Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Fußball brachte sie zusammen

Weihnachten 1914 verlief im Schatten des Ersten Weltkriegs. Doch dann hörte der Schusswechsel zwischen den Soldaten in den Schützengräben für eine Weile auf. Schuld daran war der Sport, und zwar der Fußball. Die Geschichte begann an der Westfront in der Nähe der belgischen Stadt Ypern. Dort hörte 1914 das Schießen auf und eine unerwartete Stille trat ein.


In der Nacht zum Heiligen Abend verbrüderten sich die ersten Truppen beider Seiten des Konflikts. Lachen und Musik waren zu hören. Das ersehnte Ende des Krieges blieb zwar aus, aber es gab zumindest einen vorübergehenden Waffenstillstand. Für eine Weile waren die kämpfenden Soldaten keine Tötungsmaschinen mehr. Sie wurden wieder zu Menschen. Sie begannen, aus ihren Schützengräben herauszukommen und ihre Feinde aufrichtig zu grüßen. Sie tauschten Geschenke aus und wünschten sich gegenseitig frohe Weihnachten! Auch die deutschen Soldaten begannen, ihre Schützengräben weihnachtlich zu schmücken. Nicht jeder verstand ganz, was da vor sich ging, und so wurde der Waffenstillstand in einigen Teilen der Front nicht anerkannt und die Kämpfe gingen weiter.

Am 1. Januar 1915 teilte ein anonymer Major der britischen „Times“ mit, dass die Deutschen mit 3:2 gewonnen hätten, ein Ergebnis, das noch in den Berichten vieler Soldaten bestätigt wurde.

„Wir schicken euch etwas Bier”
Ein britischer Hauptmann (Stockwell), der die gute Stimmung der Deutschen ignorieren wollte, versuchte verzweifelt, die erteilten Befehle zu befolgen. Er änderte jedoch seine Meinung, als sein Sergeant ihm mitteilte, dass die Feinde aus ihren Schützengräben gekommen waren, unbewaffnet waren und sich genau im Visier befanden. „Nicht schießen, wir wollen heute nicht mehr kämpfen. Wir werden euch etwas Bier schicken“, riefen Soldaten eines der sächsischen Regimenter. Die beiden Seiten einigten sich auch darauf, die Leichen der Soldaten, die im Niemandsland lagen, zu begraben. „Am ersten Weihnachtstag beschlossen die Deutschen, keine Schüsse mehr abzugeben. Sie waren des Krieges schon müde. Sie schickten mir ein Päckchen Zigarren und eine Schachtel Zigaretten. Im Tausch gegen eine deutsche Zeitung gab ich ihnen ein Exemplar unseres ‚Le Petit Parisien‘“, heißt es in einem Brief eines französischen Soldaten. Es gab noch viele weitere Tauschaktionen dieser Art. Im Niemandsland wurde zudem entschieden, ein Fußballspiel zu veranstalten. „Fußball! Fußball im Niemandsland, um Gottes willen! Ist das zu glauben? Wir hatten nicht das beste Spielfeld, aber es musste einfach geschehen. Wir hatten zwei Tore, einen Ball und zwei Mannschaften. Brauchten wir sonst noch etwas?“, schrieb ein Soldat, der auf deutscher Seite kämpfte, in seinen Memoiren. Schließlich begann das Spiel und es war, wie die Soldaten betonten, ein ebenso seltsamer wie schöner Anblick. Aus Todfeinden wurden für einige Zeit Freunde. Sie spielten eher ein Freundschaftsspiel als ein Playoff um den Einzug in die Weltmeisterschaft. Die Teilnehmer lächelten, genossen das Spiel, vergaßen den Krieg und ihre Aufgaben. Alles, was zählte, waren die Feierlichkeiten, der Moment des Friedens und der Ruhe, die Freundschaft und der Ball, dem sie mit aller Kraft nachjagten.

