Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wenn Science-Fiction Realität wird

Es kann Reden, Bewerbungen, Essays, Gedichte und Ernährungspläne in (fast) jeder gewünschten Sprache verfassen, Code in verschiedenen Programmiersprachen schreiben und verstehen, Witze erzählen oder ganz einfach Informationen bereitstellen. Die Rede ist von dem Computerprogramm „ChatGPT“, ein auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhender Prototyp eines Chatbots. Die Fähigkeiten der Software sind beeindruckend – doch auch Vorsicht ist geboten.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich schreibe Ihnen, um meine tiefe Besorgnis über die jüngste Entscheidung der polnischen Regierung zum Ausdruck zu bringen, die wöchentlichen Deutschstunden für Schüler, deren Muttersprache Deutsch ist, zu reduzieren. Ich betrachte diese Maßnahme als diskriminierend und bitte Sie dringend, sie rückgängig zu machen.

Es gibt drei wichtige Gründe, warum ich diese Reduzierung als diskriminierend betrachte:
1. Sie widerspricht dem Recht der Schüler auf Bildung in ihrer Muttersprache, das in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen verankert ist.
2. Sie schwächt die Identität und das Selbstbewusstsein der betroffenen Schüler, die in einer Minderheitensituation leben und ihre Muttersprache pflegen sollten.
3. Sie sendet ein negatives Signal an die gesamte Minderheitenbevölkerung, indem sie ihnen signalisiert, dass ihre Sprache und Kultur weniger wert sind als die der Mehrheitsbevölkerung.

Ich bitte Sie daher inständig, diese diskriminierende Maßnahme rückgängig zu machen und sich für die Rechte und die Gleichberechtigung von Minderheiten einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen
[Dein Name]

Ein inhaltlich wie grammatikalisch ansprechendes Musterschreiben, nicht wahr? Dabei wurde der Text nicht von einem Menschen aus Fleisch und Blut verfasst, sondern von einer künstlichen Intelligenz, genauer gesagt von dem Computerprogramm „ChatGPT“.

Der Chatbot – ein textbasiertes Dialogsystem – wurde von dem US-amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelt und im vergangenen November veröffentlicht. Zu dessen wichtigsten Geldgebern zählen der Unternehmer Elon Musk sowie der Hard- und Softwareentwickler Microsoft. Gegründet wurde OpenAI im Jahr 2015 – unter anderem von dem Informatiker Wojciech Zaremba, der ursprünglich aus Kreuzburg O.S. (Kluczbork) in der Woiwodschaft Oppeln stammt. Der 34-Jährige Oberschlesier spielt auch bei der Entwicklung von „ChatGPT“ eine zentrale Rolle.

Der Oberschlesier Wojciech Zaremba ist einer der Gründer von OpenAI und hat „ChatGPT“ mitentwickelt.
Foto: Grenobli/wikimedia.org

Meilenstein der künstlichen Intelligenz

Seit ihrer Veröffentlichung hat die Software im Internet einen regelrechten Hype ausgelöst. Begriffe wie „Revolution“ und „Meilenstein“ machen die Runde; manche Nutzer sprechen gar von einem „Gamechanger“ für die Arbeitswelt von morgen. Auch die bisherigen Prinzipien des Lernens in der Schule und Universität werden von einigen Experten bereits infrage gestellt.
Tatsächlich sind die Fähigkeiten von „ChatGPT“ beeindruckend, fast schon unheimlich. Entwickelt wurde das Computerprogramm, um menschenähnliche Unterhaltungen zu führen; trainiert wird es mit einer riesigen Menge an Textdateien – zum Beispiel Nachrichtenartikel, Bücher, soziale Medien und Onlineforen –, die es ihm erlauben, auf viele verschiedene Fragen und Anfragen zu antworten.

Bei dem eingangs dargelegten Beispieltext lautete der in das Dialogfeld auf der „Chat-GPT“-Webseite eingegebene Befehl: „Schreibe eine kurze, persönliche E-Mail an ‚Damen und Herren‘, in der die kürzliche Reduzierung des wöchentlichen Unterrichts in Deutsch als Minderheitensprache seitens der polnischen Regierung als Diskriminierung hervorgehoben wird. Füge drei kurze Begründungen an, wieso ebenjene Reduzierung diskriminierend ist.“

Auf Basis dieses Kommandos spuckte „ChatGPT“ dann in Sekundenschnelle die Textvorlage aus. Das Ergebnis ist zwar keineswegs perfekt; es gibt einige Stellen, an denen man nachbessern müsste, wollte man die E-Mail tatsächlich verschicken. Aber als Grundgerüst wäre der von der KI erstellte Text durchaus brauchbar.

Noch nicht perfekt

Bei aller Euphorie über „ChatGPT“ ist jedoch auch Vorsicht geboten. Die Qualität der erzeugten Antworten ist schwankend, stellenweise zeigt sich die Software auch erstaunlich fehleranfällig. So befragte die polnische Datenwissenschaftlerin Teresa Kubacka „ChatGPT“ zum Thema ihrer Doktorarbeit in Physik und erhielt vernünftig klingende Erklärungen und Zitate, die sich bei genauerer Betrachtung allerdings als größtenteils frei erfunden herausstellten. Gary Marcus, ein amerikanischer Experte für KI, bezeichnete „ChatGPT“ als „in einem Moment brillant und im nächsten atemberaubend dumm“. Und der deutsche Blogger Sascha Lobo befürchtet: „Es ist wahrscheinlich, dass – so spektakulär ‚ChatGPT‘ ist und funktioniert – neben den vielleicht erahnbaren, produktiven Möglichkeiten auch eine Flut an KI-Quatsch auf uns niederprasseln wird“.

Und dennoch: „ChatGPT“ ist bisher nur ein Prototyp, der sich in Zukunft noch deutlich weiterentwickeln, verbessern und womöglich unsere Art, das Internet zu nutzen, komplett verändern wird.

Lucas Netter

Nach der Registrierung unter „https://chat.openai.com“ können auch Sie „ChatGPT“ ausprobieren. Die Nutzung ist (noch) kostenlos. Auf die Eingabe sensibler beziehungsweise persönlicher Informationen sollte jedoch verzichtet werden, da diese unter Umständen auf den Servern von OpenAI gespeichert werden.

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