Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Für Minderheit und Mehrheit

Im November 2022 öffnete das Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen (CDWNP) seine Pforten für die Öffentlichkeit. Sein Ziel ist es, die Geschichte der Deutschen nicht nur für die Angehörigen der Minderheit selbst, sondern auch für die polnische Mehrheit zu präsentieren. Hat sich diese Idee als erfolgreich erwiesen und was geschieht heute im Zentrum?

Das Gebäude in der ul. Szpitalna 11 in Oppeln sieht von außen unscheinbar aus, abgesehen von einer großen Aufschrift an der Fassade, die darauf hinweist, dass es eine Einrichtung mit dem etwas sperrigen Namen Dokumentations- und Ausstellungszentrum der Deutschen in Polen beherbergt. Es ist mit Mitteln der Bundesrepublik Deutschland entstanden – in Umsetzung eines der Punkte der Vereinbarung des deutsch-polnischen Runden Tisches von 2011, auch wenn es damals eher die polnische Seite war, die sich zur Finanzierung verpflichtete.

In der Ausstellung werden die Informationen auf vielfältige Weise präsentiert. Foto: DAZ

Im Inneren zeigt sich, dass die Einrichtung nicht nur neu, sondern auch modern ist. Die Dauerausstellung über die Geschichte der Deutschen in Polen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, die auch die schwierigen, tragischen Kapitel nicht verschweigt, besteht nicht nur aus Informationstafeln, Originaldokumenten und Artefakten aus dieser Zeit. Es ist auch und vielleicht vor allem der Einsatz von Multimedia und anderen Lösungen, die den Besuchern das Schicksal der Deutschen in Polen auf interessante Weise näherbringen. „Und das ist es, was unsere Besucher sehr oft betonen, dass die Ausstellung thematisch mit der Geschichte verbunden ist, aber durchaus modern präsentiert wird”, schwärmt BognaPiter, imCDWNP zuständig für Öffentlichkeitsarbeit.

 

Eigene Geschichte
Ziel des Zentrums ist, die Geschichte und Gegenwart der Deutschen in Polen nicht der Minderheit selbst, sondern der Mehrheit zu vermitteln, und dasist, so die Leiterin des Zentrums, Veronika Wiese, bisher gelungen. „Wir haben viele Besucher gerade aus der polnischen Mehrheit. Ich denke, es dürften etwa 50 Prozent aller Besucher sein. Insgesamt wurde die Ausstellung bisher von mehr als 1.000 Personen besucht“, sagt Weronika Wiese und fügt hinzu, dass das Zentrum seit seiner Gründung neben der Ausstellung selbst auch verschiedene Treffen organisiert hat, an denen bisher mehr als 500 Personen teilgenommen haben.

„Die Ausstellung ist thematisch mit der Geschichte verbunden, präsentiert sich aber durchaus modern.”

Im Alltag sind es vielleicht weniger Besucher, wie die Mitarbeiter des Zentrums berichten. Die Zahlen sind das Ergebnis des Empfangs organisierter Gruppen. In letzter Zeit wurde das Dokumentations- und Ausstellungszentrum auch von mehr Deutschen besucht, nicht zuletzt aufgrund eines Artikels in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „So kam ein Herr aus Peenemünde, der selbst Mitarbeiter des dortigen Museums ist, zu uns. Er war von unserer Ausstellung beeindruckt, sodass wir in Zukunft mit weiteren Besuchen aus diesem Teil Deutschlands rechnen können“, sagt Bogna Piter. Besuche von Menschen, die der deutschen Minderheit angehören und sich hier sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne wiederfinden, seien jedoch besonders bewegend. „Wir hatten Besuch von einem Herrn, der zuvor das nahe gelegene Forschungszentrum der Deutschen Minderheit besucht hatte. Er und seine Frau sahen sich die Ausstellung lange an, bis er mich irgendwann zu sich bat und mir sagte, ich solle versuchen, ihn auf einem der Fotos aus der Gründungszeit der organisierten deutschen Minderheit in Oberschlesien zu finden, die wir im ersten Stock präsentieren. Und tatsächlich habe ich den Herrn auf diesem Foto gefunden und er freute sich, dass seine Geschichte in Zusammenhang mit der deutschen Minderheit in die Ausstellung aufgenommen wurde“, so Bogna Piter.