Nach 110 Jahren
„Es war nicht einfach, auf dem gefrorenen Schlamm zu spielen, aber wir haben weitergespielt, obwohl wir keinen Schiedsrichter hatten“, beschreibt ein anderer deutscher Soldat das Spiel. Auch wenn sich die meisten Spieler nicht verständigen konnten, weil sie unterschiedliche Sprachen sprachen, gelang es ihnen doch, eine gemeinsame Sprache zu finden – die Sprache des Fußballs. Bemerkenswert ist, dass bei dieser Begegnung nicht zwei Elfermannschaften gegeneinander antraten. 70 Deutsche und 50 Engländer nahmen an dem Spiel teil, wobei der Wettkampf entlang der gesamten Seitenlinie stattfand. Das Spiel endete, als der Ball an einem hervorstehenden Stacheldraht durchbohrt wurde. Wer hat gewonnen? Am 1. Januar 1915 teilte ein anonymer Major der britischen Times mit, dass die Deutschen mit 3:2 gewonnen hätten, ein Ergebnis, das noch in den Berichten vieler Soldaten bestätigt wurde. In Anbetracht des riesigen Spielfelds mag eine solche Übereinstimmung ein wenig überraschend sein. Bis heute erinnern sich die Engländer selbst sehr gerne an jene Tage und feiern das Ereignis. Und das, obwohl sie nur ungern an Niederlagen gegen Deutschland zurückdenken. Und davon gab es im Fußball ja nun wirklich einige. Auch bei den Welt- und Europameisterschaften, und die waren und sind für die Engländer immer besonders schmerzhaft. Doch bei dem historischen Spiel zwischen deutschen und englischen Soldaten in der Nähe der belgischen Stadt Ypern zählte vor allem etwas anderes und tut es auch nach fast 110 Jahren noch. Etwas viel Edleres als nur einen Fußball zu kicken und ihm von Tor zu Tor hinterherzulaufen. Es war eine edle Demonstration junger Menschen, von Soldaten, die zur Hölle des Krieges verurteilt waren und die trotz der äußerst schwierigen Umstände zeigten, dass sie in ihren Herzen Gefühle, Glauben, Menschlichkeit und den Traum von der Rückkehr in die Heimat, in den Frieden, in die Normalität, in die Liebe hatten.

Ein Kreuz auf dem Feld, wo das Spiel während des Waffenstillstands 1914 stattfand.
Foto: Archiv

UEFA gedenkt dieser Geschichte
Aus diesem Grund ist es nicht nur für die Sportwelt eine einzigartige Geschichte. Eine Geschichte, die die kämpfenden Soldaten in einem ganz anderen Licht zeigt. Sie enthüllte die Wahrheit über junge Menschen, die der schönsten Jugendjahre ihres Lebens beraubt wurden. Über verletzte Jungen, die von der Politik gezwungen wurden, etwas zu tun, was sie nicht wollten, was sie nicht mochten, was sie vielleicht nicht ganz verstanden, und die, wenn sie die Chance gehabt hätten, ihre Waffen und die Schützengräben aufgegeben hätten und zu ihren Familien geeilt wären. Bemerkenswert ist auch, dass der Waffenstillstand in einigen Teilen der Front bis zum 3. Januar 1915 andauerte. Leider gab es bis zum Ende des Ersten Weltkriegs keine derartigen Ereignisse mehr. Dennoch sei hervorgehoben, dass der europäische Fußballverband UEFA anlässlich des hundertsten Jahrestags des Waffenstillstands von 1914 beschloss, dieser Geschichte mit einem besonderen Film zu gedenken. Zu sehen waren darin Fußballgrößen wie der Franzose Michel Platini (u. a. dreimaliger Gewinner des Goldenen Balls der Zeitschrift ‚France Football‘ – er war der Erste überhaupt, dem dies drei Mal in Folge gelang) und Didier Deschamps(derzeitiger Trainer der französischen Nationalmannschaft, mit der er u. a. Weltmeister und Vizeweltmeister wurde und früher ein ausgezeichneter Spieler war), die Engländer Bobby Charlton (der 1966 mit der Nationalmannschaft seines Landes die Weltmeisterschaft gewann – die einzige für England in der Fußballgeschichte) und Wayne Rooney (fünffacher englischer Meister und Champions-League-Sieger), der Waliser Gareth Bale (jahrelang ein Star bei Real Madrid) oder auch Deutschlands Weltmeister von 2014, der phänomenale und unvergessliche Philipp Lahm. Die älteren Spieler übernahmen dabei übrigens die Rolle der Erzähler, während die jüngeren Spieler die Briefe der Soldaten lasen, die in diesem Text zitiert werden.

Wissenswertes
Im 100. Jubiläumsjahr des Ereignisses im belgischen Ypern gewannen die Deutschen zum vierten Mal in der Geschichte die Weltmeisterschaft. Außerdem waren sie die erste europäische Mannschaft, der dies auf dem südamerikanischen Kontinent gelang, und zwar in Brasilien, dem Heimatland von Pelé und damit in der sprichwörtlichen „Höhle des Löwen“. Im Halbfinale besiegten die Deutschen Brasilien mit 7:1 (!) und im Finale ein weiteres südamerikanisches Kraftpaket, Argentinien, mit Lionel Messi.

Krzysztof Świerc

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