weiblichen Dienstboten in kurzen, roten Röcken, mit weißen Schürzen, Tüchern, Strümpfen, weißen Häubchen und langen hängenden Zöpfen. Ich fand gleich, daß die Etikette unglaublich stumpfsinnig war. Ich konnte nicht Deutsch und konnte meine Wünsche nicht äußern. Wenn ich aus einem Raum in einen anderen gehen wollte, wurde geklingelt, ein Diener öffnete die Tür, und ein Lakai schritt vor mir her, wohin ich auch immer ging. Und ich hatte doch nur den einen Wunsch, mich leise hinwegzustehlen mit zugeschnürter Kehle, oder vielleicht auf die Post aus England zu warten. Zu allererst mußte ich Deutsch lernen, um ihnen zu sagen, daß diese Zeremonie überflüssig war, daß ich Türen selbst aufmachen konnte und ohne fremde Hilfe zu Bett gehen wollte. Dies mißfiel meinem Mann, und während unserer ganzen Ehe hatten wir immer Meinungsverschiedenheiten über die Behandlung der Dienstboten. Sogar im Kriege, als alle jüngeren Diener im Feld waren, wurde er einmal böse, weil ich seinem Kammerdiener befahl, die Heizung anzufachen, anstatt die dafür bestimmten Diener herzubeordern, ohne deren direkte Hilfe man entweder erfrieren oder ersticken konnte.
Hans stammt von einem Volke, das Nichtigkeiten eine lächerliche Bedeutung beimißt. Aber mein Schwiegervater, Hans Heinrich XI., war eine nie versagende Hilfe für mich. Die Familie nannte ihn Vater und ich tat desgleichen. Wie mein eigener Vater war er ein sehr großer Gentlemen. Er kam mir mit der größten Herzlichkeit entgegen und war mir stets ein guter Freund und treuer Beschützer. Ich glaube, er verstand mich. Und mehr als das, er glaubte an mich. Wenn irgend jemand von meinen schrecklichen, neuen deutschen Verwandten unzufrieden mit mir war, sagte er: „Laßt das Kind in Ruhe! Mit der Zeit wird sie euch alle in den Schatten stellen.“ Das gab mir Mut, und ich tat mein möglichstes, ihm Freude zu machen, taktvoll zu sein und zu lernen, was ich lernen mußte. Aber es war etwas Wildes und Ungezähmtes in meinem englischen Geist — oder war es irisch oder walisisch? — manchmal brachten mich seine altmodischen Ideen in Harnisch und wir waren eine kurze Zeitlang böse. Ich mußte oft ungeweinte Tränen verschlucken. Ein trotziges Aufwallen englischen Stolzes zwang mich meist, Kummer und Enttäuschungen zu verbergen. Pleß gefiel mir nicht, aber mein Schwiegervater liebte es, und sein berühmtes, herrlich gezogenes Gestüt war in seinen Augen das schönste von allem. Seine Lieblinge waren die Rotschimmel, und ich sehe noch heute einen prachtvollen Rotschimmelhengst vor mir, der Rapid Roan hieß. Der Stallmeister war ein lieber alter Herr mit einer italienischen Frau. Wenn er uns herumführte, in den Ställen oder bei der Fohlenzucht, trug er immer einen grauen Zylinder und tat so, als zeigte er uns ein Heiligtum, wo man kaum ein Wort sprechen dürfte. Wie in England wurde diese Besichtigung gewöhnlich am Sonntag nach der Kirche und vor dem Lunch gemacht, und das war die wichtigste und eindrucksvollste Zeremonie des Tages. Es ist mir so, als ob Vater einmal ein Pferd im Derby rennen ließ und beinahe gewann. Meinem Schwiegervater zu Gefallen suchte ich mir den Stammbaum der berühmtesten Hengste und Stuten einzuprägen. Ich sagte z. B.: „Was für ein reizendes Fohlen, sicher ist Rapid Roan der Vater und Pleß Beauty die Mutter.“ Zum Glück stimmte es manchmal. Dann lächelten alle und sagten: „Jawohl, Euer Durchlaucht!“ Ich liebe Pferde, wie ich Menschen liebe, aber ich konnte mir Stammbäume nie merken. Zu Weihnachten mußten wir fast immer in Pleß sein. Aber es war nicht so wie zu Hause. Es wurden zwar schöne deutsche Weihnachtslieder gesungen, aber es gab kein Feuerwerk, keine Mince-Pies und Plumpuddings. Später ließ ich sie mir von England kommen und machte eine kleine eigene Bescherung in meinem Zimmer, wobei mein englisches Mädchen und der englische Kammerdiener meines Mannes zugegen waren. Wenn ich das öffentlich getan hätte, würde jeder gedacht haben, daß ich ernstlich die Konstitution des preußischen Königreichs zerstören wollte. In Pleß hatten wir eine Unmenge Oberförster mit einer schönen Uniform. Zu bestimmten Zeiten wurden sie zum Lunch eingeladen, und dann wurde der große Speisesaal benutzt, der wirklich riesig ist. Ich werde nie das erstemal vergessen, als dies stattfand. Die malerische Erscheinung der Leute machte auf mich großen Eindruck, bis mein Mann sagte: „Bitte, sieh nicht erstaunt aus, wenn du sie in ihre Fingerschalen spucken siehst.“ Ich dachte, er wollte mich aufziehen, aber zu meinem Entsetzen sah ich sie eine Mischung von Pfefferminzwasser in den Mund nehmen, gurgeln, und in die Schale zurückgeben. Es machte mich seekrank. Diese ganze Einrichtung war sehr altmodisch. Häßliche blaue Glasscheden mit Bechern wurden vor jeden Gast gestellt, am Ende der Mahlzeit mit der nötigen Mischung gefüllt und dann gewissenhaft und geräuschvoll benutzt. Die Gesellschaft trat dann in den Salon und, bevor der Kaffee serviert wurde, gaben sich alle Verwandten schallende Küsse und sagten: „Mahlzeit“, was gute Verdauung bedeutet. Die gräßliche Grußmode ist fast ausgestorben, aber in manchen Familien des Mittelstandes ist es heute noch Sitte, Mahlzeit zu sagen, wenn man hereinkommt oder hinausgeht, während gegessen wird. Die Dänen sagen etwas Ähnliches: „vel bekomme“, und das zu unterlassen, wäre dort eine große Ungezogenheit.

Daisy fügt sich ein in diese neue Welt, die zu ihrer zweiten Heimat wird. Lesen Sie mehr ……

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