Positive Kritik
Doch nicht nur in Deutschland hat das Zentrum durch die oben genannte Zeitung Aufmerksamkeit erlangt. Auch in Polen wurden das Zentrum und insbesondere die Dauerausstellung positiv bewertet. Prof. Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willi-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien an der Universität Breslau, hat die Ausstellung vor einigen Wochen besucht. „Die Dauerausstellung mit dem Titel ,Deutschland in Polen – Geschichte und Gegenwart‘ hätte schon vor vielen Jahren entstehen sollen. Dass sie jetzt zur Verfügung steht, kann dennoch nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie lässt schwierige und kontroverse Themen nicht aus, sondern berücksichtigt den aktuellen Stand der Forschung und markiert mögliche Streitpunkte zwischen Polen und Deutschen. Führende polnische Forscher, die sich mit Fragen der deutschen Minderheit befassen, wurden als Rezensenten gewonnen, was ein angemessenes inhaltliches Niveau gewährleistet”, schrieb Prof. Ruchniewicz auf seinem Blog krzysztofruchniewicz.eu und würdigte: „,Deutschein Polen…‘ ist auch ein großartiges Angebot, um manch eine Geschichtsstunde für Schüler sowohl von Schulen der Minderheit als auch von polnischen Schulen abzuhalten. Bildung auf dem Gebiet der deutsch-polnischen Fragen ist immer noch sehr notwendig. Wissen und offene Diskussionen sollten eine grundlegendeBarrierefür die seit einigen Jahren andauernden Versuche werden, antideutsche Gefühle in der polnischen Gesellschaft wiederzubeleben, die von einigen Politikern als bequemes Instrument zur Erlangung von Popularität und Unterstützung angesehen werden.“

Veronika Wiese und Dr. Michał Matheja bei einem Treffen mit Kindern im Zentrum Foto: DAZ

Begegnungen
Speziell für diese jüngeren Besucher organisiert das Zentrum daher neben der eigentlichen Ausstellung zyklische Treffen unter dem Titel „Zeitzeugen als Inspiration für die junge Generation“. „Wir haben diese Treffen im Rahmen der Mittel des Ministeriums für Inneres und Verwaltung für Aktivitäten der nationalen und ethnischen Minderheiten organisiert. Das Interesse war so groß, dass die Plätze für alle Treffen so schnellvergriffen waren wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Deshalb haben wir jetzt einen Antrag für eine ähnliche Reihe beim Oppelner Marschallamt gestellt und hoffen, dass wir wieder interessante Zeitzeugengespräche für junge Menschen organisieren können“, sagt Weronika Wiese.
Das Zentrum will sich aber nicht nur auf die Deutschen in Polen konzentrieren, sondern auch auf andere nationale und ethnische Minderheiten, die im Land leben. „So ist die Reihe ,Minderheiten im Dialog’ entstanden. Wir laden Vertreter anderer Gemeinschaften ein, um unseren Gästen von ihren Schicksalen in unserem Zentrum zu erzählen“, berichtet BognaPiter. Bisher wurde ein Treffen mit einem Angehörigen derLebakaschuben organisiert, vor Kurzem warlemkischeMusik in den Räumen des Zentrums zu hören. „Für den 13. Juni laden wir zu einem Treffen mit der jüdischen Künstlerin Mira Żelechower-Aleksiun ein, die nicht nur über ihre Kunst, sondern auch über das Fremdsein im Judaismus sprechen wird“, sagt Bogna Piter.

 

Zukunft
Für die Zukunft wünscht sich Bogna Piter, dass das Zentrum stärker von der deutschen Minderheit selbst wahrgenommen wird. „Bislang ist unser Angebot einer ,speziellen’ Führung für die DFKs nicht auf große Resonanz gestoßen, obwohl natürlich auch Angehörige der Minderheit die Ausstellung besuchen. Ich hoffe, dass in einem weiteren halben Jahr die Besucherzahlen im Zentrum viel höher sein werden“, konstatiert Bogna Piter.

Die Leiterin Veronika Wiese stellt fest, dass nicht jeder den Schwerpunkt dieser Dauerausstellung verstanden hat. „Wir werden oft gefragt, warum es keine Informationen über die Geschichte Oppelns vor 1945 gibt, warum wir z.B. nicht die Geschichte der großen schlesischen Adelsfamilien präsentieren. Die Ausstellung soll aber die Geschichte der Deutschen in Polen zeigen, und da Schlesien bis 1945 zu Deutschland gehörte, wäre einePräsentation dieser Aspekte gleichbedeutend mit einer Darstellung der Geschichte der Deutschen in Deutschland. Doch darum geht es hier nicht“, betont Weronika Wiese und fügt hinzu, dass in regelmäßigen Abständen Wechselausstellungen im Zentrum zu sehen sein werden, in denen wahrscheinlich auch Themen präsentiert werden, die viele Besucher heute vermissen.

Rudolf Urban

 

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