Erneuerbare Energien, Solar- oder Windkraftanlagen – wenn wir über Strom sprechen, kommen wir an diesen Lösungen heute nicht mehr vorbei. Doch ist das eine Innovation? Nicht wirklich, denn der Schotte James Blyth konstruierte bereits 1887 eine erste Windkraftanlage. Auf dieselbe Idee kam einige Jahrzehnte später auch Johann Kolodziej aus dem kleinen Dorf Schulenburg bei Oppeln.
Schulenburg liegt an der vielbefahrenen Straße Nr. 94, die sich von Görlitz-Zgorzelec bis zur ukrainischen Grenze zieht. Vor wenigen Wochen feierten die Bewohner des kleinen Dorfes das 250-jährige Bestehen, bei dem auch an die Geschichte erinnert wurde. „Unser Dorf, auch wenn es immer klein gewesen ist, hatte bereits vor 1945 z. B. eine Tankstelle und mehrere Reparaturwerkstätten, denn die Hauptstraße ist ja ein historischer Handelsweg, der bis heute von Bedeutung für die Kommunikation von Ost nach West ist“, sagt Dorfschulze Waldemar Wilk.
Der Tüftler
Eine jener Reparaturwerkstätten gehörte Johann Kolodziej. Dieser im Jahr 1900 geborene Schulenburger hatte keine lange Schulausbildung genossen, war aber ein begabter Autodidakt und Tüftler. „Er konstruierte eigenhändig ein Motorrad, mit dem er dann durch die Gegend fuhr und baute für sich von Grund auf eine Drehbank“, erzählt Waltraud Salla, deren Eltern vor dem Zweiten Weltkrieg Besitzer des bis heute in Schulenburg stehenden Restaurants waren.
Kolodziej wollte mit der Zeit gehen und das bedeutete auch, dass Strom gebraucht wurde. „Und so machte er sich daran, eine Windkraftanlage zu bauen, die er neben seiner Werkstatt aufgestellt hatte“, sagt Waltraud Salla und erzählt, dass die hohe Konstruktion an der heutigen ul. Dąbrowicka hinter der Werkstatt von Kolodziej stand. „Ich kann mich noch gut an den Bau erinnern, denn auch nach dem Krieg stand der da, auch wenn die Turbine selbst nicht mehr benutzt wurde“, erinnert sich Waltraud Salla.
Strom für alle
Dabei war Johann Kolodziej aber nicht nur auf sich selbst bezogen. Nicht nur sein Haus, sondern das ganze Dorf sollte Strom haben. „Natürlich produzierte die Windkraftanlage von Kolodziej nicht weiß Gott wieviel Strom, deshalb stand fest, dass jedes Haus nicht mehr als eine Glühbirne haben konnte. Und der Strom floss auch nicht wie heute die ganze Zeit“, erzählt Waldemar Wilk und fügt hinzu, dass dadurch damals Schulenburg, auch wenn es klein war, äußerst modern daherkam.
„Jedes Haus konnte nur eine Glühbirne haben.“
Nach dem Krieg
Was aus der Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg geworden ist, wissen die Schulenburger heute nicht genau. Johann Kolodziej führte seine Werkstatt weiter, bis er in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts starb. „Kolodziejs Haus an der Kreuzung der Hauptstraße mit der ul. Dąbrowicka steht heute leer, denn niemand von der Familie ist in Schulenburg geblieben. Seine Nachfahren leben heute in Deutschland“, sagt Waltraud Salla.
Die Erinnerung an den Tüftler aus Schulenburg ist aber nicht verloren gegangen. Beim Fest zum 250-jährigen Bestehen des Dorfes wurde er als herausragende Persönlichkeit des Ortes gewürdigt.
Rudolf Urban