100 Jahre Bauhaus. In die zahlreichen Veranstaltungen zum großen Jubiläum in diesem Jahr reiht sich auch der Dachverband der Deutschen Minderheit in Polen (VdG) mit einer Konferenzreihe ein. Sie ermuntert dazu, einmal mehr bewusst darauf Acht zu geben, in wie vielen Bauhaus-Objekten wir uns mitunter unbemerkt bewegen.
Zum Auftakt in Oppeln am 17. September sprach unter anderem Architekt Christopher Schmidt-Münzberg. Der Bremer ist beruflich viel in Niederschlesien unterwegs und bewundert den dortigen Bauhaus wie beispielsweise die Breslauer Werkbundausstellung von 1929/1930.
Bauhaus in Niederschlesien
„Eine ganze Menge bemerkenswerter Architektur. Aber am meisten sticht von Hans Scharoun das Ledigenheim heraus, das heute als Parkhotel Breslau funktioniert. Es ist auf jeden Fall eine Reise Wert, weil alle Gebäude wiederhergestellt worden sind“, sagt Schmidt-Münzberg. Er großes Projekt hat ihn vor zehn Jahren ins Hirschberger Tal geführt: das Barockschloss Wernersdorf (Pakoszów). „Das war damals eine Ruine“, erinnert er sich. Jetzt, zehn Jahre später, nachdem es restauriert worden ist, bekommt Wernersdorf eine bauliche Erweiterung. „Dieses Erweiterung ist progressiv, ist modern. Dabei gibt es Prinzipien, die im Bauhaus entwickelt worden sind, die ich auch für meine Architektur kopiere.“
Nächstes Jahr im November wird man das Ergebnis sehen und beurteilen können, ob der Architekt gute Arbeit geleistet hat. Christopher Schmidt-Münzberg ist schon jetzt auf das Ergebnis gespannt. „In der Architektur, so sagen wir immer, gilt Elefantenzeit. Einen Fehler sieht man noch 50 Jahre später, das kann auch ein Fluch sein.“
Doch nicht nur in Niederschlesien hat das Bauhaus Spuren hinterlassen.
Bauhaus im oberschlesischen Industriegebiet
Im oberschlesischen Industriegebiet beispielsweise hatten die schlesischen Aufstände, deren 100. Jahrestag in Polen ebenfalls in diesem Jahr begangen wurde, großen Einfluss auf die Architektur. Die durch die Volksabstimmung losgetretenen Migrationsbewegungen führten plötzlich zu Wohnungsmangel. „Das betraf vor allem die Gebiete, die bei Deutschland verblieben sind“, erklärt der aus Königshütte (Chorzów) stammende Architekt Henryk Mercik. Denn viele Gebiete, die nach der Abstimmung polnisch wurden, haben eine Abwanderung der deutschen Bevölkerung in die deutschen Gebiete Oberschlesiens erfahren. Die Frage war: Wo sollte man die neue Bevölkerung unterbringen? Henryk Mercik: „Die Antwort fand man im Bauhaus: Praktische Wohnungen. Das Haus war eine Maschine zum Wohnen. Alles sollte funktional sein, die Form sollte sich aus ihrer Funktion ergeben. Es waren keine großen Wohnungen, vor allem aber waren sie ganz anders als das, was vorher da war.“
Dass sich Bauhaus vor allem im Industriegebiet etabliert hat, hat aber noch einen anderen Grund, sagt Mercik. „Im Industriegebiet gab es immer die Ambition, modern zu sein. Die Industrie war modern, also sollte es die Architektur auch sein. Dabei haben sich die Architekten auf beiden Seiten der Grenze von den gleichen Strömungen inspirieren lassen – und die kamen aus Deutschland, auch wenn das einige nicht zugeben wollten.“
Bis heute spürt man den Bauhaus dort sehr deutlich, sagt Mercik. Man brauche sich nur die Wohnsiedlungen in Hindenburg (Zabrze) oder Beuthen (Bytom) anzusehen. Ein wahres Meisterwerk, so der Architekt, befinde sich in Königshütte. „Die dortige ehemalige Eichendorff-Privatschule ist 1932 erbaut worden, da war es mit dem Bauhaus fast schon wieder vorbei. Dennoch spürt man den Geist dieser Strömung an jeder Ecke. Die Schule, die ich später selbst besucht habe, hat das große Glück, dass viele Möbel, zum Beispiel Bänke, dass Beleuchtung und Farben aus jener Zeit erhalten geblieben sind.“
Die nächsten Konferenzen der Reihe 100 Jahre Bauhaus finden am 13. November in Breslau und am 26. November in Gleiwitz statt. Mehr Infos im Internet unter www.vdg.pl
Marie Baumgarten