Bernard Dembczak, Vorsitzender des Verbandes Schlesischer Bauern, sprach mit Manuela Leibig über die aktuelle Situation der Landwirte.
Wie war das Jahr 2023 für den Verband Schlesischer Bauern?
Es war ein Wahljahr in unserem Verband. Trotz der Tatsache, dass es immer weniger Landwirte gibt, kommen neue Landwirte zu uns und wir haben viele junge Leute. Das ist sehr erfreulich. Es hat zwar noch kein junger Mensch für den Vorsitz unseres Verbandes kandidiert, aber es sind Leute, auf die man sich in vielen Bereichen verlassen kann und die einen weiten Blick auf die Welt haben. Politische oder wirtschaftliche Erfolge gab es nicht, denn es war eine schwierige Zeit der Diskussionen, zum Beispiel mit Vertretern landwirtschaftsnaher Institutionen. Außerdem war es ein Jahr der Parlamentswahlen und jeder dachte nur an das eine – was ist zu tun, um sie zu gewinnen.
Ist es gelungen, alle geplanten Verbandsaktivitäten durchzuführen?
Ja, vor allem unsere Versammlungen und Integrationsinitiativen sind bei unseren Mitgliedern sehr beliebt. Das zeigt sich an der Teilnahme an unseren Treffen und verschiedenen Veranstaltungen. Unser jährliches Grillfest vor der Ernte, das in Olsau nahe der tschechischen Grenze stattfand, war wie immer gut besucht. Wir organisieren auch eine Reihe von Touristen- und Ausbildungsreisen, deren Zahl sich im Vergleich zu den Vorjahren fast verdoppelt hat. Dazu gehören lokale Initiativen wie eine Nachtbesichtigung von Neustadt, etwas weitere Touren wie nach Berlin oder Potsdam, aber auch weit entfernte Ziele wie die einwöchige Reise nach Georgien. Dabei geht es nicht nur um Integration, sondern wir versuchen auch, unsere Reisen mit einem Besuch in einem landwirtschaftlichen Umfeld zu verbinden. Unsere Mitglieder nehmen gerne an diesen Initiativen teil, sie fühlen sich wohl unter anderen Menschen aus der gleichen Branche, deshalb organisieren wir solche Aktionen gerne. Uns verbindet unsere Arbeit, unser Interesse, unsere Probleme, wir lernen uns auf solchen Reisen besser kennen, und wenn wir zurückkehren, bleiben wir in Kontakt und helfen uns gegenseitig so gut wie möglich. Auch in diesem Jahr fragen unsere Mitglieder bereits nach diesen Initiativen, obwohl wir gerade erst dabei sind, unsere Berichtsversammlungen abzuhalten.
Auf dem YouTube-Kanal von Agro Silesia ist eine Serie von drei Videos mit jungen Landwirten als Protagonisten erschienen. Was ist das Ziel dieser Aktion?
Gemeinsam mit dem deutschen Konsulat in Oppeln wollten wir junge Landwirte und ihre Leidenschaften zeigen. Wir haben, wie mir scheint, nicht offensichtliche Leidenschaften ausgewählt. Ich möchte Sie daher ermutigen, sich diese Produktionen anzusehen. Außerdem ist es natürlich auch eine Werbung für den Verband. Wir machen verschiedene Projekte und diese Filme sind eines davon.
In einem der Videos geht es um die Zusammenarbeit mit Landwirten in Deutschland.
Es wurde hier nur ein Beispiel für die Zusammenarbeit gezeigt, in diesem Fall mit Landwirten aus dem Raum Münster. Wir besuchen uns nicht nur gegenseitig und zeigen unsere Höfe, sondern profitieren auch von den Schulungen, die sie anbieten. Dieses Jahr, im Oktober, wollen wir zu einem Lehrgang nach Triesdorf in Bayern fahren. Die Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf sind mit 2.000 Schülern in zwölf Kursen die größte Landwirtschaftsschule im ganzen Bundesland.
Wir haben das vergangene Jahr für den Verband Schlesischer Bauernverband resümiert, nun fassen Sie bitte das vergangene Jahr für die Landwirte zusammen.
Ich bin eher kein Pessimist, aber man muss schon sagen: Trotz der besten Ernte seit Jahren war es das schlechteste Jahr, an das ich mich erinnern kann, und das in allen Bereichen. In erster Linie haben die Preise alles erledigt. Der Weizenpreis beispielsweise war 2008 höher als 2023, aber die Anforderungen und Kosten sind in diesen 15 Jahren mehrfach gestiegen. Die Haltung der Landwirte würde ich als pessimistisch bezeichnen. Auf dem Lande beginnt das Drama. Jede Art von Produktion wird unrentabel. All die Anforderungen, die an uns gestellt werden, von denen einige völlig absurd sind, lassen uns die Hände sinken.
