Schlesien trauert um einen Künstler, der für den Durchbruch im polnischen Pressglas-Glasdesign steht. Johannes Silvester Drost hat zusammen mit Ehefrau Erika Trzewik-Drost in den Sechziger und Siebzigerjahren Designgeschichte geschrieben. Nun muss Erika Trzewik-Drost allein durchs Leben gehen. Am 22. April verstarb ihr langjähriger Ehemann und Künstlerkollege.
Den größten Teil der Sammlung in der Abteilung für Glas- und Keramik-Kunst der Gegenwart des Nationalmuseums zu Breslau bilden Arbeiten der Zombkowitzer (Ząbkowice) Glashütte im Dombrower Kohlebecken (Dąbrowa Górnicza). Für diese Glashütte entwarfen die Drosts mehr als 40 Jahre lang Muster für Pressglas.
Bereits im Jahr 2000 hatte das Nationalmuseum Arbeiten des Ehepaares in einer Ausstellung präsentiert. 22 Jahre später folgten eine Schau und ein Buch zu den Glasmeistern und ihrer Kunst. 2019 hatte das Museum des Oppelner Landes unter dem Titel „Cora, Asteroid und andere“ erstmalig Werke des Ehepaares präsentiert, daraus wurde eine Dauerausstellung im Oppelner Museum.
Sie machten Gebrauchsgegenstände schön.
„Diese Vase kenne ich!“, oder „so eine Obstschale hatte meine Mutter auch“ sind Sätze, die oft von Ausstellungsbesuchern fallen. Die beiden deutschen Oberschlesier Erika und Johannes Silvester hatten in der Volksrepublik mehrere Jahrzehnte dafür gesorgt, dass erschwingliche Gebrauchsgegenstände auch ästhetisch waren. „Das ist eben das Besondere, dass wir Gegenstände wiederentdecken, die in den 60er bis 80er Jahre hergestellt wurden. Und diese in Massen produzierten Gegenstände des täglichen Bedarfs sind heute begehrte Sammlerobjekte. In Museumsbestände finden sie auch deswegen, weil sie einfach gute Entwürfe sind“, so Barbara Banaś vom Breslauer Nationalmuseum, Autorin des polnischsprachigen Buches „Eryka i Jan Drostowie. Mistrzowie szkła“ (Erika und Johannes Drost. Meister des Glases).
Berufsbeginn in „interessanten“ Zeiten
Johannes Silvester leitete in der Glashütte Zombkowitz bis zu seiner Pensionierung 2005 die Design-Abteilung. Die Entwürfe des Tandems gaben den Zombkowitzer Erzeugnissen ihren künstlerischen Charakter. „Die Drosts begannen ihren beruflichen Weg in interessanten Zeiten für das polnische Design. Man entfernte sich damals von den sozialrealistischen Strukturen und dem durch Volkskunst inspirierten Dekor hin zu abstrakten Formen. Die 70er Jahre sind die Zeit, in der sich die Drosts dem Westen nähern konnten. Mit Künstlern wie Tapio Wirkkala oder Timo Sarpaneva aus Skandinavien fanden sie eine gemeinsame künstlerische Sprache“, betont Banaś.
Hans Drost bewies, dass auch die Flächenstruktur im Pressglas an Sandkörner oder Baumrinde erinnern kann.
„Vor uns haben viele mit Pressglas gearbeitet: in Böhmen, Skandinavien, Deutschland. Aber damals waren die Kontakte zum Westen erschwert. Wir mussten uns vieles selbst erarbeiten. Und als wir dann mit den Entwürfen aus dem Westen konfrontiert wurden, stellten wir fest, unsere waren gar nicht mal so schlecht“, erinnerte sich der aus dem oberschlesischen Klodnitz (Kłodnica) bei Cosel (Koźle) stammende Johannes Silvester Drost im geschliffenen Deutsch. Der Bauernsohn wuchs eng mit der Natur auf, die Nähe zum Klodnitzkanal, der Oder, zu den ausgedehnten Forsten seiner Heimat und zum Cosler Binnenhafen prägten Hans, wie ihn Erika nannte. „Ich kam dahinter, dass die Flächenstruktur nicht nur im geschliffenen Glas, sondern auch im Pressglas an Sandkörner oder Baumrinde erinnern kann. So haben wir neue Methoden für Formen und Dekor, aber auch neue Arbeitsmethoden entwickelt und dafür ein Patent bekommen.“
Sein Talent zum Zeichnen hat Johannes Silvester von seinem Vater geerbt, auch seine Sprachbegabung konnte er schon als Kind in Klodnitz ausbauen: „Russisch und Tschechisch habe ich kurz nach dem Krieg im benachbarten Cosel-Hafen gelernt, als die deutsche Oderwirtschaft zwischen den Russen und Tschechen aufgeteilt wurde. Wir Bauern haben sie mit Lebensmittel beliefern müssen“, erinnerte er sich. Polnisch lernte Johannes Silvester erst in der Schule, später kam Englisch dazu.
Ein Wunder der Begegnung
Seine Erika, die aus Carlsruhe O/S (Pokój) stammt, lernte Hans an der Breslauer Kunstakademie kennen. Sie wollte Malerei oder Bildhauerei studieren, doch man überredete sie, sich in die neu eröffnete Fakultät für Glaskunst einzutragen. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellte, denn als sich die Studenten vorstellten „höre ich einen Hans Drost aus Klodnitz sprechen. Da habe ich die Ohren gespitzt und dachte, ja, das ist auch eine echte oberschlesische Seele“. Eigentlich hätte Hans als Großbauernsohn gar nicht studieren dürfen und, dass sie als einzige deutsche Oberschlesier in den 50er Jahren in die Akademie der Bildenden Kunst in Breslau aufgenommen wurden, wäre ebenfalls ein Wunder, so Erika.
Die Eheleute Trzewik-Drost hatten ein erfülltes Berufsleben. Ihre Glas- und Keramik-Entwürfe findet man in Museen weltweit: in New York, Berlin, Lüttich, dem finnischen Riihimäki wie auch in Warschau, Krakau, Oppeln oder Breslau.
Erikas Heimatort Carlsruhe, wo das Ehepaar seinen Lebensabend verbrachte, würdigt die Künstler mit einer Ausstellung im teilsanierten und frisch wiedereröffneten Schlosspark.
Klaudia Kandzia