Die Landwirte in Frankreich protestieren und auch in Deutschland hört man von Bauernprotesten. Warum ist die Situation für die Landwirte in Europa so schlecht?
Bestimmte Maßnahmen, die seit Langem in Brüssel ergriffen wurden, tragen dazu bei. Ich habe vor einiger Zeit mit einem Landwirt in Deutschland gesprochen, der mir sagte, dass die deutsche Regierung beginnt, sich zu beugen. Dabei ist der Treibstoffzuschlag nur ein Knackpunkt, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Landwirte sind besorgt über das gesamte System, das die Landwirte heute umgibt. Wie ich bereits gesagt habe, sind die Anforderungen, die uns auferlegt werden, völlig absurd. Die Agentur für die Umstrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft verlangt zum Beispiel von uns, dass wir den Status des Tierbestands zu dem Zeitpunkt angeben, wenn wir alles im System haben. Jede Bewegung, alles muss gemeldet werden. Dann ist da noch die Ausbringung von organischem Dünger: Wir müssen über eine App melden, wann sie begonnen hat und ob innerhalb von zwölf Stunden tatsächlich gepflügt wurde. Eine andere App schreibt vor, wo auf dem Feld ein Foto zu machen ist. Das empfinde ich schon als regelrechte Schikane, als Mobbing gegenüber den Landwirten.
Bernard Dembczak: „Trotz der besten Ernte, an die ich mich erinnern kann, war dies das schlechteste Jahr für die Landwirte, und zwar in allen Bereichen.“
Diese Themen sind für den Laien völlig fremd.
Ich hätte es selbst nicht geglaubt, wenn nicht auch ich dazu verpflichtet gewesen wäre. Ich schaue mir Medienberichte und verschiedene Videos von Protesten aus Deutschland an, und dort ist das Verständnis für die Landwirte in der Öffentlichkeit sensationell. Das geht so weit, dass die Gastronomie betont, wenn es keine Bauern mehr gibt, wird es auch uns nicht mehr geben. Lebensmittel sind die Basis für die halbe Wirtschaft, Transport, Lagerung, Verkauf. Wenn es kein Brot gibt, können wir uns ja auch nicht mit einem neuen Auto aus dem Autohaus sattessen. In Deutschland reagiert sogar die Polizei, indem sie den Protestierenden ihre Megaphone zur Verfügung stellt. Es ist zwar nicht der Einsatzort eines Landwirts, eine Straße zu blockieren, aber ich wage zu behaupten, dass die Landwirte im Westen einen starken ersten Schritt getan haben. Wer weiß, ob das nicht auch in anderen europäischen Ländern eine Lawine auslösen wird. Wir brauchen Verständnis unter den Regierenden, aber wenn die Landwirte von Leuten regiert werden, die noch nie etwas angebaut oder gezüchtet haben, dann bekommen wir die absurden Situationen, die wir haben.
Sind ähnliche Bauernproteste wie in Deutschland auch in Polen möglich?
Nicht in diesem Ausmaß, denn wir haben keine so starken Bauernverbände wie den Deutschen Bauernverband. Als Vorsitzender des Verbandes Schlesischer Bauern habe ich zwei Mal versucht, einen Protest zu organisieren, aber die Beteiligung der Landwirte war nicht sehr groß, was in gewisser Weise auch mit unserer schlesischen Mentalität zusammenhängt. In Deutschland hingegen werden die Landwirte von der Öffentlichkeit zu diesen Protesten motiviert, z. B. durch Plakate in Restaurants. Unsere Proteste in Polen werden von der Polizei unterdrückt. Wir würden es auf jeden Fall vorziehen, am Tisch zu reden und nicht auf der Straße, denn es gibt sehr viele Probleme.
Was plant der Verband für dieses Jahr?
Konkrete Pläne werden sich nach den Bezirkstreffen herauskristallisieren, die am 25. Januar in Oberglogau beginnen und bis Mitte Februar dauern werden. Wir werden sicherlich einen ähnlichen Weg einschlagen wie bisher. Neben unserem traditionellen Grillfest und unseren Ausbildungs- und Integrationsreisen planen wir auch eine einwöchige Reise nach Italien. Wir möchten uns verstärkt für die Lösung landwirtschaftlicher Probleme einsetzen und damit den Landwirten helfen.